Die Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Konzern Midea im Jahr 2016 hat die deutsche Öffentlichkeit aufgeschreckt. Hatten Chinas Unternehmen jahrelang weitgehend unbehelligt deutsche Firmen aufkaufen dürfen, war auf einmal vom "Ausverkauf der deutschen High-Tech-Industrie" die Rede. Beim Hamburger Hafen geht es zwar nicht um ein High-Tech-Unternehmen, dafür aber um sensible Infrastruktur. Der geplante Teileinstieg der chinesischen Reederei Cosco schlägt hohe Wellen.
Fall Kuka führte zu neuem Außenwirtschaftsrecht
Nach der Übernahme des schwäbischen Vorzeigekonzerns Kuka war die Furcht groß, dass China sich durch seine aggressive Aufkaufpolitik deutsches Knowhow aneignet, wichtige Patente bekommt und dadurch letztlich den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächt. Im Zuge der Diskussion hat die Bundesregierung das Außenwirtschaftsrecht verschärft. Seither ist es für Berlin leichter, Übernahmen zu untersagen. Für Kuka kam das allerdings zu spät.
- Zum Artikel: Wie Kuka aus Augsburg chinesisch wurde
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Koalitionskrach wegen Hamburger Hafen?
Doch für die jetzt geplante Teil-Übernahme des Hamburger Hafens ist das veränderte Außenwirtschaftsrecht maßgeblich. Es gibt dem Wirtschaftsminister, also dem Grünen-Politiker Robert Habeck, das Recht, mit einem Veto die Übernahme zu untersagen. Habeck lehnt, wie auch andere Minister und Politiker aus der Ampelkoalition, den Einstieg der Chinesen beim Hamburger Hafen ab. Kanzler Olaf Scholz scheint dagegen die Verkaufspläne der Stadt Hamburg zu unterstützen. Es könnte auf einen Koalitionskrach hinauslaufen.
Ziel Chinas: Exklusiv Handel treiben
Im Zusammenhang mit seinem Seidenstraßen-Projekt und anderen Handelsverbindungen hat Peking systematisch und weltweit in Infrastruktur investiert und unter anderem auch Hafenbeteiligungen gekauft, wie etwa den griechischen Hafen Piräus von Athen. Dahinter steckt durchaus auch ein globaler machtpolitischer Anspruch: Eines Tages soll es China möglich sein, allein mit den eigenen Netzwerken exklusiv Handel zu betreiben und Konkurrenten davon auszuschließen.
Chinesen langfristig und strategisch an weltweiten Häfen beteiligt
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will die Chinesen unbedingt mit an Bord haben, um die Zukunft des Hafens zu garantieren. Diese ist nämlich keineswegs so sicher, wie es scheint. Heute schon können große Containerschiffe zum Teil nicht mehr die Fahrrinne der Elbe bis Hamburg nutzen. Diese ist schlicht nicht tief genug und kann aus Gründen des Umweltschutzes nicht einfach immer weiter ausgebaggert werden.
Gegen große Seehäfen wie Antwerpen oder Rotterdam hat die Hansestadt deshalb im internationalen Wettbewerb keine Chance. Es sei denn, die Chinesen sorgen dafür, dass auch künftig größere Mengen an der Elbe umgeschlagen werden. Eine Absage an die mit Tschentscher bereits vereinbarte Beteiligung könnten die Chinesen als diplomatischen Affront werten – und Hamburg deshalb bewusst meiden und vom Handel mit chinesischen Lieferungen ausschließen, die auch über andere Häfen möglich sind. Und das wären schon sehr viele.
Geld aus China wäre in Hamburg willkommen
Der Hamburger Hafenbetreiber HHLA und einige ansässige Reedereien wie Hapag Lloyd leiden seit Jahren unter einer Schifffahrtskrise, die sich durch Corona und die gestörten Lieferketten in der Pandemie noch verschärfte. Zugleich verteuerten sich dadurch aber auch die Frachtraten, so dass die Betreiber von Containerschiffen wieder sehr gute Geschäfte machen.
Für die weitere Entwicklung wäre Geld aus China sehr willkommen, genauso wie der zusätzliche Handel, den das mit sich brächte. Im Fall einer Absage droht dieser Plan nun nach hinten loszugehen und zum Bumerang zu werden. Auch Bundeskanzler Scholz, der vor Tschentscher selbst Erster Bürgermeister von Hamburg war und dort immer noch seinen Wahlkreis hat, möchte offenbar einen Affront mit Peking nicht riskieren und drängt nun darauf, dass der umstrittene Deal zustande kommt.
Im Bundeskabinett alle gegen Scholz und Hamburger Hafenpläne
Auf harten Widerstand stoßen Scholz und Tschentscher ausgerechnet in der Bundesregierung. Nach ARD-Informationen sollen sechs Bundesministerien, die sich mit dem Einstiegsplänen der Chinesen befasst haben, allesamt das Vorhaben ablehnen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll sogar offen damit gedroht haben, sein Veto einzulegen, was ihm nach dem Außenwirtschaftsgesetz zusteht. Dort ist festgeschrieben, dass der Bundeswirtschaftsminister Investitionen aus dem Ausland verbieten kann, sofern sie den nationalen Interessen Deutschlands zuwiderlaufen. Im Fall von sensibler Infrastruktur, wie sie ein Seehafen darstellt, kann man diese Meinung durchaus vertreten.
