Sportwetten: Amateurfußball im Visier
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Fußballvereine werfen Datenscouts vom Sportplatz

Fußballvereine werfen Datenscouts vom Sportplatz

Amateurvereine in Bayern reagieren auf eine BR-Recherche – und wehren sich gegen Sportwetten auf ihre Spiele. Der Bayerische Fußballverband und Innenminister Herrmann begrüßen das Vorgehen gegen die Datensammler der Wettindustrie.

Über dieses Thema berichtet: Story am .

Immer mehr Amateurfußballclubs in Bayern verbieten das Datensammeln bei ihren Heimspielen. Damit wollen die Vereine hierzulande verbotene Sportwetten auf Amateurfußball und mögliche Spielmanipulation verhindern.

Erst am vergangenen Wochenende haben Verantwortliche des FC Deisenhofen in der Bayernliga-Partie gegen den SV Erlbach einen sogenannten Datenscout enttarnt und vom Sportgelände verwiesen. Die Fünftliga-Begegnung war bei zahlreichen internationalen Wettportalen im Angebot.

Tausende deutsche Amateurspiele auf internationalem Wettmarkt

Solche Datenscouts – unterwegs im Auftrag von Sportdatenunternehmen – machen Live-Wetten erst möglich, wie die kürzlich veröffentlichte ARD-Dokumentation "Angriff auf den Amateurfußball – Die Gier der Wettindustrie" aufdeckt.

Die Scouts sind mit einem Smartphone vor Ort und übertragen die Aktionen auf dem Platz in Echtzeit an ihre Auftraggeber. Von dort gehen die Daten an Wettanbieter weiter. Eine exklusive Auswertung von BR Data kam zu dem Ergebnis, dass Datenscouts in der vergangenen Saison bei mindestens 2.700 deutschen Amateurfußballspielen vor Ort waren.

16 Bayernliga-Spiele im Wettangebot

Auf vielen ausländischen Seiten kann regulär auf deutsche Amateurspiele gewettet werden. Über technische Umwege sind Wetten auch aus Deutschland möglich, allerdings sind diese illegal. Allein am vergangenen Spieltag wurden alle 16 Bayernliga-Partien und acht Spiele der Regionalliga Bayern auf internationalen Sportwettseiten angeboten.

Die Vereine haben davon nichts, an ihren Spielen verdient nur die Wettindustrie. Vom Bayerischen Fußballverband (BFV) heißt es, solche Sportwetten auf Amateurspiele öffneten einer möglichen Manipulation Tür und Tor.

"Es geht um die Integrität des Wettbewerbs, daher wollen wir unsere Vereine stärker sensibilisieren", sagt BFV-Pressesprecher Fabian Frühwirth. Mehr könne man für die Vereine nicht tun. Letztlich hätten diese das Hausrecht und können bei ihren Heimspielen Hausverbote für Datenscouts aussprechen, betont der Sprecher. Weil die gesammelten Daten vor allem für internationale Wettangebote verwendet werden, ist die Arbeit der Datenscouts nicht grundsätzlich illegal.

Hausverbote für Datensammler

In Deisenhofen hat der Vereinsvorstand am Eingang zum Sportgelände Verbotsschilder aufgehängt, dass das Datensammeln verboten ist. So wird ausdrücklich auf das Hausrecht hingewiesen und der Verein sichert sich rechtlich ab, um Datenscouts vom Gelände zu verweisen. Damit will der FC Deisenhofen vor allem seine Spieler vor möglichen Manipulationsangeboten schützen.

In den vergangenen Wochen gab es mehrere Fälle wie zuletzt in Deisenhofen: So flogen zum Beispiel bei der Begegnung TSV Grünwald gegen den FV Illertissen im Toto-Pokal sowie beim Heimspiel des TSV Rain gegen die zweite Mannschaft der Spielvereinigung Unterhaching in der Bayernliga Datenscouts vom Sportplatz.

Herrmann: Lizenzentzug für Wettanbieter nicht möglich

Auf BR-Anfrage teilt Bayerns Innen- und Sportminister Joachim Herrmann (CSU) mit, er begrüße jedes Bemühen von Vereinen und Verbänden gegen Scouts vorzugehen, die Wetten auf Amateurspiele ermöglichen. Er halte es jedoch nicht für möglich, Sportwettanbietern die staatliche Erlaubnis zu entziehen, die im Ausland erlaubte Wetten auf deutsche Amateurspiele anbieten. Einer Änderung des seit 2021 geltenden Glücksspielstaatsvertrags, der Online-Wetten in Deutschland regelt, steht der Innenminister eher skeptisch gegenüber: "Markt und Verwaltung brauchen eine solide, verlässliche rechtliche Basis."

Nach der Veröffentlichung der BR-Recherchen Mitte August hatte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gefordert, entsprechenden Wettanbietern die deutsche Konzession zum Sportwettangebot zu entziehen.

Keine bekannten Manipulationsfälle in Bayern

Auf eine BR-Anfrage teilen das Bayerische Landeskriminalamt und der Bayerische Fußballverband mit, es seien keine Verdachtsfälle wegen Spielmanipulation und Wettbetrug bekannt. Der Verband weist für die Regionalliga Bayern zudem auf eine Verpflichtung im Zulassungsverfahren hin, die den Spielern die generelle Teilnahme an Sportwetten untersagt. Die Vereine aus der Bayernliga will der Verband jetzt bei Spielgruppentagungen aufklären. Dort gibt es keine solche Verpflichtung für Spieler.

Vereine auf sich gestellt

"Wir können nur so viel machen, wie wir sehen", sagt Deisenhofen-Vorstand Thomas Werth. Es sei nicht immer einfach zu erkennen, wer von den Zuschauern mit seinem Handy Daten übertragen könnte. "Wir sind ehrenamtlich schon am Limit", sagt Werth. Ob beim nächsten Bayernliga-Spiel in Deisenhofen wieder ein Datenscout auf der Tribüne sitzt? Nicht auszuschließen.

Die ARD-Story "Angriff auf den Amateurfußball - Die Gier der Wettindustrie" zeigt einen Einblick in das Geschäft zwischen Wettanbietern und Sportdatenhändlern. Wie gelangen deutsche Amateurspiele in Echtzeit auf den globalen Wettmarkt? Was machen DFB und Glücksspielbehörde dagegen? Die Doku ist in der ARD Mediathek und läuft heute Abend (11. September, 22 Uhr) im BR Fernsehen.

Hilfe und Beratung zum Thema Spielsucht für Betroffene und Angehörige gibt es hier:

Check dein Spiel – kostenlose anonyme Hilfe [externer Link]

BZgA-Telefonberatung zur Glücksspielsucht: 0800/137 2700

Hilfe zur Selbsthilfe: Anonyme Spieler [externer Link]

Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und Fachkliniken in der Umgebung finden: Fachverband Glücksspielsucht [externer Link]

Kostenlose Experten-Hotline des Fachverbands Glücksspielsucht: 0800/077 6611

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