Bauarbeiter auf einem Baugerüst, im Hintergrund Kräne (Symbolbild)
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Sind die neuen Schulden Fluch oder Segen für die Wirtschaft?

Sind die neuen Schulden Fluch oder Segen für die Wirtschaft?

Jetzt gilt es: In den nächsten zwölf Jahren könnten rund eine Billion Euro investiert werden – finanziert mit Schulden. Das dürfte nicht nur Folgen für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher haben, sondern auch für andere Länder.

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Die gute Nachricht zuerst: Das neue Finanz- und Investitionspaket auf Schuldenbasis könnte eine Kettenreaktion an positiver Stimmung und neuer Investitionslust auslösen. Und wenn die nächste Bundesregierung es klug anstellt, dann bleibt am Ende nicht nur ein historisch hoher Kredit, sondern auch eine nachhaltige Modernisierung Deutschlands und Bayerns übrig. Das jetzt beschlossene Paket sieht insbesondere eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben vor, und ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz.

Ein "erheblich expansiverer Kurs der deutschen Fiskalpolitik" könne der Wirtschaftsleistung könnte in den kommenden Jahren stärkeren Auftrieb verleihen. So hat es diese Woche die Bundesbank formuliert.

Aufschwung ja, unbedingt, aber...

Aber Bundesbank-Vorständin Fritzi Köhler-Geib hat das Finanzpaket von Union und SPD auch kritisiert. Mehrausgaben für Verteidigung und Infrastruktur seien zwar gut nachvollziehbar, sagte sie dem "Handelsblatt". "Die angedachten Möglichkeiten zur Verschuldung erscheinen mir allerdings sehr weitgehend." Die Bundesbank werde sich genau anschauen, wie sich die politische Umsetzung auf die Preisstabilität auswirke.

Und damit steht die Kernfrage auch schon im Raum: Was bedeuten diese gigantischen Summen für den deutschen Schuldenstand?

Deutsche Schuldenquote im internationalen Vergleich relativ niedrig

Für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelten die sogenannten "Maastricht-Kriterien": Diese sehen unter anderem vor, dass die Gesamtschulden eines Landes nicht höher sein sollen als 60 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Das deutsche BIP betrug im vergangenen Jahr rund 4,31 Billionen Euro, die Schuldenquote lag bei rund 63 Prozent – und damit im europäischen Vergleich auf einem relativ niedrigen Niveau. Zum Vergleich: Frankreich kam auf 115 Prozent, Italien auf fast 140 Prozent, Spanien auf gut 100 Prozent. International sind die USA mit 126 Prozent des BIP verschuldet, Spitzenreiter ist Japan mit fast 250 Prozent.

Schuldenquote dürfte die nächsten Jahre deutlich steigen

Die deutsche Schuldenquote dürfte jedoch deutlich steigen, wie Ökonomen errechnet haben. Demnach erwartet beispielsweise Wolf Reuter, bis zuletzt auch Haushaltsstaatssekretär von Finanzminister Lindner, dass die Schuldenquote in den nächsten zehn Jahren um 33 Prozentpunkte zulegt.

Friedrich Heinemann vom ZEW-Forschungsinstitut kommt für 2034 auf eine Quote von 100 Prozent und warnt deshalb: "Damit würde sich Deutschland rasch zu den Hochschuldenstaaten der EU gesellen." Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht von einem Anstieg auf 90 Prozent innerhalb von zehn Jahren aus.

Ratingagenturen: Schulden sind kein Problem für deutsche Top-Bonität

Nach Angaben der Ratingagentur Scope hatte die Schuldenquote ihren bisherigen Höchststand von 80 Prozent nach der globalen Finanzkrise 2010. Aus Sicht der Agenturen dürften die zusätzlichen Schulden die Bonität aber nicht negativ beeinflussen. Im Gegenteil: Das Finanzpaket stütze sogar die deutsche Top-Bonitätsnote AAA, so die US-Ratingagentur S&P.

"Alles, was die Binnenwirtschaft ankurbelt, ist positiv für die Kreditwürdigkeit", sagt S&P-Analyst Frank Gill. Die größte Sorge hinsichtlich der Kreditwürdigkeit sei dagegen Deutschlands stagnierende Wirtschaft.

Deutschland muss mehr Geld aufbringen, um sich zu verschulden

Auch wenn es dank Top-Bonität also nicht schwieriger für die Bundesregierung wird, dürfte es wohl aber teurer werden. Denn Schuldenmachen bedeutet, sich am Kapitalmarkt Geld von Gläubigern zu leihen – etwa von Pensionskassen, Fonds oder privaten Anlegern. Für dieses Risiko erhalten sie im Gegenzug Zinsen.

Entscheidend am Kapitalmarkt ist die Rendite, die sich aus dem Kurswert einer Anleihe und der Restlaufzeit berechnet. Und diese Renditen zogen bereits kurz nach der Ankündigung von Union und SPD deutlich an. Am Donnerstag notierte die maßgebliche zehnjährige Bundesanleihe bei 2,85 Prozent. Bei einer höheren Rendite muss der Staat mehr Geld ausgeben, um seine Schulden zurückzuzahlen.

Durch das Finanzpaket steigen somit nicht nur die bloßen staatlichen Ausgaben, sondern auch die Folgekosten.

Grafik: So haben sich die Renditen der Staatsanleihen entwickelt

Auch für andere europäische Länder wird es teurer sich zu verschulden

Das bleibt nicht ohne Folgen auch für andere Länder. "Da Deutschland den Markt nun mit seinen Anleihen flutet, verschlechtert es die Finanzierungskonditionen seiner Nachbarn", kommentierte der Mannheimer VWL-Professor Hans Peter Grüner. Die Renditen anderer europäischer Staatsanleihen wie der französischen oder italienischen legten bereits ebenfalls zu.

Damit wird es für diese Staaten ebenfalls teurer, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren und dort Geld zu leihen. Ohnehin müssen sie traditionell höhere Zinsen als Deutschland aufbringen, da Investoren das Risiko höher bewerten. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) beobachtet deshalb den Anleihemarkt und lässt ihn in die Bewertung ihrer Zinspolitik mit einfließen.

Rendite von Anleihen beeinflusst auch Bauzinsen

Wenn die EZB ihre Zinsen anpasst, kann sich das Schuldenmachen des deutschen Staats im Großen am Ende auch im Kleinen auf Verbraucherinnen und Verbraucher auswirken.

Hinzu kommt: Auch die Bauzinsen orientieren sich an deutschen Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Steigen die Anleiherenditen, kann es deshalb teurer werden, eine Immobilie zu finanzieren.

Dieser Artikel ist erstmals am 6.3.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

Im Video: CDU-Politiker Bosbach zu neuen Schulden in der "Münchner Runde" (5.3.2025)

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