Bahngleise auf dem Gelände eines Bahnhofs (Symbolbild)
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Öffentlicher Nahverkehr: Warum die Räder immer öfter stillstehen

Öffentlicher Nahverkehr: Warum die Räder immer öfter stillstehen

Zu wenige Busfahrer, noch weniger Triebfahrzeugführer - über 3.000 von ihnen fehlen deutschlandweit bei den Verkehrsgesellschaften. In den kommenden Jahren dürften die Personalprobleme noch deutlich zunehmen. Es fehlt meist an Geld.

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Verkehrsbetriebe und Politiker suchen nach Lösungen, um die Verkehrswende voranzubringen. Bremsfaktor dabei ist aber der Personalmangel im öffentlichen Nahverkehr: zu wenig Busfahrer, zu wenig Triebfahrzeugführer. Das Thema Geld spielt eine entscheidende Rolle.

Zugausfälle und lange Wartezeiten im ÖPNV

Von ausgefallenen Zügen und langen Wartezeiten kann Lukas Iffländer ein Lied singen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn fährt seit Jahren mit dem Zug zur Arbeit. Doch was auf seiner Strecke in der Oberpfalz regelmäßig passiert, ist auch ihm zu viel: "Man steht da wirklich am Bahnhof und ärgert sich, es fährt kein Zug. Wir hatten hier über mehrere Wochen hinweg keine Alex-Züge zwischen Schwandorf und Hof." Das habe bedeutet, dass man umsteigen musste, nur halb so oft fahren konnte und auch noch länger unterwegs gewesen sei. "Das geht einem natürlich tierisch auf die Nerven!"

Die Regionalbahnen, die überhaupt noch verkehren, sind meist überfüllt. Das alles ärgert viele Fahrgäste. Ein Grund für das Chaos: Personalmangel. Doch nicht nur dort. Die Bahngesellschaften suchen händeringend nach sogenannten Triebfahrzeugführern, die die Züge steuern. Denn ohne Fahrpersonal kein Zugverkehr.

Fahrermangel löst Kettenreaktion aus

Auch die Verkehrsbetriebe in Nürnberg suchen dringend Personal, vor allem für U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse. "Der Markt ist angespannt", erklärt Tim Dahlmann-Resing von der VAG Nürnberg. "Wir haben die Situation, dass uns die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren verlassen werden und wir etwa 800 bis 1.000 Mitarbeitende ersetzen müssen." Das sei eine riesige Herausforderung, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Angebote eigentlich ausgebaut werden sollten.

Der Fahrermangel löst eine regelrechte Kettenreaktion aus. Denn früher oder später sind davon viele Bereiche der Verkehrsbetriebe betroffen. Zum Beispiel müssen auch in der Leitstelle ausgebildete Fahrer sitzen. Denn nur sie kennen die Abläufe in den verschiedenen Verkehrsmitteln genau. "Wenn wir in der Leitstelle die Stellen nicht mehr besetzen können, kann man ganz salopp sagen, dann fährt am Ende nichts mehr", beschreibt Dahlmann-Resing die Situation.

Arbeitsmarktexperte: "Es ist so knapp wie noch nie"

Doch Arbeitskräfte zu bekommen, wird immer schwieriger, denn sie fehlen nicht nur bei Bussen und Bahnen, wie der Arbeitsmarktexperte Enzo Weber bestätigt: "Arbeitskräfte sind heute in Deutschland richtig knapp geworden, also im Grunde so knapp wie seit dem Wirtschaftswunder nicht mehr. Und das, obwohl die demografische Schrumpfung noch gar nicht eingesetzt hat."

Bisher sei der Bedarf an Arbeitskräften stark gestiegen. Aber bis 2035 werde man, weil die Babyboomer in Rente gehen, weitere sieben Millionen Arbeitskräfte im deutschen Arbeitsmarkt verlieren, wenn das nicht ausgeglichen werde. "Das heißt, es ist so knapp wie noch nie. Und es wird wohl auch noch knapper werden", so Weber.

In Thüringen wurden in den vergangenen Monaten einige Bahnstrecken komplett gesperrt. Der Grund: Personalmangel in den Stellwerken. Auf manchen Strecken sind die Stellwerke über 100 Jahre alt. Die museale Technik ist zwar schön für Eisenbahnfans, aber für potenzielle junge Mitarbeiter eher abschreckend.

Bahn rechnete schneller mit vollautomatischen Zügen - ein Fehler

Auch kontraproduktiv: eine Äußerung des ehemaligen Bahnchefs Rüdiger Grube, der 2016 in einem Zeitungsinterview sagte: "Ich rechne damit, dass wir 2021, 2022 oder 2023 so weit sind, dass wir in Teilen unseres Netzes vollautomatisch fahren können." Man hätte also heute viel weniger Lokführer gebraucht. Doch davon ist man weit entfernt.

