Zwar gehört die Bahn AG dem Staat, sie ist aber rechtlich gesehen eine private Aktiengesellschaft. Dort kann der Aufsichtsrat für Vorstände mithilfe von Bonuszahlungen Leistungsanreize schaffen. Diese betragen bei der Bahn maximal 200 Prozent des Grundgehalts und liegen für 2022 im Schnitt bei etwa 125 Prozent. Keine Auszahlung gibt es, solange ein Unternehmen Staatshilfe bekommt, wie etwa die Energiepreisbremse, von der die Bahn bis Ende 2023 profitiert. Außerdem sind Boni an die Ausschüttung einer Dividende gekoppelt, für die das Unternehmen einen Gewinn machen muss.
Keine Bonuszahlungen für Corona-Jahre wegen hoher Verluste
Bei der Bahn AG war das in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 nicht der Fall. Für 2022 sollte es wegen Gewinn und Dividende auch wieder Bonuszahlungen geben. Für Bahnchef Richard Lutz geht es um 1,27 Millionen Euro, die er zusätzlich zu seinem Grundgehalt von knapp einer Million Euro dazubekommt.
Insgesamt sollen die Boni für alle Vorstände fünf Millionen Euro betragen – zusätzlich zu den Grundgehältern von zusammen rund vier Millionen Euro. Die Bahn AG hat acht Vorstände. So bekäme jeder Vorstand mit Grundgehalt und Bonus im Schnitt gut eine Million ausgezahlt für 2022.
Kritik: Zahlungen trotz teilweise deutlich verfehlter Ziele
Für 2023 soll an diesem Vergütungssystem für die Vorstände laut Aussagen des Aufsichtsrats der Bahn AG etwas geändert werden. Das wurde Ende März bereits bekannt gegeben – wegen politischer Kontroversen, die es um das Thema gab.
So forderte von Seiten der Bahngewerkschaften insbesondere die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL eine Begrenzung der Bonuszahlungen. Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung haben nun ergeben, dass auch 2022 viele Konzernziele trotz des damaligen Gewinns erneut verfehlt wurden.
Zufriedene Bahn-Mitarbeiter wiegen unzufriedene Bahn-Kunden auf
Offenbar wurden die fehlende Kundenzufriedenheit und die anhaltende Unpünktlichkeit mit anderen Bereichen verrechnet, in denen Ziele erreicht wurden. Wenn zum Beispiel die Mitarbeiter der Bahn eher zufrieden waren als die Kunden, wurde das miteinander verrechnet.
Außerdem habe die Bahn, so ist zu hören, sogar mehr CO₂ eingespart, als sie sich selbst ursprünglich einmal vorgenommen hatte für 2022. Und sie soll auch mehr Frauen in Führungspositionen gebracht haben. All das gibt gewissermaßen "Bonus-Punkte".
Kurzfristige verfehlte Ziele können mit langfristigen verrechnet werden
Ein weiterer Punkt sind die unterschiedlichen Zielvorstellungen, was der Bahn-Vorstand einerseits in einem bestimmten Jahr und somit eher kurzfristig erreichen will nach dem "Short-term Incentive Plan" (STI) und auf der anderen Seite eher längerfristig nach dem "Long-term Incentive Plan" (LTI).
Wie im Integrierten Bericht der Bahn AG zur Konzernlage für 2022 zu lesen ist, sind da Gegenrechnungen möglich. Frei nach dem Motto "Kommen wir heute nicht, kommen wir morgen" sind laufende Versäumnisse nicht so tragisch, wenn langfristig eine Lösung immer noch möglich ist. Umgekehrt wurde es bisher besonders stark honoriert, wenn Bahn-Vorstände schneller als erwartet zu einer Lösung kamen, insbesondere in ihrem eigenen Konzernbereich, den sie zu verantworten haben.
Was schneller geht, wurde bisher besonders hoch belohnt
Dem Magazin Spiegel zufolge ist diese Vergütungspraxis beim Aufsichtsrat nicht mehr so gern gesehen. Für 2023 heißt es, dass kurzfristige Erfolgsziele nur noch mit einem maximalen Bonus von 15 Prozent statt wie bisher mit bis zu 38 Prozent extra belohnt werden sollen. Andererseits würden die Zielvergütungen für neue Vorstände in der ersten Vertragslaufzeit von bisher 1,1 Millionen Euro auf 1,4 Millionen Euro angehoben.
So viel sollte ein "junger" Bahn-Vorstand in seinen ersten drei Jahren als Mitglied in der Führungsetage mit Grundgehalt und Bonus verdienen können. Zu dieser Vergütung kommen obendrauf noch Versorgungszusagen für die Zeit nach der Mitgliedschaft im Bahnvorstand sowie "sonstige" Zusagen und "Nebenleistungen", die den Alltag und das Ausscheiden angenehmer machen.
Gewinne trotz Staatszuschüssen – wegen verkürzter Bilanz
Dass die Bahn AG überhaupt Gewinne machen kann trotz des akuten Reparatur- und Sanierungsstaus, der viele Milliarden Euro erfordert, hängt mit ihrer verkürzten Bilanz zusammen. Die Aktiengesellschaft des Bundes, die ursprünglich einmal an die Börse gebracht werden sollte, enthält nur die lukrativen Teile des Bahnsystems, die sich theoretisch privatisieren lassen würden.
Der Großteil des Systems mit der Infrastruktur oder dem Regionalverkehr samt ÖPNV hängt nach wie vor am staatlichen Tropf von Bund und Ländern. Die müssen jedes Jahr zum Beispiel mehrere Milliarden Euro an sogenannten Regionalisierungsmitteln in die Bahn pumpen, damit überhaupt ein Öffentlicher Personennahverkehr möglich ist. Auch für die vielen Baustellen und Versäumnisse, wie eine teilweise veraltete Technik, wäre die Bahn AG an sich zuständig, weil es keine Trennung von Netz und Betrieb gibt. Aber in der Regel fällt die Finanzierung von Bau- und Reparaturvorhaben in die Zuständigkeit des Bundes.
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