Im Fall eines Gasnotstands sollen EU-Staaten nach dem Willen der Europäischen Kommission zum Gassparen gezwungen werden können. Konkret schlug die Brüsseler Behörde vor, dass verbindliche Reduktionsziele möglich sein sollen, wenn nicht genug gespart wird.
Freiwillige Absenkung um 15 Prozent bis Ende März angestrebt
Zunächst zielt die EU jedoch darauf ab, dass die Mitgliedsstaaten ihren Gasverbrauch freiwillig im Vergleich zum Schnitt der vergangenen fünf Jahre reduzieren: Von August 2022 bis Ende März 2023 soll der Verbrauch gegenüber dem Schnitt für diese Monate aus den Jahren 2016-2021 um 15 Prozent niedriger liegen. Die Verpflichtung auf diese Ziele soll laut den Kommissionsplänen vorerst freiwillig sein, könnte aber im Fall einer Versorgungsnotlage obligatorisch gemacht werden.
Kommission warnt vor einem schweren Winter
Voraussetzung für die Einführung von verpflichtenden Einsparzielen wäre, dass mindestens drei Staaten oder die EU-Kommission wegen einer Unterversorgung mit Gas akute Notsituationen befürchten.
Die EU-Kommission warnte in diesem Zusammenhang davor, dass es ohne große Einsparungen jetzt bei einem Ausbleiben russischer Gaslieferungen im Winter eng werden könne. Sie rechnet damit, dass das Bruttosozialprodukt bei einem völligen Stopp der russischen Lieferungen im Schnitt der EU-Länder um 0,9 bis 1,5 Prozent sinken könnte.
Von der Leyen: Voller Lieferstopp "wahrscheinliches Szenario"
Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte zu dem Vorschlag, eine vollständige Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Europa sei "ein wahrscheinliches Szenario".
"Russland erpresst uns. Russland setzt Energie als Waffe ein", sagte von der Leyen bei der Vorstellung der Kommissions-Pläne: "Und deshalb muss Europa in jedem Fall bereit sein, egal ob es sich um eine teilweise oder vollständige Kürzung des russischen Gases handelt", fügte sie hinzu.
Notsituation als Voraussetzung
Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Ab Freitag sollen Diplomaten der EU-Länder über die Vorlage diskutieren - mit dem Ziel, dass die Energieminister den Plänen am 26. Juli bei einer Sondersitzung zustimmen. Für eine solche Zustimmung müssten die Einzelstaaten auch darüber nachdenken, Befugnisse in der Energiepolitik an Brüssel abzugeben.
Widerstand aus Polen - Mahnungen aus Brüssel
Dagegen regt sich jedoch bereits Widerstand von Ländern wie Polen, die eine von der EU vorgegebene Aktualisierung ihrer eigenen Notfallpläne nicht für notwendig halten. Die polnischen Gasspeicher sind zu 98 Prozent gefüllt, nachdem Russland die Lieferungen an das Land bereits im April eingestellt hatte.
Doch die EU macht Tempo: Es sei wichtig, dass alle Länder jetzt handelten und nicht erst, wenn Russland den Gashahn zudrehe. "Wenn wir warten, wird es teurer", sagte ein EU-Vertreter: "Und es wird bedeuten, dass wir nach Russlands Pfeife tanzen."
Deutscher Verbrauch schon deutlich reduziert
Ob und in welchem Umfang Deutschland seinen Gasverbrauch weiter senken muss, um das 15-Prozent-Ziel zu erreichen, war zunächst unklar. In den ersten fünf Monaten des Jahres war der Gasverbrauch in Deutschland gut 14 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. "Auch bereinigt um Temperatureffekte lag der Gasverbrauch im laufenden Jahr 6,4 Prozent unter dem Wert des Vorjahreszeitraums", hieß es.
Im Mai seien es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar 34,7 Prozent - bereinigt 10,8 Prozent - weniger gewesen. Deutlich rückläufig sei auch die Stromerzeugung aus Gas, teilte das Ministerium mit. Diese sei in den ersten fünf Monaten gut 14 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum gewesen.
Putin warnt vor weiterer Absenkung der Gasmenge
Zuletzt warnte Kremlchef Wladimir Putin Europa vor einem weiteren Absenken der russischen Gaslieferungen. Sollte Russland eine in Kanada reparierte Turbine für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli die tägliche Durchlasskapazität der Leitung nochmals deutlich zu fallen, sagte Putin in der Nacht zum Mittwoch - und zwar von zuletzt 67 auf nur noch 33 Millionen Kubikmeter täglich.
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