Skispringen ist eine komplizierte Sportart. Für die Springer sowieso, denn die Abläufe bei den Sprüngen sind so sensibel, dass die kleinste Abweichung zu schlechten Ergebnissen, ja sogar zu gefährlichen Stürzen führen kann.
Kompliziertes Wertungssystem
Mindestens genauso kompliziert ist die Wertung der Sprünge. Es gewinnt nicht zwangsläufig der Athlet, der die weitesten Sätze macht. Haltungsnoten, Anlauflänge und Windkompensationspunkte (bei guten Bedingungen werden von vorneherein Punkte abgezogen, bei schlechten Bedingungen gibt's Punkte obendrauf) spielen ebenso eine Rolle und keine kleine. So konnte es etwa passieren, dass in Garmisch-Partenkirchen nicht Andreas Wellinger die Qualifikation gewann, sondern Anze Lanisek. Der Slowene segelte bei viel Rückenwind bis auf 134 Meter und ließ Wellinger, der bei besseren Bedingungen 139 Meter flog, trotzdem mit 1,5 Punkten hinter sich.
Vor dem vierten und entscheidenden Springen in Bischofshofen liegen nun Andi Wellinger und der Japaner Ryoyu Kobayashi ganz eng beieinander. Obwohl der deutsche Olympiasieger (801,5 Meter) in der Summe der addierten Weiten bislang weiter sprang als Kobayashi (796,5 Meter), liegt Wellinger 4,8 Punkte hinter dem Japaner zurück.
Enges Rennen: 4,8 Punkte sind umgerechnet 2,67 Meter
4,8 Punkte - das ist im Skispringen fast nichts. Der Versuch einer Annäherung:
Eine Andreas-Wellinger-Skilänge
Der 28 Jahre alte Ruhpoldinger ist 1,84 Meter groß. Seine Skier dürfen laut Reglement maximal 145 Prozent der eigenen Körpergröße sein, also 2,67 Meter. Holt Wellinger also in Bischofshofen in zwei Sprüngen insgesamt einmal seine eigene Skilänge auf, wird er - wenn er die gleichen Windpunkte und Haltungsnoten wie Kobayashi bekommt - doch noch Sieger der Vierschanzentournee.
Größter Mensch der Geschichte
Robert Wadlow (geboren 1918, gestorben 1940) gilt als größter Mensch der Medizingeschichte, dessen Körpergröße einwandfrei belegt ist. Der Amerikaner war 2,72 Meter groß. Ihm ist in Illionis eine Statue gewidmet. Schafft es Wellinger, eine Wadlow-Körperlänge auf der Paul-Außerleitner-Schanze aufzuholen, wäre das deutsche Warten auf einen Tournee-Triumph nach 22 Jahren beendet.
Ein Fußballtor
Wenn der FC-Bayern-Fan Wellinger hingegen nur die Höhe eines üblichen Fußballtores (2,44 Meter) aufholt, reicht es nicht für den Titel bei dem Prestigeevent. Umgerechnet wird beim Großschanzen-Skispringen so: Ein Meter sind 1,8 Punkte. 0,1 Punkte sind demzufolge rund 5,55 Zentimeter. Bei Olympia 2002 landete Deutschlands Quartett um genau diese Winzigkeit vor Finnland und holte Team-Gold. Absolviert wurden damals acht Sprünge - so viele, wie Wellinger und Kobayashi am Samstag auch gemacht haben dürften.
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