Dem Bio-Landwirt Martin Ritter aus Unterfranken ist die Hilfe für die Ukraine ein persönliches Anliegen. Seit Jahren produziert er im Westen der Ukraine und kennt die Region gut. Als der Krieg ausbrach, organisierte er mit Hilfe seines Netzwerks Unterstützung für die Menschen vor Ort.
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Aufgewachsen im ehemaligen Zonenrandgebiet
In Ostheim vor der Rhön, im nordöstlichsten Teil Frankens - ehemaliges Zonenrandgebiet - herrschte schon immer ein besonderes Lebensgefühl – auch für den Biobauern Martin Ritter. "Die Grenze war hier acht Kilometer entfernt. Da waren ständig Übungen von Amerikanern hier", sagt Ritter. "Die Amerikaner standen bei uns auf dem Hof mit ihren Panzern. Sie saßen bei uns am Kaffeetisch, weil sie gefroren haben, die Jungs." Seine Mutter hat dann Kaffee für sie gekocht, erinnert sich Ritter. Damit sei er aufgewachsen.
Als Ökopionier in die Ukraine
Während er in der Rhön Bio-Holunder, Hafer und Quitten anbaute, fing Ritter vor sieben Jahren an, auch im Westen der Ukraine Felder zu bewirtschaften – ursprünglich, um Zucker für eine Biolimonade zu gewinnen. Auf rund 4.000 Hektar Land kultiviert er vor Ort nun neben Beeren auch Soja, Mais, Getreide. Er ist dort eine Art Ökopionier.
Man müsse auch versuchen, die Arbeit ins Dorf zurückzubringen, sagt Ritter. In jedem Dorf, in dem er seine Felder habe, beschäftige er zum Beispiel auch ältere Frauen, die sonst kaum die Möglichkeit zur Arbeit hätten.
Schnelle Hilfe nach Beginn der russischen Invasion
Zu Kriegsbeginn evakuierte Martin Ritter 30 Frauen und Kinder von seinem Hof bei Riwne. Weinend seien sie in seinem Auto gesessen, unter ihnen die Familie seines Betriebsleiters Viktor, mit dem er bis heute täglich in Kontakt ist, sagt der Landwirt.
Im Ferienhaus der Gemeinde Ostheim waren bis vor kurzem die ukrainischen Frauen mit ihren Kindern untergebracht. Die erste Zeit war nicht einfach. Auch nicht für Viktors Familie inklusive Tanja, die noch zur Schule geht. "Anfangs war es für uns Kinder sehr hart. Manche haben geweint. Ich auch", erzählt Tanja. Aber dann sei es leichter geworden "denn wir haben einen Spielplatz, einen Gymnastikraum, wo Kinder spielen können. Es ist nett und lustig hier."
Mutter Lilja machte aus der Ferne weiter die Buchhaltung für den landwirtschaftlichen Betrieb bei Riwne, während ihr Mann dort versucht, mit den wenigen verbliebenen Mitarbeitern zurechtzukommen.
"Ostheim fühlt da mit"
Doch Bauer Martin Ritter wollte mehr: Er organisierte eine Hilfsgüter-Lieferkette in den Westen der Ukraine, die bis heute besteht. Doch nur mit Helfern aus dem Dorf war das möglich. Unter ihnen der Versicherungsmakler Alexander Trost. "Ich glaube, dass das Leid der Ukrainer uns in der Region auch besonders betrifft, weil unsere thüringischen Nachbarn das 40 Jahre lang mitgemacht haben", sagt Trost. "Ostheim fühlt da mit."
"Egal wen man fragt, schon läuft es", freut sich Martin Ritter über das Engagement. "Und das ist, glaube ich, das Entscheidende. Das sind Sachen, die man wieder ausgegraben hat, die vergessen waren, aber immer noch da sind."
Hilfsgüterkonvoi pendelt zwischen Franken und Polen
Um die Versorgungssituation in der Ukraine zu verbessern, aktivierte Martin Ritter sein Netzwerk: Die Lkw und der Diesel sind gesponsert, ein örtlicher Großhändler stellt das Lager zur Verfügung. Bauern spenden Weizen und Kartoffeln, Bio-Produzenten ganze Paletten Nahrung und Hygieneartikel. Die Hilfsgüter werden nach Breslau geliefert zu einer Spedition. Dort wird alles von ukrainischen Fahrern abgeholt und am Hof von Martin Ritter bei Riwne zwischengelagert.
Der Hilfsgüterkonvoi pendelt weiter fleißig zwischen Franken und Polen. Die beiden Freunde Viktor und Martin konnten sich inzwischen gegenseitig besuchen. Martin Ritter ist stolz auf seine Leute. Doch was ist die Perspektive? "Erstmal müssen die Leute wieder zur Ruhe kommen, wieder heimkommen" sagt Martin Ritter. "Das ist doch das Entscheidende: in Ruhe leben können im eigenen Land."
Disclaimer: In einer früheren Version des Textes war zu lesen, es handle sich um eine Fläche von 40.000 Hektar. Tatsächlich sind es aber rund 4.000 Hektar. Wir haben das im Text korrigiert.
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