Die Fehleinschätzung hatte weitreichende Folgen, wie Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn erläutert: "Da sind natürlich auch viele Leute hingegangen und haben sich gedacht: 'Na ja, wenn das kein Beruf für die Zukunft ist und ich irgendwann sowieso von einem Computer abgelöst werde, dann bewerbe ich mich erst gar nicht für diesen Job.' Das war garantiert ein Denkfehler, denn wir kommen einfach nicht ohne dieses Personal aus."

Mit der geplanten Verkehrswende ist der Bedarf größer denn je. Zusätzlich werden allein durch die politisch geforderte Steigerung des Angebots im öffentlichen Verkehr bis 2030 weitere 100.000 Mitarbeiter im Fahrdienst benötigt. Mehr Angebot heißt auch: mehr Personalbedarf. Woher aber all die Fahrer und Triebfahrzeugführer nehmen?

Qualifizierung von Geflüchteten

Sonia Alaghehband fährt seit kurzem S-Bahn-Züge in Stuttgart. Sie kommt aus dem Iran und hat dort als Englischlehrerin gearbeitet. Nach ihrer Flucht jobbte sie als Verkäuferin, bis Freunde sie auf eine Stellenausschreibung der Stuttgarter S-Bahn aufmerksam machten. Sie begann eine Ausbildung zur Triebfahrzeugführerin, als einzige Frau zusammen mit 15 Männern. "Im Iran dürfen die Frauen nicht als Lokführerin arbeiten. Aus verschiedenen Gründen. Ich habe hier meine Chance probiert und habe es geschafft", berichtet Sonia Alaghehband.

Das Land Baden-Württemberg und mehrere Verkehrsgesellschaften haben eine gemeinsame Initiative ins Leben gerufen und bilden Geflüchtete zu Triebfahrzeugführern aus. Zwei Jahre dauert die Ausbildung. Für Winfried Hermann, Verkehrsminister in Baden-Württemberg, hat diese Initiative Vorbildcharakter: "Wir geben die Chance auf einen guten Beruf und integrieren damit Geflüchtete mit Perspektive und decken gleichzeitig auch ein Stück weit unsere Probleme ab." So sei es für beide Seiten ein Gewinn.

Voraussetzung sind gute Sprachkenntnisse und technisches Verständnis. Dann aber kann das Ganze erfolgversprechend sein, wie Arbeitsmarktexperte Weber betont: "Investieren in die Ausbildung, in die Qualifizierung von Geflüchteten, da, wo es möglich ist. Das ist auf jeden Fall der richtige Weg. Das kann dann auch ein Weg sein - zum Beispiel im deutschen Verkehrswesen -, den Fachkräftebedarf zumindest zu einem kleinen Teil zu decken."

In Nürnberg geht man einen in Deutschland einmaligen Weg. Die U-Bahnen werden auf zwei Linien automatisch, das heißt fahrerlos, betrieben. Das spart viel Personal - bei der automatischen U-Bahn ungefähr die Hälfte.

"Das wird nicht dazu führen, dass man den Personalbedarf auf null senkt", erklärt Dahlmann-Resing von der VAG Nürnberg. "Man hat eine technische Aufsicht, die notwendig ist. Ähnlich wie die Leitstelle muss man sich das vorstellen, wo dann ein Mitarbeiter mehrere Fahrzeuge überwacht - und dass dann, wenn eine Störung auftritt, dieser Mitarbeitende auch da ist, um diese Störung zu beheben."

Zu wenig Geld: "Hemmschuh" für Verkehrswende

Doch wenn die geplante Verkehrswende kommen soll, wird deutlich mehr Fahrpersonal gebraucht, wie Ingo Wortmann, Vorsitzender des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen, betont. Und auch mehr Geld.

"Wir haben in der Tat zwei existenzielle Probleme für die Mobilitätswende oder für den Beitrag des ÖPNV zur Klimawende", sagt Wortmann. "Das eine ist mangelndes Geld, das andere ist die Personalknappheit. Aber wir müssen beide Probleme lösen, und beides hängt auch voneinander ab. Weil wenn wir unsere Kolleginnen und Kollegen besser bezahlen sollen, was wir, glaube ich, auch müssen, dann brauchen wir auch wiederum mehr Geld. Und das ist in der Tat der Hemmschuh für die Verkehrswende."

Keine Antwort aus dem Bundesverkehrsministerium

Doch gibt es dafür das nötige Geld? Und ist die Verkehrswende durch den Personalmangel in Gefahr? Eine Anfrage beim Bundesverkehrsministerium durch BR-Journalisten bleibt unbeantwortet.

Zurück in die Oberpfalz zu Lukas Iffländer. Inzwischen fahren hier die Bahnen wieder. Die Länderbahn, die die Strecken betreibt, hat Lokführer aus Serbien angeheuert. Einer von vielen Versuchen der Verkehrsbetriebe in Deutschland, an die so dringend gesuchten Mitarbeiter zu kommen. Denn eines ist allen klar: Wenn die Personalprobleme nicht gelöst werden, kann die Verkehrswende nicht gelingen.

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