Schick, beim Golfspielen, so präsentiert sich eine junge Asiatin auf einer Dating-App. Ein 33-jähriger Münchner nimmt Kontakt auf. Sie schickt Fotos. "Du bist sehr hübsch" schreibt er ihr. Eine Online-Beziehung entsteht. Es startet eine wochenlange Kommunikation, erst über Haustiere, dann über Zukunftspläne mit Familie, sie wünscht sich einen motivierten Mann, der Familie will. Er: "Da haben wir etwas gemeinsam." Bis die vermeintliche Schönheit aus Fernost den Online-Chat geschickt in den Bereich Finanzen und Investments lenkt. Sie habe ein Haus in München und wolle dort unbedingt ein Restaurant eröffnen, schreibt sie.
Doch alles Fake. Am Ende vertraut er ihrer Investment-Empfehlung und verliert zigtausend Euro. Bayerns Justizminister Eisenreich stellte diese neue Art von Online-Betrug heute auf einer Pressekonferenz in München vor. Sie hat auch schon einen Namen: das sogenannte "Pig Butchering".
"Pig Butchering": Anfüttern und dann schlachten
Erst anfüttern, dann schlachten, den Ausdruck dafür – "Pig Butchering" – haben die Kriminellen aus Fernost selbst geprägt. "Dahinter versteckt sich einfach Betrug. Und am Ende ist nicht nur die Liebe weg, die es gar nicht gab, sondern auch noch das Geld", so Bayerns Justizminister Georg Eisenreich heute in München.
In Bayern haben insbesondere jüngere Männer bisher 29 Millionen Euro auf diese Art verloren. Insgesamt, so hieß es auf der Pressekonferenz im Münchner Justizpalast, gehe es weltweit um Schäden von mehreren Milliarden Euro. Da es sich um ein schambehaftetes Delikt handelt, werden viele Fälle gar nicht erst angezeigt. Die Dunkelziffer ist hoch.
Täter sind selbst Opfer – Zum Betrügen gezwungen
Doch Opfer sind nicht nur die finanziell Geschädigten, sondern auch die, die die betrügerischen Botschaften schicken, erklärt die Menschenrechts-Aktivistin Mina Chiang, von der Nicht-Regierungs-Organisation "Humanity Research Community" heute in München: Pig Butchering finde in "Betrugsfabriken" in Süd-Ost Asien statt, in vielen Ländern, zum Beispiel in Myanmar, Kambodscha, den Philippinen, aber auch auf der anderen Seite des Globus, in Peru.
In den Betrugsfabriken würden Hunderttausende von Menschen gefangen gehalten und gezwungen, diese Betrügereien durchzuführen, so Mina Chiang. Sogar Todesfälle habe es bereits gegeben, wenn sich die Betrüger, die sich meistens anfangs ahnungslos auf Bürotätigkeiten beworben hatten, weigerten.
Ermittlungen mit vielen Hürden
In Bayern sind trotz mehrerer Hundert Fälle bisher keine Täter auf der Anklagebank. Oberstaatsanwalt Nino Goldbeck schildert die Herausforderungen: "Wir müssen die gewisse konkrete Zuordnung zu konkreten Personen herbeiführen". Natürlich würde da vieles sehr professionell verschleiert, wie im Fall des betrogenen Münchners. Meist liegen den Strafverfolgungsbehörden Chatprotokolle vor, doch das reiche oft nicht.
Die technischen Spuren führten immer wieder ins Nichts, da müsse man "sehr akribisch arbeiten, um vielleicht mal eine heiße Spur zu finden. Und dann führt diese Spur in Länder, die sehr weit entfernt liegen und in denen eine etablierte Rechtshilfe meisten nicht besteht", so Nino Goldbeck.
"Zu schön, um wahr zu sein"
Zurück zu dem konkreten Fall aus München: Die vermeintliche Online-Freundin schickt monatelang positive Botschaften, dann schreibt sie: "Wir haben einen stabilen Handelsplan für Investitionen, ohne Risiko für dich" und der Münchner schreibt zurück: "Ok, dann lass uns das machen" und wenig später "bist du sicher, dass du meine Freundin sein willst?" Ist sie, na klar! Der Münchner schickt sein Geld. Danach bricht die Kommunikation ab.
Minister Eisenreich rät bei Online-Beziehungsanbahnungen zur Skepsis: "Wenn die Gewinne groß, also zu schön sind, um wahr zu sein, dann sind sie auch oft nicht wahr". Bei unglaublichen Gewinnversprechen sei es das Beste die Kommunikation abzubrechen und die Polizei zu informieren.
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