Sportlich machte der deutsche Fußball diese Woche positiv von sich reden: Sowohl Bayern München als auch Borussia Dortmund sind ins Champions-League-Halbfinale eingezogen. Doch negative Schlagzeilen gab es jetzt rund um den Prozess der Bundesliga-Rechte-Vergabe für den deutschsprachigen Fernsehmarkt.
1,1 Milliarden Euro – das ist die Summe, die die Vereine der 1. und 2. Liga aktuell pro Saison durch den Verkauf der TV-Rechte einnimmt. Nun sollten die Rechte neu vergeben werden. "Nach allem, was man lesen konnte, hoffen die 36 Profiklubs, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten annähernd ein gleiches Ergebnis wieder erzielt werden kann", sagt Michael Schaffrath, Professor für Medien und Kommunikation an der TU München. Doch ein Ergebnis - das könnte erst mal auf sich warten lassen. Denn das Vergabe-Verfahren für die Rechte ab übernächster Saison ist mit einem Knall unterbrochen worden.
Dazn erhebt schwere Vorwürfe gegen DFL
Was ist passiert? Die Deutsche Fußball-Liga DFL veräußert die Bundesliga-Rechte in mehreren Paketen. Die Vergabe des größten Pakets, das 196 Live-Spiele beinhaltet, sorgte für einen Eklat. Der Streaming-Anbieter Dazn behauptet, er habe für das Paket das "finanziell attraktivste und überzeugendste Angebot" abgegeben. Das geht aus einem Brandbrief hervor, den Dazn an die 36 Klubs der 1. und 2. Liga und das Bundeskartellamt geschickt hat und der der "Bild"-Zeitung und der Frankfurter Rundschau vorliegt.
Demnach habe Dazn nicht den Zuschlag bekommen, sondern offenbar Konkurrent Sky. Dazn behauptet, die DFL habe binnen 24 Stunden eine "ganz konkrete Bankgarantie" von ihnen verlangt. Eine Garantiezusage einer Investmentfirma, die man stattdessen vorgelegt habe, habe die DFL anders als früher dagegen nicht akzeptiert. Dazn wirft der Deutschen Fußball Liga deswegen "Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung" und "rechtswidriges Verhalten" vor.
"Haltlos": DFL wehrt sich gegen Dazn-Kritik
Die DFL hat das Vergabe-Verfahren nach dem Dazn-Protest gestoppt – und sie wehrt sich. Die Vorwürfe des Streaming-Anbieters seien "unzutreffend" und "haltlos", man weise sie in aller Deutlichkeit zurück, hieß es in einer Mitteilung. Was hinter den Kulissen passiert ist – darüber lässt sich aktuell nur spekulieren.
Möglicherweise wollte die DFL beim Thema Finanzen auf Nummer sicher gehen. Das glaubt zumindest Professor Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule Köln. "Das liegt ein bisschen auf der Hand", sagt Uhrich im BR-Interview. Nach seinem Kenntnisstand habe es schon im letzten Bieterverfahren die Forderung nach solchen Finanzgarantien gegeben. "Wenn man die letzten Jahre verfolgt und sieht, dass die Rechte-Käufer da einige Probleme hatten, das zu refinanzieren, ist es durchaus legitim und wenig überraschend, dass sich die DFL hier absichern möchte". Der Sportökonom kann sich gut vorstellen, dass das einer der Hauptgründe sei, die die aktuelle Situation heraufbeschworen haben.
Dass die DFL schlicht nicht mehr auf Dazn als Partner setzen will, glaubt Experte Uhrich nicht. "Ohne spezifische Gründe wüsste ich nicht, warum die DFL in der Situation, in der sie es unbedingt schaffen muss, einen Abschluss zu erzielen, der zumindest nicht weit unter dem Letzten ist, einen der zentralen Bieter, die da infrage kommen, von vornherein ausschließen sollte."
Auch Michael Schaffrath von der TU München, hält das für unwahrscheinlich. "Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, weil Dazn auch im letzten Rechte-Deal Partner der DFL war und die Freitags- und die Sonntagsspiele übertragen hat", sagt er im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk.
Imageschaden für den deutschen Fußball?
Wie sehr belastet der Streit den deutschen Fußball? "Es wirft kein gutes Licht, es ist ein Stück weit auch Imageschädigung", sagt Michael Schaffrath. Er könne sich vorstellen, dass die 36 Profiklubs nicht besonders glücklich sind, dass nun wieder die DFL und damit auch sie in negative Schlagzeilen geraten, nachdem im Februar bereits der geplante Investoren-Deal der DFL nach Fan-Protesten geplatzt war. "Deshalb glaube ich schon auch, dass hinter den Kulissen das eine oder andere Telefonat heute Morgen stattgefunden hat zwischen Bundesliga-Managern, Sportvorständen, Vereinspräsidien und der DFL-Zentrale in Frankfurt", so Medien-Professor Schaffrath.
Sportökonom Sebastian Uhrich sieht den Schaden nicht ganz so schlimm. "Ein Image formt sich über Jahre, über Jahrzehnte. Das ist keine glückliche Nachricht, und wir wissen nicht, was daraus jetzt noch wird." Aber das Image des deutschen Fußballs werde durch viele andere, auch positive Dinge beeinflusst. Momentan sehe er noch keinen Schaden, auch wenn er die aktuelle Lage als "sehr unglücklich" und "nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme" sieht.
Wie geht es nun weiter?
Uhrich glaubt dennoch, dass es zu einer Einigung kommen wird. "Ich gehe davon aus, dass alle Seiten sich konstruktiv verhalten werden. Denn letztlich sitzen sowohl die Bietenden als auch die DFL im selben Boot." Beide Seiten hätten ein Interesse daran, dass das Medienprodukt Fußball auch in den nächsten Jahren in hoher Qualität dem Publikum präsentiert werden könne.
Daher geht Uhrich davon aus, "dass man sich hier an irgendeiner Stelle einigen wird." Zugleich habe ihn die drastische Wortwahl des Dazn-Brandbriefs überrascht, "weil er ja auch öffentlich geworden ist. Und insofern müssen da schon Dinge vorgefallen sein, die jetzt noch nicht alle ans Tageslicht gekommen sind", so Uhrich.
Experte: Monatelange juristische Auseinandersetzungen drohen
Das Bundeskartellamt hat bereits angekündigt, den Fall prüfen zu wollen. Michael Schaffrath von der TU München hält es für möglich, dass der Prozess dauern könne. "Es ist spekulativ: Möglicherweise drohen tagelange, wochenlange, monatelange juristische Auseinandersetzungen – und das für das Produkt Fußball natürlich absolut kontraproduktiv."
Dabei droht der DFL auch zeitlicher Druck: Der aktuelle Deal gilt nur bis zum Ende der nächsten Spielzeit – und er ist die wichtigste Einnahmequelle der Vereine.
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