Die UN-Klimakonferenz findet in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. In einer Region, die durch fossile Rohstoffe reich geworden ist. Und so wird auch viel über den Gastgeber des Treffens diskutiert: Sultan al-Dschaber ist zugleich Chef des staatlichen emiratischen Ölkonzerns. Da es bei der Klimakonferenz unter anderem um den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gehen soll, sehen Kritiker darin einen unlösbaren Interessenkonflikt.
UN-Generalsekretär 2022: "Highway zur Klimahölle"
Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris war nach zähen Verhandlungen ein Durchbruch gelungen: Die globale Erhitzung soll auf 1,5 Grad beschränkt werden. Doch dieses Ziel ist mittlerweile nicht mehr zu erreichen. "Alles, was jetzt vor uns liegt, ist ein Riesen-Experiment mit der Menschheit und allen Ökosystemen, die vor uns liegen", sagt Christoph Bals vom Verein Germanwatch.
Bei der Weltklimakonferenz in Dubai sind Delegationen von knapp 200 Ländern vertreten. Auf der 28. Conference of the Parties, genannt COP28, diskutieren die Staaten Strategien gegen den Klimawandel und versuchen, sich auf gemeinsame Maßnahmen zu einigen.
Im Jahr 2022 brachte UN-Generalsekretär António Guterres auf der Klimakonferenz in Ägypten den Ernst der Lage auf den Punkt: "Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle mit dem Fuß noch immer auf dem Gaspedal."
Greenpeace Deutschland: 180-Grad-Wende ist nötig
Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace engagieren sich deshalb mit Nachdruck für die Dekarbonisierung. Im Januar 2023 etwa protestierte der deutsche Geschäftsführer Martin Kaiser mit anderen Aktivisten gegen die Räumung von Lützerath für den Braunkohletagebau Garzweiler II durch RWE. Ohne Erfolg.
Kurz vor seiner Abreise zur internationalen Klimakonferenz in Dubai sagte Kaiser, dass jetzt eine 180-Grad-Wende in der Klimapolitik eingeschlagen werden müsse: "Wir wollen, dass auf der Konferenz selber ein Beschluss getroffen wird, dass wir aus Kohle, Öl und Gas schrittweise in den nächsten zehn bis 15 Jahren aussteigen, um überhaupt noch eine Chance zu haben, die schlimmsten Folgen der Klimakatastrophe abzuwenden."
Solarparks versus Ölgesellschaft: Interessenskonflikte?
Ob das gelingt, könnte in Dubai der Präsident der COP28, Sultan Ahmed Al Jaber, maßgeblich beeinflussen. Als Minister für Industrie- und Fortschrittstechnologien der Vereinigten Arabischen Emirate lässt er riesige Solarparks bauen. Aber er ist auch Geschäftsführer der staatlichen Ölgesellschaft. Ein Interessenkonflikt? Statt auf einen schnellen CO₂-Ausstieg setzt er auf CO₂-Speicherung unter der Erde, eine bislang unausgereifte und umstrittene Technologie. Klimaschützer befürchten hier eine massive Unterstützung durch die Exporteure fossiler Energie.
"Der Einfluss der Öl- und Gaslobby ist riesig", sagt Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland. Die Interessenorganisationen seien auf diesen Konferenzen mit 800 bis 900 Leuten vertreten – und zudem sei es so, "dass viele von diesen auch in den nationalen Regierungsdelegationen sitzen. Und da sieht man oft die Verfilzung der Interessen zwischen Öl- und Gas-Industrie auf der einen Seite und den PolitikerInnen auf der anderen Seite."
Journalistin: "Keine ernsthaften Klimaschutzbemühungen"
Global operierende Konzerne präsentieren sich gerne als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Wie glaubwürdig ist das? Die Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann hat aufgedeckt, wie Unternehmen rücksichtslos Profite machen und sich dabei klimafreundlich präsentieren. Im Film "Die grüne Lüge" besucht sie 2016 mit Regisseur Werner Boote den Braunkohle-Tageabbau Garzweiler von RWE.
"Der Hauptgrund, warum wir immer noch da stehen, wo wir stehen, ist, dass es meiner Ansicht nach nicht ernsthafte Klimaschutzbemühungen gibt", sagt Hartmann. "Wir haben ein wenig Ausbau der erneuerbaren Energien, aber noch lange nicht genug. Wir haben so ein bisschen CO₂-Handel. Das wird aber auch nicht ausreichen. Und vor allem haben wir keine internationale Vereinbarung über den Ausstieg aus Öl und Gas."
