Die Pflegeversicherung steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Laut einem Pressebericht droht im Februar sogar die Zahlungsunfähigkeit. Bundesgesundheitsminister Lauterbach widerspricht und warnt vor Panikmache. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Können Pflegekassen pleitegehen?
Nach Einschätzung von Fachleuten ist es ausgeschlossen, dass die soziale Pflegeversicherung insgesamt in eine Art Insolvenz rutscht. Es ist zwar schon vorgekommen, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung einzelne Kassen schließen mussten, weil sie mit ihren Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken konnten.
Die Pflegeversicherung ist aber anders organisiert. Sie erfüllt eine übergreifende Gesamtaufgabe, die über die verschiedenen Träger der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung abgewickelt wird. Eine "Pleite" der Pflegeversicherung insgesamt gilt daher als unmöglich.
Müssen Versicherte oder Pflegedienste fürchten, dass die Kassen nicht mehr zahlen?
Auch wenn die Pflegeversicherung insgesamt nicht pleitegehen kann, gibt es Befürchtungen, dass an einzelnen Stellen Geld nicht mehr fließt. Ein Sprecher des AOK-Verbandes hält aber auch Alarmrufe, dass die Pflegekassen ihren Finanzverpflichtungen bald nicht mehr nachkommen könnten, für "viel zu schrill".
Die Ansprüche von Pflegebedürftigen oder auch von Pflegediensten seien gesetzlich festgeschrieben. Vom AOK-Bundesverband heißt es, es sei deshalb nicht vorstellbar, dass Pflegedienste kein Geld mehr bekommen oder Patienten kein Pflegegeld.
Gleichzeitig kritisiert der AOK-Bundesverband, dass die Anhebung von Leistungen für Versicherte, die eigentlich zum 1. Januar wirksam werden soll, noch nicht offiziell durch die Bundesregierung bekannt gemacht worden ist. Deshalb werde die geplante Anhebung des Pflegegeldes um 4,5 Prozent wahrscheinlich nicht wie bislang angekündigt erfolgen können, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, kritisiert der AOK-Bundesverband.
Warum steckt die Pflegeversicherung in einer Finanzklemme?
Wie schon seit langem bekannt ist, steigt die Zahl der Menschen, die Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung haben, von Jahr zu Jahr. Ein Grund dafür liegt auch darin, dass die Leistungen der Pflegeversicherung in den vergangenen Jahren spürbar ausgeweitet wurden, etwa für Patienten mit Demenz-Problemen.
Außerdem sind verschiedene Maßnahmen ergriffen worden, um die Bezahlung von Pflegekräften zu verbessern, etwa durch Mindestlohn-Regelungen. So erklärt sich, dass sich die Ausgaben der Pflegeversicherung alleine zwischen 2009 und 2023 verdoppelt haben, von rund 30 Milliarden Euro auf rund 60 Milliarden Euro.
In den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung wird es auch immer wieder finanziell eng, weil ihre Einnahmen direkt an die Entwicklung der Konjunktur und an den Arbeitsmarkt gekoppelt sind. Wenn sich die Wirtschaft schwächer entwickelt, Löhne nur langsam steigen und die Zahl der Arbeitslosen steigt, schlägt sich das negativ auf die Einnahmen der Sozialkassen nieder. Die Ausgaben der Kranken- und Pflegeversicherung hingegen steigen gleichzeitig kontinuierlich, weil der Bedarf steigt und es immer mehr Behandlungsmöglichkeiten gibt.
Wie kann die Finanzklemme in der Pflegeversicherung gelöst werden?
Nach Berechnungen des AOK-Bundesverbandes müssten die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen, um die Finanzlücke zu decken. Ein anderer Weg wäre die Zahlung von Steuergeldern an die Pflegekassen.
So gibt die Pflegeversicherung nach Berechnungen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung pro Jahr rund 4 Milliarden Euro für die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger aus, die nach Ansicht des Verbandes aus Steuermitteln finanziert werden müssten. Auch hätten die Pflegekassen während der Corona-Pandemie 5,3 Milliarden Euro Zusatzkosten gehabt, mit denen der Staat sie bislang alleine lasse, erklärt der GKV-Spitzenverband.
Was würden höhere Beiträge für Versicherte bedeuten?
Wenn der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte angehoben würde, um die Finanzlücke zu schließen, müssten beispielsweise Arbeitnehmer mit einem Brutto-Monats-Einkommen von 4000 Euro 12 Euro mehr zahlen. Diese 12 Euro werden rechnerisch hälftig auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt.
Allerdings ist die Pflegeversicherung nicht der einzige Zweig der Sozialversicherungszweig, in dem Druck auf die Beiträge herrscht. Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung hat es in den vergangenen Monaten schon Anhebungen gegeben, zum Jahreswechsel werden weitere Anstiege erwartet.
In der Krankenversicherung legen allerdings die einzelnen Anbieter jeweils für sich den Beitragssatz fest und Versicherte können gegebenenfalls zu einer günstigeren Kasse wechseln. In der Pflegeversicherung ist der Beitragssatz bei allen Kassen gleich, ein Wechsel ist nicht möglich.
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