Willy Sagnol, Trainer der georgischen Nationalmannschaft
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Willy Sagnol, Trainer der georgischen Nationalmannschaft

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Fußball-EM 2024: Willy Sagnol schreibt mit Georgien Geschichte

Bevor der FC Bayern sich auf Vincent Kompany als Tuchel-Nachfolger festgelegt hatte, geisterte immer wieder der Name Willy Sagnol durch die Medien. Bei der EM zeigt er, warum: Mit Georgien lässt er schönen Fußball spielen und erreicht Historisches.

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Gute Laune versprühte Willy Sagnol nicht vor dem größten Fußball-Spiel in der Geschichte Georgiens. Der Franzose hatte die Nationalmannschaft des 3,7 Millionen Einwohner Landes im Südkaukasus 2021 übernommen und überraschend zur EM geführt. Zum ersten Mal in der Geschichte ist Georgien bei einem großen Fußballturnier vertreten und doch begleiteten Kritik und Nebengeräusche die Vorbereitung zum entscheidenden Gruppenspiel gegen Portugal. "Ich werde jeden Tag von Trotteln beleidigt", sagte der 47-Jährige und machte eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen. "Ich kann es gerne nochmal sagen: von Trotteln", legte er nach.

Grund für diesen Ausbruch war ein vermutlich gefälschtes Zitat, das in Georgien die Runde gemacht hatte. Temur Ketsbaia, Sagnols Vorgänger, soll ihm vorgeworfen haben, er würde KSC-Stürmer Budu Siwsiwadse nicht spielen lassen, weil er den prorussischen Kurs der georgischen Regierung kritisiert hatte, gegen den regelmäßig tausende Menschen auf die Straße gehen. Sagnol wies von sich, dass Politik irgendeinen Einfluss auf seine Aufstellung habe.

Sagnol: Kein Jubel, nur Anweisungen

Siwsiwadse hatte mit einem Doppelpack in den EM-Play-offs großen Anteil daran gehabt, dass Georgien zum ersten Mal bei der EM spielt. Doch im Turnier setzt Sagnol nun auf Georges Mikautadze als alleinige Sturmspitze. Eine Strategie, die gut aufgeht, hatte der Stürmer des FC Metz doch bereits in den ersten beiden Partien gegen die Türkei (1:3) und Tschechien (1:1) getroffen.

Einen Tag später, beim Spiel gegen Portugal, schien die Laune Sagnols immer noch nicht besser zu sein. Relativ stoisch beobachtete er, wie ebenjener Mikautadze einen gegnerischen Pass abfing und Georgiens Superstar Khvicha Kvaratskhelia (SSC Neapel) – genannt Kvaradona – bediente, der nach zwei Minuten traf und somit die Tür zur Historie weit aufstieß. Sagnol gab an der Seitenlinie seinem Co-Trainer hektische Taktikanweisungen, anstatt zu jubeln.

Georgischen Märchen und ein Hauch von Beckenbauer

Und auch als seine Spieler den Elfmeterpfiff in der 55. Minute beklatschten, mahnte er zur Besonnenheit, tippte sich eifrig an den Kopf und verfiel dann auch nicht in Jubelstürme, als Mikautadze das 2:0 erzielte, das am Ende für den Einzug ins Achtelfinale reichen sollte. Erst nach dem Schlusspfiff riss der Franzose die Arme nach oben und stellte sich mit feuchten Augen vor die Fan-Kurve. Als "Märchen" bezeichneten die Medien im Heimatland diesen Erfolg und Willy Sagnol wurde von georgischen Journalisten teilweise mit Applaus auf der Pressekonferenz nach dem Spiel begrüßt.

"Ich habe meinen Spielern gesagt, sie sollen sich zurückerinnern an ihre Jugend, wie sie damals Fußball gespielt haben, ohne sich Gedanken zu machen. So sollten sie es heute auch machen", erklärte Sagnol anschließend – was sich wohl in etwa auf das Beckenbauersche: "Geht's naus und spuit's Fußball" herunterbrechen lässt.

