Auf der Deutschlandkarte mit den jeweils verbreitetsten Arten zu heizen, sieht Bayern tiefschwarz aus. In diesem Fall: schwarz wie Heizöl. Rund 37 Prozent der bayerischen Gebäude haben noch immer eine Ölheizung – und benutzen damit den klimaschädlichsten unter den verbreiteten Energieträgern für Gebäudewärme. Das ist mehr als in jedem anderen Bundesland, wie der Zensus der deutschen Statistikbehörden ergeben hat, bei dem von Gebäudeeigentümern erstmals auch Daten zur Heizung abgefragt wurden.
Interaktive Grafik: So heizt Deutschland
"Dann waren die Ölheizungen schon drin"
Ein Stück weit ist Bayern damit bei der Heizung noch auf dem Stand der 1960er Jahre – sagt der langjährige Kenner der Energiebranche im Freistaat, Detlef Fischer. Damals wurde mit dem Bau der transalpinen Pipeline von Triest nach Ingolstadt und mehrerer Raffinerien in Bayern das Heizöl billig und populär: "Die Mineralölindustrie hat es verstanden, ihre Kunden zu finden. Ich selber kann mich noch gut erinnern: Mein Vater hat das Heizöl noch für sechs Pfennig pro Liter gekauft. Das war damals schon spottbillig."
Heizöl galt damals als sauber im Vergleich zu den vorher üblichen Kohlebriketts. Im Vergleich zu Norddeutschland, das früh Erdgas aus den Niederlanden bekam, kam die Erschließung mit Erdgas in Bayern etwas später, so Fischer – "und dann waren die Ölheizungen schon drin". Und sind es in vielen Fällen bis heute.
Im Flächenland ist Leitungen verlegen teuer
Dazu kommt: Bayern ist flächenmäßig das größte Bundesland, und in weiten Teilen relativ dünn besiedelt. "Leitungsgebundene Energieträger wie Erdgas und Fernwärme haben es bei uns dadurch schwerer", erläutert Fischer. Denn Leitungen in jeden Weiler und jedes locker bebautes Einfamilienhaus-Gebiet zu legen, lohnt sich einfach nicht – die Investitionen pro Abnehmer wären zu hoch.
Bei der Fernwärme liegt Bayern dementsprechend im Bundesländervergleich ziemlich weit hinten – hinter den Stadtstaaten, aber auch hinter allen ostdeutschen Ländern, wo bereits die DDR ein umfangreiches Fernwärmenetz aufgebaut hatte. Für die Zukunft gibt es bei der Fernwärme in Bayern allerdings noch großes Potenzial: vor allem durch die Tiefengeothermie, für die im Süden des Freistaats gute Voraussetzungen herrschen.
Im bayernweiten Vergleich hat Theilenhofen den höchsten Anteil an Gebäuden (72 Prozent), die mit Fernwärme beheizt werden.
- Hier gelangen Sie zum Artikel: So spart Theilenhofen rund eine Million Liter Heizöl pro Jahr
Bayern bei den Wärmepumpen bundesweit auf Platz eins
In einem anderen Bereich ist Bayern jedoch im Bundesvergleich schon jetzt ganz vorn: Beim Anteil der Wärmepumpen belegt Bayern Platz eins. Und zwar schon zum Zeitpunkt des Zensus 2022, also vor der Diskussion um das sogenannte Heizungsgesetz.
Auch das hat mit der Weitläufigkeit Bayerns zu tun, analysiert Serafin von Roon von der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft. Denn für den Bau von Wärmepumpen sind große Grundstücke mit viel Abstand zum Nachbarn ein Vorteil: Es fällt leichter, Lärmgrenzwerte einzuhalten oder auch Platz für Wärmekollektoren im Boden zu finden. Gerade bei Häusern, die jetzt noch mit Öl geheizt werden, passt diese Option häufig, so der Wissenschaftler: "Und das heißt, diese Altlast kann auch die Chance für die Zukunft sein. Wenn wir auf die Wärmepumpe schauen."
Neubau: Dominanz der Wärmepumpen
Im Neubau ist die Wärmepumpe schon seit Jahren die beliebteste Heizung, vor allem im ländlichen Raum, wo Gas und Fernwärme nicht zur Verfügung stehen. Unsere Grafik zeigt, dass es in Gemeinden mit vielen Neubauten tendenziell auch mehr Gebäude mit Wärmepumpen gibt. Demnach hat die Dominanz der Wärmepumpe im Neubau weiter zugenommen.
Nach Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wurden bei den im Jahr 2023 fertiggestellten Neubauten in Deutschland zu 76 Prozent Wärmepumpen eingebaut. "Das ist mit den Dämmungsstandards im Neubau eine supereffiziente Lösung", erläutert Detlef Fischer.
Weil im wirtschaftlich starken Bayern in den vergangenen Jahren viele neue Gebäude errichtet worden sind, hat auch das zur Verbreitung von Wärmepumpen beigetragen.
Wenn Bayern das vom Landtag gesetzlich festgelegte Ziel erreichen will, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden, kommt es neben den Neubauten entscheidend darauf an, die Heizungen im Bestand mit klimafreundlicher Technik zu ersetzen.
Weil Heizungen eine Lebensdauer von gut 20 Jahren haben, wird alles, was jetzt eingebaut wird, auch 2040 noch da sein. Viele Ölheizungen haben das Ende ihrer Lebensdauer bald erreicht. Ein Fünftel der Heizungen in Deutschland ist älter als 25 Jahre. Jetzt kommt es darauf an, sagt Wissenschaftler von Roon: "Dass wir in diesen Einfamilienhäusern, wo viel Öl eingesetzt wird, klare Angebote formulieren, wie man wegkommt vom Öl."
Wärmeplanung zeigt Alternativen zum Heizöl
Das ist eine Aufgabe der kommunalen Wärmeplanung, die derzeit überall in Bayern läuft. Bis spätestens 2028 wird dadurch für alle Hauseigentümerinnen und -eigentümer klar sein, welche umwelt- und klimafreundlichen Optionen es am Ort für ihre Heizung geben wird.
Über die Daten: Die Informationen zum Energieträger stammen aus dem Zensus 2022. Stichtag der Datenerhebung war der 15. Mai 2022. Der Energieträger "Wärmepumpe" umfasst auch Solar- und Geothermie. Im Zensus wurde je Gebäude nur ein Energieträger der Heizung erhoben, nämlich derjenige, durch den der größte Teil der Wohnfläche beheizt wird beziehungsweise bei Passivhäusern die Quelle des Restwärmebedarfs. Darauf hat uns auch BR24-User "mechtaawossogn" hingewiesen.
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