Es war ein Bild, das sich in das kollektive Gedächtnis des deutschen Fußballs eingebrannt hat: Uli Hoeneß und Corny Littmann, Arm in Arm im Mittelkreis des Millerntor-Stadions, bekleidet mit einem braunen T-Shirt, auf dem groß die Aufschrift "Retter" stand. Zwei Fußballfunktionäre, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Auf der einen Seite Hoeneß, einer der bekanntesten Fußballmanager der Welt, Wurst-Magnat, enger Freund von Edmund Stoiber und anderen CSU-Größen. Auf der anderen Seite Littmann. Theatermacher, Schauspieler, Regisseur und LGBTQ-Aktivist.
Beifall am Millerntor - Hoeneß: "Hätte ich mir nicht vorstellen können"
So unterschiedlich die Männer, so unterschiedlich waren auch die Vereine, für die sie verantwortlich waren. Der Branchen-Krösus FC Bayern kam nach unzähligen deutschen Meisterschaften und dem Sieg in der Champions League 2001 mit noch breiterer Brust als sonst daher. Der FC St. Pauli war gerade in die 3. Liga abgestiegen - und auch deshalb finanziell mächtig in Schieflage geraten. Um die Insolvenz zu verhindern, verkaufte St. Pauli die Retter-T-Shirts und lud den schillernden FC Bayern zum Freundschaftsspiel ein. Hoeneß sagte zu und versprach, Pauli dürfe den gesamten Erlös behalten.
Littmann holte Hoeneß persönlich vom Hamburger Flughafen ab, die FC-Bayern-Spieler unterschrieben in den Katakomben Retter-Shirts und als Hoeneß das Spielfeld am Millerntor betrat, gab es Standing Ovations. "Das hätte ich mir vor einigen Jahren nicht vorstellen können", sagte Hoeneß am ARD-Mikrofon auf die Frage, wie es ist, mit Applaus in St. Pauli empfangen zu werden.
Hoeneß: "Wünsche St. Pauli, dass wir in derselben Liga spielen"
Die Retter-Kampagne war ein Erfolg. Der FC St. Pauli konnte die nötigen 1,95-Millionen-Euro aufbringen, die er für die Drittliga-Lizenz benötigte. Der Verein stabilisierte sich, kehrte 2007 in die 2. Bundesliga zurück, wo er - mit einem Ausflug in die Bundesliga in der Saison 2010/11 - zur Stammbelegschaft gehörte, ehe der Kiezklub unter Trainer Fabian Hürzeler in der vergangenen Spielzeit zurück in die Erstklassigkeit stürmte.
Doch nicht nur die Sanierung des FC St. Pauli war ein nachhaltiger Erfolg. Es hat sich auch eine Freundschaft zwischen den beiden Vereinen entwickelt. Die aktive Fanszene, zuvor schon lose in Kontakt, ist seither eng befreundet. Banner der jeweils anderen Fangruppierung sind bei jedem Stadionbesuch dabei. Und auch der Kiezklub hat in Hoeneß einen lebenslangen Freund gefunden: "Ich wünsche dem FC St. Pauli, dass wir, solange ich noch alle sieben Sinne beieinander habe, dass wir gemeinsam in derselben Liga spielen", hatte der heute 72-Jährige im Februar 2023 im St. Pauli-Podcasts "Don't call it a Kultclub" gesagt und erzählt, dass er bei Spielen des FC St. Pauli mitfiebere.
FC Bayerns Meisterträume gegen St. Paulis Abstiegsangst
Ruhen wird die Freundschaft während der 90 Minuten am Samstag auf der Tribüne nicht. Die Spieler auf dem Platz werden sich von dieser Geschichte allerdings kaum beeinflussen lassen. Beide Mannschaften brauchen Punkte: Der FC Bayern im Kampf um die 33. Meisterschale, der FC St. Pauli, weil er mit acht Zählern ganz tief im Abstiegskampf steckt. Auch wenn das Retter-Spiel nun gut 21 Jahre her ist: An der Rollenverteilung hat sich seither nicht allzu viel verändert.
Tabellenführung und Abstiegskampf, aktuelle Spielpaarungen, Ergebnisse und Liveticker, Torjägerlisten, Laufleistung- sowie Zweikampfstatistiken und noch viel mehr: Fußball im Ergebniscenter von BR24Sport.