An diesem Wochenende, an dem der Skirennfahrer Thomas Dreßen am Samstag ein allerletztes mal auf der Streif in Kitzbühel gefahren ist, ein allerletztes mal ein Weltcup-Skirennen bestritten hat, da ploppten immer mehr Nachrichten auf seinem Handy auf. So viele, dass Dreßen noch nicht allen antworten konnte. Der italienische Skirennläufer Christof Innerhofer habe ihm geschrieben, die Skispringer Andreas Wellinger, Markus Eisenbichler und viele weitere.
"Es überrascht mich, dass das doch so vielen Leuten nah geht, dass sie das Bedürfnis haben, mir zu schreiben, das freut mich voll", sagte Dreßen, der am Sonntag zu Gast in "Blickpunkt Sport" im BR Fernsehen war. "Am Ende des Tages ist es nur Skifahren, was ich gemacht habe und dass da so viele Leute mitgefiebert haben und so Daumen gedrückt haben, ist eine Riesenehre".
Party mit Cyprien Sarrazin und Marco Odermatt
Seit der Speedfahrer am Donnerstag (18. Januar) seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, hatte er einen vollen Terminkalender: sein letztes Abfahrtsrennen am Samstag, die obligatorische Party im Lokal "Londoner" danach - bis vier Uhr morgens feierte Dreßen mit seinen Skifahrer-Kollegen, allen voran mit dem diesjährigen Doppel-Sieger von Kitzbühel, Cyprien Sarrazin und Marco Odermatt. Ausschlafen war dann aber nicht möglich für den Jungvater: Schon um 6.30 Uhr am nächsten Morgen weckte ihn seine sieben Monate alte Tochter.
Für Dreßen waren es emotionale, aufregende letzte Tage als Teil des Weltcup-Zirkus. Für ihn habe es "nichts Schöneres" gegeben, als sein Karriereende in Kitzbühel zu feiern, wo er 2018 die Abfahrt gewonnen, wo er sich in den Skigeschichtsbüchern verewigt hat, wo sein Name eine der roten Gondeln der Hahnenkammbahn ziert.
Abschied vor Zehntausenden Menschen
Als der 30-Jährige im "Blickpunkt-Sport"-Studio eine Zusammenfassung seiner Karriere sah, da hatte er Tränen in den Augen. "In erster Linie sind das jetzt auch Freudentränen gewesen, weil es hat brutal viel Spaß gemacht, der Erfolg wie die schlechten Zeiten. Man lernt fürs Leben", sagte Dreßen.
"Jetzt wo's vorbei ist, schaut man zurück und überlegt, was hat die Karriere ausgemacht, also: Was war wirklich?" Was viel mehr hängengeblieben sei als Siege und Podestplätze, seien die "Leute, die ich kennengelernt habe und die ich kennenlernen durfte". In Kitzbühel habe er sich von eben diesen Menschen und vor 45.000 Zuschauern verabschieden können.
Als er im Ziel ankam, brachen die Emotionen über Dreßen herein. Skifahrer-Kollegen, Betreuer und seine Familie stürmten im Ziel auf ihn zu, nahmen ihn auf ihre Schultern, ließen ihn hochleben. "Am Ende des Tages ist es eine große Familie, zu der man dazugehört und zu der man jetzt Servus sagen muss", sagte Dreßen.
Im Video: Thomas Dreßen beendet seine Karriere in Kitzbühel
Erleichterung nach Pressekonferenz
Die Entscheidung zurückzutreten hat der ehemalige Athlet vom SC Mittenwald am Sonntag nach den Wengen-Rennen und "alleine" getroffen. Erst nach und nach habe er alle Menschen in seinem Umfeld angerufen. "Mit jeder Person, die ich informiert habe, ist es mir besser gegangen", sagte Dreßen. Richtige Erleichterung habe er dann aber erst gespürt, als es am Donnerstag (18. Januar) bei der Pressekonferenz komplett raus war.
"Weil man dann offen darüber reden kann", so Dreßen. Die Öffentlichkeit einzuweihen, das habe ihm auch selbst geholfen einen Schlussstrich zu ziehen. "Aber es wird noch Zeit brauchen, bis ich alles verarbeitet habe."
Dreßen war bei Straßer-Sieg live dabei
Nach dem Trubel in Kitzbühel wolle er nun Zeit mit seiner Tochter verbringen: "Jetzt ist für mich erst mal wichtig: Heimkommen, Familie genießen." Doch bevor es nach seinem letzten großen Tag nach Hause ging, stattete er am Sonntag den Technikern am Ganslernhang noch einen Besuch ab.
Als Zuschauer war er live dabei, als sein DSV-Kollege Linus Straßer den Slalom gewann und sich die goldene Gams schnappte. "Das hat mich so brutal gefreut. Der hat sich das so verdient", sagte Dreßen. "Das ist einfach das Rennen, das man unbedingt will." Straßer wollte ihn hinterher gleich als Maskottchen und Glücksbringer für seine kommenden Rennen verpflichten.
Vielleicht klappt das ja zumindest teilweise. Thomas Dreßens Abreise aus Kitzbühel soll nämlich kein endgültiges "Servus" sein. Er möchte der Skiwelt erhalten bleiben. In welcher Rolle konkret, weiß er zwar noch nicht, aber er habe "schon das ein oder andere im Kopf". Er sei zum Beispiel "nicht auf den Mund gefallen" und könne sich demnach vorstellen, für die Medien zu arbeiten, aber auch seine Erfahrung an seine Kollegen weiterzugeben komme für ihn in Frage.