Auch RWE hat jahrelang die Energiewende hinausgezögert. Erst Ende 2021 kündigte der Konzern an, seinen Umbau in Richtung erneuerbare Energien zu beschleunigen. Im November 2023 heißt es in einer Stellungnahme der RWE AG: "In Deutschland und Großbritannien hat RWE bereits alle Steinkohlekraftwerke stillgelegt. Bis 2030 wird RWE auch die Braunkohleverstromung beenden. Mit dem beschleunigten Kohleausstieg schaffen wir die Basis, um als Unternehmen auf den 1,5 Grad-Pfad bei den CO₂-Emissionsminderungen zu gelangen."
Autorin kritisiert LNG-Terminals
Kathrin Hartmann recherchiert weltweit zum Thema Klimaschutz und Greenwashing. Gerade hat sie sich in den USA Terminals für Flüssigerdgas, kurz LNG, angeschaut. Seit dem Krieg in der Ukraine werden sie auch in Deutschland gebaut. Im Januar 2023 etwa nahm Bundeskanzler Olaf Scholz ein LNG-Terminal in Lubmin an der Ostsee in Betrieb.
Die Münchner Journalistin kritisiert, dass LNG aufgrund des Methan-Ausstoßes sogar noch klimaschädlicher als das Verfeuern von Kohle ist. "Und wir in Deutschland bauen ohne die wirkliche Not, auch das ist belegt, dass es diese Überkapazitäten gar nicht braucht, LNG-Terminals", erläutert Hartmann. "Zwölf Stück sind geplant, schwimmende und feste, die eine fossile Infrastruktur auf Jahrzehnte bedeuten. Damit ist das 1,5-Grad-Ziel Geschichte."
Klimafreundlichkeit als Unternehmer-Ziel
Fernab der großen politischen Bühne strengen sich in Bayern verantwortungsbewusste Unternehmer an, energieeffizient und klimafreundlich zu produzieren. Das Familienunternehmen Zöllner-Wiethoff, kurz ZOEWIE, im oberfränkischen Neustadt bei Coburg etwa beschäftigt knapp 200 Mitarbeiter. Es verkauft europaweit nachhaltig hergestelltes Geschenkpapier und Geschenkverpackungen.
Wichtig sei dem Unternehmen, "dass wir auf Materialien drucken, die aus Altpapier sind und Farben verwenden, die auf Wasserbasis sind und einfach auch in der Produktion so viel Energie einzusparen, wie es geht, und auch Energie im Prinzip selbst herzustellen", erläutert Maximilian Popp von der Zöllner-Wiethoff GmbH.
Das macht das Unternehmen mit Solaranlagen auf den Dächern. Steht die Sonne hoch genug, versorgen diese alle Maschinen in der Produktion mit Energie. "Wir können circa eine Million Kilowattstunden im Jahr produzieren. Das deckt ungefähr ein Viertel unseres Bedarfs. Die bedeutet uns schon sehr viel aufgrund der extrem hohen Energiekosten, die wir derzeit haben, das heißt wir produzieren hier erstens nachhaltig und zweitens sehr günstig", ergänzt Popp.
Auch energieintensive weltweit agierende Chemiekonzerne wie BASF und Wacker Chemie setzen mittlerweile auf Klimaschutz, wie sie gegenüber dem Bayerischen Rundfunk mitteilen:
"Bis 2045 wird der Chemiekonzern mit einem wachsenden Portfolio besonders nachhaltiger Produkte und einer defossilisierten Produktion klimaneutral sein." Wacker Chemie AG
"Wir haben uns als BASF anspruchsvolle Ziele gesetzt und streben weltweit Netto-Null-CO2-Emissionen ab 2050 an." BASF SE
Gleichzeitig fordern beide Chemiekonzerne von der Politik grünen Strom "in ausreichenden Mengen zu wettbewerbsfähigen Preisen". Ob ihr Zeitplan reicht, den Klimawandel aufzuhalten?
Im Video: Klima-Aktivistin Alina Reize im Gespräch
Nach Einschätzung von Christoph Bals müssen Politik und Wirtschaft schnell handeln. Als politischer Geschäftsführer von Germanwatch engagiert er sich für globale Klimagerechtigkeit, war bei allen UN-Klimakonferenzen seit 1995 dabei. Auch bei der COP28 ist er vor Ort in Dubai. "Ich hatte sehr gehofft, dass wir den Temperaturanstieg auf dem Niveau, dem Schwankungsbereich der letzten 12.000 Jahre, halten könnten. Seit einigen Jahren wissen wir, dass das nicht möglich ist. Alles, was jetzt vor uns liegt, ist ein Riesenexperiment mit der Menschheit und allen Ökosystemen", resümiert Bals.
Die an der Klimakonferenz in Dubai teilnehmenden Staaten müssen Entscheidungen einstimmig treffen. Angesichts der aktuell durch Krisen und Kriege zerstrittenen Welt besteht da wenig Hoffnung.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!