Wassertropfen am Wasserhahn (Symbolbild)
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Wassertropfen am Wasserhahn (Symbolbild)

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Sinkende Grundwasserspiegel: Bayern sucht die rettende Idee

Im Kampf gegen die Wasserknappheit sind selbst wasserreiche Kommunen inzwischen gezwungen, neue Wege zu finden. Andernfalls droht künftig ein ernstzunehmender Notstand. Ein Forschungsteam aus Schweinfurt hat möglicherweise jedoch eine rettende Idee.

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Wer schon mal in der Gegend um Landsberg am Lech in Oberbayern war, der weiß: Hier gibt es Wasser in Hülle und Fülle. Der Lech rast durch die mittelalterliche Stadt, drumherum grünen die Wälder. Doch selbst hier, wo es nach paradiesischen Wassermassen aussieht, sinkt der Grundwasserspiegel stetig.

Deshalb musste die Stadt jetzt einen neuen Trinkwasserbrunnen installieren. Im Gegensatz zu früher geht das aber nicht mehr mit einem 'einarmigen' Brunnen - zu schnell könnte der wieder versiegen. Deshalb hat die Stadt einen 'mehrarmigen' Brunnen errichtet, der sich unten im Erdreich verzweigt. Er pumpt also das Wasser aus 34 Metern Tiefe über mehrere Rohre nach oben, so kann auch bei geringem Grundwasserstand noch Wasser gefördert werden.

Die Initiative dafür kam von Martin Michl, der bei den Landsberger Stadtwerken arbeitet. "Das Problem war, dass im Jahr 2018/19, in dem trockenen Jahr, ein Brunnen die Leistung reduziert hat", berichtet Michl. "Wenn es weiter so trocken gewesen wäre, hätte der Brunnen vom Betrieb genommen werden müssen."

Seit Jahr 2000: Beinah Wassermenge des Bodensees verloren

In einen größeren Zusammenhang gesetzt, macht der UN-Weltwasserbericht auf den Wert der Ressource Wasser aufmerksam: Rund 2,2 Milliarden Menschen haben derzeit weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In Deutschland ist die Trinkwasserversorgung zwar noch stabil, aber seit dem Jahr 2000 ist fast die Menge Wasser, die der Bodensee umfasst, verloren gegangen. Deutschland gehört damit zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit.

Auch Bayern spürt das. Die Prognose des Landesamts für Umwelt bis zum Jahr 2050 zeigt: Die Grundwasserneubildung wird immer mehr zurückgehen. Den bislang wasserreichen Süden wird es besonders treffen.

In Landsberg am Lech ist Michls Vorsorge also begründet. Deshalb schicken sie heute einen Taucher in die Rohre. Er soll mithilfe einer Kamera überprüfen, ob alles funktionstüchtig ist. Das Seil sichert ihn von oben. Michl beobachtet die Bilder auf dem Monitor. Die Kamera passiert das letzte Rohr - alles gut.

Lösungsansatz der TU München: Nutzwasser

Während Oberbayern derzeit noch vergleichsweise gut dasteht, sind die Folgen des sinkenden Grundwasserspiegels in anderen Teilen des Freistaats, wie beispielsweise in Franken, schon sehr deutlich sichtbar. Denn wenn Quellen versiegen, sinken die Wasserstände ab. Dadurch konzentrieren sich Schadstoffe in den Flüssen. Zugleich steigt mit den Temperaturen der Bedarf an Wasser immer mehr.

Diesem Prozess sind die Menschen aber nicht hilflos ausgeliefert. Jörg Drewes ist Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der Technischen Universität in München (TUM) und er weiß, dass Trockenzeiten oder Sturzfluten "Auswirkungen des Klimawandels" sind, "die so nicht mehr zu stoppen sind."

Deshalb forschen Drewes und sein Team daran, wie und wo Wasser aus der Kläranlage neu verwendet werden kann. Die Ergebnisse sehen vielversprechend aus: Sie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie das Wasser aus der Schweinfurter Kläranlage so aufbereiten können, dass man bedenkenlos Gemüse und Rasen damit gießen kann.

Über Jahre hinweg haben sie unterschiedliche Arten von Gemüse angebaut und es wechselweise mit Trinkwasser bewässert – und mit dem von ihnen gereinigten, sogenannten Nutzwasser. Die Wissenschaftler untersuchten die Pflanzen regelmäßig auf Rückstände.

Schweinfurt testet Nutzwasser-Verfahren

Das Ergebnis sei zukunftsweisend, sagt Drewes: "Wir konnten feststellen, dass die Tests mit Trinkwasser zu den gleichen Befunden führen wie beim Nutzwasser." Es macht laut Drewes also keinen Unterschied, ob man den Salat mit Trinkwasser bewässert oder mit dem chemisch desinfizierten und mit Ozon behandelten Nutzwasser – die Methode befreit das Wasser selbst von den kleinsten Chemikalien und sogar von Viren. Und das sei sogar unabhängig von der Bewässerungsart.

Im großen Stil angewendet, könnte diese Methode die schwindenden Grundwasserressourcen effektiv schonen. Die Stadt Schweinfurt macht den Anfang: Sie wird ihre Grünflächen künftig mit dem Nutzwasser bewässern. Unternehmen und andere Städte wollen nachziehen.

Sogar international sind die Forschungsergebnisse aus Schweinfurt von großer Bedeutung. Professor Kevin Winter von der University of Capetown schaut sich das Projekt an. In Kooperation mit der TUM versucht er, auch in seiner Heimat Südafrika das Abwasser wieder verwendbar zu machen: "Wir müssen das weiter erforschen, denn das ist die neue Wasserstrategie der Welt."

Experte: Wasserstrategie auf mehrere Beine stellen

Doch die Strategie hat Grenzen. Das in der Kläranlage vorgereinigte Wasser kommt hier bislang in die Flüsse. Deren Wasserstand kann sinken, wenn zu viel Wasser in den Städten wiederverwendet wird. Deshalb wirbt auch Professor Drewes dafür, die Wasserstrategie der Zukunft auf mehrere solide Beine zu stellen. Wichtig sei vor allem, überhaupt anzufangen.

In Landsberg am Lech, wo sie das neue Brunnensystem installiert haben, läuft die Pumpe schließlich. Am Zähler können Martin Michl und der Elektriker die Leistung sehen: Mehr als 40 Liter Wasser pro Sekunde strömen sofort durch das Rohr, am Ende sind es sogar um die 70 Liter. Michl gibt das Hoffnung.

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