Sagnol: Nach dem FC Bayern folgte die Arbeitssuche

Sagnol hat in seiner Karriere schon große Erfolge gefeiert. Der Außenverteidiger kam im Jahr 2000 zum FC Bayern, wurde Champions-League-Sieger, fünfmal Deutscher Meister und viermal DFB-Pokal-Sieger, ehe er 2009 seine Karriere an der Isar beendete. Anschließend war er beim FC Bayern in verschiedenen Funktionen tätig: als Scout, als Co-Trainer unter Carlo Ancelotti. Als Interimstrainer der 1. Mannschaft betreute er sogar ein Spiel (ein 2:2 gegen Hertha BSC). Zuvor hatte er bereits die französische U21-Nationalmannschaft und Girondins Bordeaux trainiert. Doch nach seiner Zeit als Co-Trainer beim FC Bayern geriet Sagnols Karriere ins Stocken. Erst dreieinhalb Jahre später fand er wieder eine Anstellung - als Nationalcoach in Georgien.

Als der FC Bayern sich im März dieses Jahres auf Trainersuche begab, geisterte der Name Sagnol immer wieder durch die Medien. Doch konkret wurde es scheinbar nie. Schließlich übernahm Vincent Kompany an der Säbener Straße und Sagnol fuhr mit Georgien zur EM - und begeistert mit Offensiv-Fußball und beweist, dass er durchaus in Zukunft durchaus für ein Amt in München infrage kommen könnte. Er hat die georgische Nationalmannschaft seit seiner Ankunft revolutioniert.

Kvaratskhelia & Co: Die goldene Generation Georgiens

Der Trainer machte es der defensiven Mannschaft, ein Team, dass Risiko eingeht und vor allen Dingen offensiv denkt. Ein mutiges Unterfangen, das der vielleicht besten Generation in der Geschichte des Verbandes gerecht wird. Neben dem Shootingstar Kvaratskhelia, der Neapel als Spieler der Saison zur Meisterschaft 2023 geführt hat, sorgen der Mittelfeldregisseur Otar Kiteishvili (Sturm Graz), Mikautadze (FC Metz) und besonders Giorgi Mamardashvili für viel Aufmerksamkeit in Europa.

Der Torhüter Mamardashvili hat sich mit seinen Paraden gegen Portugal mit aller Kraft gegen den Ausgleich gestemmt und großen Anteil am Achtelfinaleinzug. Es ist kein Zufall, dass genau jetzt wieder Gerüchte aufkommen, dass der FC Bayern wieder Interesse an einer Verpflichtung des Keepers vom FC Valencia hat.

David gegen Goliath: Georgien trifft auf Spanien

Als Sagnol auf der Pressekonferenz nach dem 2:0-Sieg gegen Portugal gefragt wurde, was er von seinem Achtelfinalgegner hält, antwortet er: "Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, gegen wen wir spielen werden. So arbeite ich nicht", sagte er. Nun steht fest: Es wird der große Favorit auf den Titel. Für viele Mannschaften eine Hiobsbotschaft. Sagnol antwortete ehrlich: "Spanien wird eine große Aufgabe, vielleicht zu groß für uns. Aber ich kann versprechen, dass wir bis zum Schluss alles geben werden. "

Es scheint kaum möglich, dass das kleine Georgien gegen diese so furios aufspielende spanische Nationalmannschaft am Sonntag (30. Juni, ab 21 Uhr im Livestream auf sportschau.de) weiterkommt. Doch das georgische Nationalteam hat unter Sagnol gezeigt, dass es schaffen kann, was viele für unmöglich halten. Sollte sie es erneut schaffen, könnten sie im Viertelfinale auf Deutschland treffen. Doch so weit denkt Sagnol bestimmt nicht. Der Franzose träumt sich nicht in die Zukunft und baut keine Luftschlösser: "Wenn wir irgendwann verlieren, werden wir wissen, was wir geleistet haben", sagte er. Bis es so weit ist, wird er seinen Spielern vermutlich sagen, dass sie rausgehen und einfach ihren Fußball spielen sollen.

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