Machtwort des Kanzlers wie bei Atomkraftwerken unwahrscheinlich
Mit seiner Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler könnte sich Scholz im Bundeskabinett ähnlich wie bei den Restlaufzeiten für Atomkraftwerke durchsetzen. Doch es erscheint unwahrscheinlich, dass der Kanzler gleich zwei Mal in kurzer Zeit ein solches Machtwort spricht gegen den Willen einiger Kabinettsmitglieder. Der Teileinstieg der chinesischen Regierung mit geplanten 35 Prozent an einzelnen Teilen des Hamburger Hafens scheint das nicht Wert zu sein. Wenn Habeck und andere sich weiterhin querstellen würden gegen das Projekt, könnten sie diesmal mehr Erfolg haben als bei den Atomkraftwerken, deren Betrieb sie weiter einschränken wollten.
Wenn jedoch ein negativer Beschluss des Bundeskabinetts in den nächsten Tagen ausbleibt, soll automatisch der Vertrag des Hamburger Hafenbetreibers HHLA mit Cosco wirksam werden, mit dem die Chinesen vom Dauermieter eines Containerhafens zu dessen Teil-Eigentümer würden. Tschentscher zufolge würde der Grund und Boden aber im Besitz der Hansestadt bleiben.
Aber wäre es wirklich die richtige Entscheidung? Die EU-Kommission jedenfalls hat Deutschland schon vor Monaten vor dem Teilverkauf gewarnt. Eine entsprechende Stellungnahme der Behörde mit Sicherheitsbedenken sei im Frühjahr an die Bundesregierung übermittelt worden, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle der Nachrichtenagentur AFP. Sie bestätigte damit einen Bericht des "Handelsblatts".
In ihrer Einschätzung habe die Kommission darauf verwiesen, dass sensible Informationen über das Hafengeschäft an China abfließen könnten, hatte das "Handelsblatt" am Freitag berichtet. Zudem hätten die Brüsseler Experten das Argument vorgebracht, dass der Hamburger Hafen nicht nur zivile, sondern auch militärische Bedeutung habe. Deshalb sei besondere Vorsicht beim Einstieg eines chinesischen Investors geboten.
Kritik von FDP, Grünen, CDU/CSU und Teilen der SPD
Nicht nur Politiker von FDP und Grünen kritisierten die Verkaufspläne von Scholz und Tschentscher. Der Augsburger CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich verglich den geplanten Verkauf von Teilen des Hamburger Hafens an China mit der umstrittenen Übernahme von Kuka. "Haben manche aus dem Fall Kuka nichts gelernt? Strategisches Denken und Schutz wichtiger Infrastruktur ist entscheidend. Der Verkauf von Teilen des Hamburger Hafens an das chinesische Unternehmen Cosco wäre falsch und gegen unsere Interessen," so Ullrich in einem Tweet.
"So dumm sollten wir nicht sein", schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel. Chinas Kommunistische Partei hätte dann Einfluss auf alle großen europäischen Häfen. Doch den scheint sie in Hamburg längst zu haben. Dort ist der chinesische Hafenbetreiber und Reederei-Konzern Cosco einer der wichtigsten Einzelkunden seit Jahrzehnten. Empörung kam auch aus Teilen der SPD-Bundestagsfraktion.
Seit Jahrzehnten Einfluss Chinas auf Hamburger Hafen
Von deutschen Logistikverbänden ist zu hören, dass sie damit keine Probleme hätten, wenn der Vertrag zustande kommt. Der Hamburger Hafen habe seit Jahrzehnten viele chinesische Firmen als Partner, und das habe immer gut funktioniert, sagte der Chef der Bundesvereinigung Logistik, Thomas Wimmer. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW hält kurzfristig positive Impulse für den Handel zwischen Deutschland und China für möglich.
Gleichzeitig berge es langfristig Gefahren, wenn ein chinesischer Konzern eine marktbeherrschende Kontrolle über Transportwege erlangt und Deutschland seiner Abhängigkeit vom Handel mit China nicht entgegenwirke, so IfW-Experte Vincent Stamer.
Ohne vorheriges Veto tritt Vertrag erst einmal automatisch in Kraft
Wenn Scholz also einen gegenteiligen Beschluss verhindern kann, wird der Vertrag zunächst in Kraft treten. Habeck könnte auch danach noch sein Veto als Wirtschaftsminister einlegen - und es so auf eine Kraftprobe mit Scholz ankommen lassen. Damit könnte Habeck sich jedoch Zeit lassen, bis Scholz von seinem geplanten Staatsbesuch in China im November wieder zurück ist.