Nach den Worten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sind viele der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gut qualifiziert und wollen sofort arbeiten. Doch fehlende Sprachkenntnisse und bürokratische Hürden erschweren die Jobsuche. Ein Beispiel, wie Integration von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt gelingen kann, ist Artem Shypilov aus Odessa.
Familie aus Odessa fasst Fuß in Regensburg
Familie Shypilov ist aus Odessa geflohen und fängt in der Partnerstadt Regensburg nochmal ganz von vorne an. Vater Artem ist 27 Jahre alt und hat in einem Regensburger Unternehmen Arbeit gefunden. "Ich freue mich sehr über diesen Job. Denn er ist sehr wichtig für meine Familie und mich. Ich möchte dem deutschen Staat nicht zur Last fallen", erklärt Artem Shypilov auf Englisch.
Sein neuer Arbeitgeber ist auf Bau- und Korrosionsschutz spezialisiert und sucht dringend Arbeitskräfte. Artem Shypilovs Chef, Michael Buschheuer, zögerte nicht lange und äußert sich zufrieden über seinen neuen Mitarbeiter: "Er nimmt seinen Job wahr – trotz der sprachlichen Hürden, interessiert sich für den Roboter. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn jemand mit Ehrgeiz herangeht. Das freut uns sehr."
Artem Shypilov kann Englisch, aber kaum Deutsch. Doch zum Glück gibt es einen Kollegen, der aus Kasachstan kommt und ebenso russisch spricht. Er arbeitet ihn am Lackier-Roboter ein.
Zuflucht bei einer Familie in der Oberpfalz
In Neumarkt in der Oberpfalz hat Olga Ivleva mit ihren beiden Söhnen Zuflucht gefunden. Die 38-Jährige wohnte mitten im Kriegsgebiet in Butscha und war erfolgreiche Personalmanagerin. Als die ersten Bomben fielen, versuchte sie zu helfen, berichtet sie: "Ich habe eine Woche in Butscha im Krankenhaus gearbeitet. Aber als eine Bombe in unser Wohnhaus einschlug, bekam ich Angst um meine Kinder, und ich verstand es als meine wichtigste Aufgabe, dass sie in Sicherheit sind."
Hilfe bei der Jobsuche für Ukrainer
Jetzt lebt Olga Ivleva bei Kristina Moreno in Neumarkt. Die 42-Jährige und ihr Mann haben selbst zwei Kinder und nur ein kleines Haus. Dennoch teilen sie Küche, Bad und Wohnzimmer mit den ukrainischen Gästen und helfen, wo es nur geht, zum Beispiel bei der Jobsuche. Doch die ist nicht so einfach, wie Kristina Moreno sagt: "Allein aufgrund der Sprache aussichtslos. Es geht nicht um einen Traumjob, sondern darum, einen Job zu finden, mit dem sie als alleinerziehende Frau zwei Kinder durchbringt."
Olga Ivleva sagt, dass sie und ihre Kinder dank Kristina Moreno nicht nur ein Dach über dem Kopf hätten, sondern einen sicheren Platz, an dem sie sich ausruhen könnten. "Die Familienmitglieder geben uns das Gefühl, dass wir keine Flüchtlinge sind, sie behandeln uns wie Verwandte oder Freunde", so Ivleva. Ihr 17-jähriger Sohn Igor hat sein erstes Vorstellungsgespräch, im Krankenhaus in Neumarkt. Kristina Morena begleitet ihn als Übersetzerin.
Behördengänge und Sprachhürden überwinden
Unterdessen stellt sich Olga Ivleva beim Arbeitsamt vor. Über vier Wochen hatte es gedauert, bis die Aufenthaltserlaubnis vorlag. Die Behörden waren überlastet. Doch jetzt kann sie endlich arbeiten. Und zwar in der ganzen Europäischen Union. Bis dahin lernt sie Deutsch, unter anderem kostenfrei beim Goethe-Institut. Sie will in Deutschland bleiben. Auch ihr Sohn ist qualifiziert: In der Ukraine wollte Igor in der IT-Branche durchstarten. Im Krankenhaus Neumarkt könnte er zunächst als Reinigungskraft arbeiten. Das Vorstellungsgespräch verlief vielversprechend.
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Viele Flüchtlinge aus der Ukraine hochqualifiziert
Laut einer Befragung im Auftrag des Bundesinnenministeriums sind 84 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind, Frauen. Viele von ihnen mit Kindern. Die meisten sind hochqualifiziert. Mehr als 80 Prozent sprechen sehr schlecht oder gar nicht Deutsch. Die größten Probleme bei der Vermittlung sind neben der Sprache die Anerkennung der Berufsabschlüsse.
Dennoch: Der Leiter des örtlichen Arbeitsamts, Johann Götz, zeigt sich optimistisch: "Aktuell haben wir bereits 50 Unternehmen, die sich gemeldet haben und explizit ukrainische Flüchtlinge beschäftigen wollen." Letztendlich stehe aber der gesamte Arbeitsmarkt zur Verfügung, und da gebe es momentan Meldungen auf Rekordniveau. "Insofern sehe ich gute Perspektiven", fügt Götz hinzu.
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