Das Skistadion Hohenzollern am Arbersee – hier trainieren die Nachwuchsbiathleten des Landesleistungszentrums im Bayerischen Wald auf 950 Metern Höhe. An der letzten kleinen Abfahrt zum Schießstand stehen Stützpunkttrainer Mathias Ahrens und sein Schützling Marlon Eidloth auf ihren schmalen Langlauflatten. "Dann wollen wir mal die kalten Ski ausprobieren, wie sie im Vergleich sind, deiner zu meinem. Am Anfang zum Ausgleiten", sagt Ahrens.
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Fluor-Verbot auch im Nachwuchs
Trainer Ahrens und der 18-jährige Marlon gleiten den Hang hinab. Der Schnee am Arber ist heute besonders feucht. Früher hätten die beiden ihre Ski daher mit Fluorwachs präpariert. Denn Fluor-Kohlenstoff-Verbindungen haben enorme wasser- und schutzabweisende Eigenschaften. Doch das geht seit dieser Saison nicht mehr. Denn fluorhaltiges Wachs ist nicht nur bei den Profis im Weltcup und im zweitklassigen IBU-Cup, sondern seitens des Deutschen Skiverbands auch in Marlons Altersklasse verboten. Vorgeschrieben ist nun ein fluorfreies Einheitswachs für alle.
Fluor gilt als gesundheits- und umweltschädlich
Doch worum geht es hier eigentlich? Seit einigen Jahren wird über die sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz "PFAS", diskutiert. Laut Umweltbundesamt beschreibt dieser Begriff eine Gruppe von mehr als 4.700 Chemikalien, die in vielen Lebensbereichen vorkommen – unter anderem in Textilien, Schaumlöschmitteln, Arzneimitteln oder eben Skiwachsen. Auch hier ist noch einmal zu unterscheiden zwischen Perfluoroctansulfonsäure ("PFOS"), wie zum Beispiel im Feuerlöschschaum, und Perfluoroctansäure ("PFOA"), die in Skiwachsen zu finden ist.
Der BUND fordert ein Verbot
Die PFAS bauen sich kaum oder nur sehr langsam ab. Daher wird ihnen eine umwelt- und gesundheitsschädliche Wirkung nachgesagt. Beim Menschen - so sollen Studien nach einem Papier des Bunds für Naturschutz und Umwelt (BUND) zeigen - könne dies unter anderem zu Schilddrüsenerkrankungen, Leberschädigungen oder sogar Nierenkrebs führen. Der BUND fordert daher schon länger einen vollständigen Ausstieg aus der PFAS-Produktion bis 2025 in verbrauchernahen Bereichen.
Industriezweige sehen vollständiges PFAS-Verbot kritisch
Verschiedene Industriezweige üben harsche Kritik am Verbotsvorschlag. So auch Frank Zipp, Geschäftsführer der Zipps Skiwachse GmbH. Zipps ist offizieller Wachslieferant der deutschen Ski-Nationalmannschaften. Frank Zipp stellt somit auch Mathias Ahrens und Marlon Eidloth im Landesleistungszentrum am Arber das benötigte Einheitswachs zur Verfügung.
"Aus gesetzgeberischer Hinsicht gab es keine Notwendigkeit für FIS und IBU, Fluorwachs zu verbieten", sagt Zipp. Die beiden großen Wintersportverbände für die nordischen Skisportarten und Biathlon sind einem EU-weiten Verbot zuvorgekommen und haben Fluorwachs mit Beginn dieser Saison aus ihren Leistungssportbereichen verbannt.
Zipp weist auf niedrige Grenzwerte hin, die seitens der EU ohnehin seit Juli 2020 bestünden. Diese seien mit Blick auf Skiwachse aus seiner Sicht ausreichend, um Umwelt- und Gesundheitsaspekte zu berücksichtigen. "Denn eine Studie aus Norwegen zeigt, dass bei Einhaltung der EU-Grenzwerte weltweit weniger als ein Gramm 'PFOA' pro Jahr im Skiwachsbereich freigesetzt würde."
Wachsfirmen stellen Produktion um
Trotzdem konzentrieren sich Zipp und seine Konkurrenten auf Fluoralternativen. "Silikone spielen da eine große Rolle", erläutert der Unternehmer. Aber auch mit Schwermetallverbindungen wie Zinkstearaten würde in der Branche experimentiert. Ob das nun umweltfreundlicher und gesundheitsschonender ist, vermag Zipp nicht zu beantworten. "Zumindest bauen sich Silikone in der Natur schneller ab als Fluor. Aber eben auch nicht von jetzt auf gleich."
Kein Fluorverbot für Hobbyskiläufer bisher
Für den hessischen Firmengründer bedeutet das Fluorverbot jedenfalls, dass er versuchen muss, sich erneut einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Bei den Fluorwachsen sei ihm das gelungen, sagt er, doch "das ist jetzt ein ganz neues, spannendes Feld". Und das, obwohl für die vielen Hobbylangläufer und -skifahrer der Griff zum Fluorwachs weiterhin möglich ist. Ein Verbot gibt es seitens der EU bisher eben nur im Profisport für die Verbände, nicht aber für den normalen Markt. "Man merkt aber, dass der Kunde ins Überlegen kommt. Wir haben viel weniger Fluorwachsprodukte verkauft."
"Der Hobbysportler erkennt den Unterschied nicht"
Einer, der diese Produkte an den Verbraucher bringt, ist Thomas Weinberger. Sein Sportgeschäft in Bodenmais ist nur gut zehn Minuten vom Skistadion am Arbersee entfernt. Dazwischen liegt das beliebte Langlaufzentrum Bretterschachten. "Es stimmt, der Hobbylangläufer kann bei uns noch Fluorwachs kaufen", bestätigt Weinberger, "aber wenn er seinen Ski wachst und zum Laufen geht, erkennt er da keinen großen Unterschied". Zumal seien die Fluorersatzprodukte im High-End-Bereich auch nicht günstiger.
Einheitswachs im Nachwuchs: günstiger und fairer
Zurück im Skistadion. Für das Einheitswachs, das Matthias Ahrens und Marlon Eidloth seit dieser Saison verwenden, gilt das schon. Grund ist der geringere Materialeinsatz für den Hersteller bei der Produktion. "Wenn man sich denkt, dass es ungefähr 200 Euro gekostet hat, um ungefähr sechs bis zehn Paar Ski zu präparieren, dann kommt es auf die Kosten von 20 Euro pro Paar Rennski", gibt Coach Ahrens hinsichtlich des Fluorwachses zu Bedenken. Das fluorfreie Einheitswachs schone daher neben der Gesundheit auch den Geldbeutel von Vereinen und Sportlern.
Und Nachwuchsbiathlet Marlon Eidloth findet ein weiteres Argument: "Ich finde es einfach relativ schön, dass jeder den gleichen Ski hat und dann am Ende des Rennens mit großer Sicherheit weiß, dass man so abgeschnitten hat, wie die läuferischen Fähigkeiten sind, und jetzt nicht der eine weniger gute Ski hat als der andere."
Im Video: Was bedeutet das Fluorverbot für den Nachwuchs- und Breitensport?
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