"Ich hätte schon aufgegeben", gesteht Christopher Kuhn aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld. Weil eine Sachbearbeiterin im Urlaub war und kein anderer die Anträge bearbeiten konnte, musste er die Eröffnung seines Cafés um einen Monat verschieben. Auch Jungunternehmerin Anette Will hat schlechte Erfahrungen mit der Bürokratie auf dem Land gemacht: "Ich musste ein halbes Jahr auf meine Steuernummer warten." Geschichten wie diese hört man nicht selten. Die Wege zu Ämtern sind auf dem Land wohl kürzer, dafür sind die Wartezeiten oft länger. Es gibt dort einfach weniger Personal.
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Herzensangelegenheit: Café auf dem Land - neben dem Vollzeitjob
Christopher und seine Frau Sofia Kuhn wollten sich den Traum vom eigenen Café mit Laden erfüllen. Von Würzburg sind sie zurück in Christophers Heimatort Bad Königshofen gezogen - von der Großstadt in die knapp 7.000 Einwohner-Gemeinde. Die beiden haben zwei Kinder und sind noch Vollzeit berufstätig.
Ihr kleines Café ist eine Herzensangelegenheit. An drei Tagen in der Woche brühen sie Kaffee und verkaufen regionale Produkte auf Kommission, um lokale Jungunternehmer zu unterstützen und den Leerstand im Ort zu bekämpfen.
Hilfe vom Landratsamt für Gründer
Der Stabsstellenleiter für Kreisentwicklung im Landratsamt Rhön-Grabfeld Jörg Geier will hier Abhilfe schaffen und Existenzgründer auf dem Land unterstützen. Er selbst sammelt Bürokratiebeispiele und will helfen, Prozesse zu vereinfachen. In diesem Zuge könnten manche Anträge und Auflagen in Zukunft vielleicht wegfallen. "Das ist ein deutsches Problem, dass wir manche Sachen etwas zu kompliziert machen, alles etwas zu übergenau. Wir haben das erkannt und wir bemühen uns Beschleunigungsmechanismen einzuführen." Da gehe es beispielsweise auch darum, so Geier, ob alles, was da abgeprüft werde, überhaupt noch notwendig sei.
Insgesamt war Bayern 2023 deutschlandweit das Bundesland mit den meisten Start-up-Gründungen bestätigt das bayerische Wirtschaftsministerium. Die IHK Bayern beobachtet dabei auch schon länger den Trend, dass es Jungunternehmer seit ein paar Jahren vermehrt aufs Land zieht. Genaue Statistiken gibt es dazu auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks allerdings keine.
Bessere Work-Life-Balance für Start-up-Unternehmer auf dem Land
Die Digitalisierung ermöglicht es Jungunternehmern/innen auch abseits der großen Städte erfolgreich zu sein. Durch Homeoffice und virtuelle Kommunikation können sie ihre Firmen von überall aus führen. So wird das Landleben für Start-up-Gründer immer attraktiver und bietet eine vielversprechende Zukunftsperspektive.
Günstiger Wohnraum und Gewerbeflächen sowie ausreichend Kinderbetreuung gehören beispielsweise zu den vorteilhaften Standortfaktoren auf dem Land. Zudem bieten ländliche Regionen oft eine bessere Work-Life-Balance und eine höhere Lebensqualität. Die Nähe zur Natur und die Möglichkeit, nachhaltige Geschäftsmodelle umzusetzen, punkten bei Start-ups – von Oberbayern bis in die Hochrhön.
Wirtschaftsdynamik im ländlichen Rhön-Grabfeld überdurchschnittlich
Die steigende Wirtschaftskraft auf dem Land führt zudem zu positiven Effekten in den einzelnen Regionen. So beeinflussen heimatverbundene Unternehmen Entwicklungen wie etwa infrastrukturelle Projekte und Einwohner profitieren von heimatnahen Arbeitsplätzen. Rhön-Grabfeld gewinnt dabei beispielsweise nicht nur Neuzuwanderer, sondern erlebt eine starke Rückwanderungswelle.
Schon vor der Corona-Pandemie zeichnete sich eine Tendenz zur sogenannten "Sub- oder Deurbanisierung" ab. Und Rhön-Grabfeld wächst dabei nachweislich. Im Wettbewerb der Regionen Europas und Deutschlands zeigt sich bereits seit 2008, dass Rhön-Grabfelds Wirtschaftsdynamik überdurchschnittlich ist (Quelle: Focus Lebenswertstudie Deutschland).
Der ländliche Raum stellt auch insgesamt einen starken Wirtschaftsraum dar. Im Vergleich zum Jahr 2011 hat das Bruttoinlandsprodukt 2021 im ländlichen Raum um knapp 37 Prozent zugenommen (Quelle: Bayer. Staatsministerium der Finanzen und für Heimat).
Freistaat unterstützt vor allem auch mit Kommunikations-Infrastruktur
Oberstes Ziel der Bayerischen Staatsregierung sind gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern zu schaffen. Mit 2,3 Milliarden Euro hat der Freistaat seine Gemeinden seit 2014 beispielsweise mit dem geförderten Glasfaserausbau unterstützt. In ganz Bayern werden derzeit Glasfasernetzte mit einer Gesamtlänge von 86.000 km neu verlegt.
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Und auch den Ausbau von WLAN-Netzen treibt der Freistaat gerade in ländlichen Gebieten voran. Dabei handelt es sich um ein frei zugängliches, öffentliches Angebot.
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