Mit einem kämpferischen Blick sieht Sashko Andonov in die Kameras der Pressevertreter, neben ihm stehen zwei Kollegen und halten rote Boxhandschuhe – es ist ein Zeichen dafür, dass sie kämpfen wollen: um Anerkennung, Respekt und nicht zuletzt auch ihre Jobs.
Sie alle - Sashko Andonov, Tamara Weber und Grisha Pogosyan - sind Mitarbeiter der Klinik Service GmbH am Uniklinikum Erlangen (KSG). Das heißt, sie waren es. Am 15. März haben die drei und eine weitere Kollegin jeweils die fristlose Kündigung erhalten – per Post und ihren Angaben nach ohne jegliche Begründung. Laut KSG erfolgte die Kündigung, weil sich die betroffenen Kolleginnen nicht korrekt ausgestempelt hätten, um an einer Gewerkschaftsveranstaltung teilzunehmen.
Arbeitgeber reagiert nicht auf Aufforderung zu Verhandlungen
Für den 33 Jahre alten Sashko Andonov gibt es nur eine mögliche Erklärung: An seinen Kollegen und ihm soll ein Exempel statuiert und andere Mitarbeitende eingeschüchtert werden, so seine Meinung. Hintergrund ist die Forderung der Mitarbeiter in Erlangen, die Angestellten der KSG nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu bezahlen. Die Gewerkschaft Verdi hat nach Angaben des Landesfachbereichsleiters Robert Hinke mehrfach versucht, Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufzunehmen, bisher aber vergeblich.
Nach Ansicht von KSG-Geschäftsführer Martin Welker sei die Gewerkschaft Verdi für das Unternehmen zuständig, sondern die IG BAU - und das schon seit fast 20 Jahren. Entsprechend bezahle das Unternehmen auch nach dem geltenden Rahmentarifvertrag. "Kündigungen aufgrund von gewerkschaftlicher Organisation, Streik oder Betriebsratstätigkeit gibt und gab es bei der KSG nicht", teilte Welker schriftlich mit. Zudem gebe es seit der Gründung der KSG einen Betriebsrat.
Robert Hinke von Verdi setzt allerdings dagegen, dass es sich bei der KSG nicht um eine klassische Gebäudereinigung handelt, sondern um eine Servicegesellschaft der Uniklinik – und dass das Unternehmen damit in den Zuständigkeitsbereich von Verdi falle. Dazu gebe es eine Kooperationsvereinbarung zwischen IG BAU und Verdi, die entsprechendes regele. Die KSG weist dagegen daraufhin, dass der Streit darüber, wer zuständig ist, noch gerichtlich ausgefochten werden müsse.
Keine Lohnsteigerung mit Berufsjahren
Die KSG ist eine Tochtergesellschaft der Uniklinik Erlangen. 2005 wurde sie gegründet und kümmert sich nach Angaben der Homepage der Klinik um Gebäudereinigung, Versorgungstätigkeiten und Schädlingsbekämpfung. Aktuell werden die Mitarbeiter nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für Gebäudereiniger bezahlt, je nach Eingruppierung sind das 2.280 Euro bis 2.560 Euro brutto im Monat. Lohnsteigerungen nach Berufserfahrung wie im TV-L gibt es hier nicht. Würden die Mitarbeiter der KSG nach dem aktuell gültigen TV-L bezahlt, bekäme eine Reinigungskraft in der untersten Eingruppierung anfänglich 2.303 Euro monatlich – nach zehn Jahren wären es dann 2.768 Euro.
Berüchtigte Rechtsanwaltskanzlei engagiert
An den Unikliniken in Würzburg und Regensburg streiken die Servicekräfte ebenfalls für eine Eingliederung in den Tarifvertrag der Länder. Doch die Situation in Erlangen sei besonders, schildert der mittelfränkische Gewerkschaftssekretär Martin Schmalzbauer. Hier sei die Kanzlei "Schreiner und Partner" engagiert worden, Spezialisten für Arbeitsrecht und laut Verdi "berüchtigt" dafür, "Beschäftigten ihre Rechte vorzuenthalten". Die vier gekündigten Mitarbeiter seien nur der bisherige Höhepunkt dieser Strategie, heißt es. Nach Angaben der KSG beziehungsweise der Uniklinik Erlangen werde die Kanzlei allerdings nur für Fragen des Tarif- und Betriebsverfassungsrechts herangezogen, nicht für Kündigungsstreitereien.
"Die Kündigungen und Abmahnungen dienen der Einschüchterung. Nach dem Prinzip: Kündige einen und verängstige zehn. Das ist das, was sie versuchen. Dass überall sich die Gerüchte streuen: Wenn du dich wehrst, wenn du dich für deine Rechte einsetzt, dann wirst du gekündigt." Martin Schmalzbauer, Gewerkschaftssekretär
Nach Kündigung: "Ich bin sehr geschockt"
Sashko Andonov arbeitete seit 2020 als Reinigungskraft in der Uniklinik, dort war er für die Reinigung der Endoskopie zuständig. "Ohne uns kann der Klinikbetrieb nicht reibungslos laufen. Wir lieben unseren Job, aber wir müssen auch leben können", sagt er in seinem Statement.
Seine 59-jährige Kollegin Tamara Weber arbeitete sogar 20 Jahre lang in einer Forschungseinrichtung der Uniklinik. "Natürlich bin ich sehr geschockt", erklärt sie mit stockender Stimme. "Ich hätte nie gedacht, dass ich nach 20 Jahren noch sowas mitmachen muss. Alle waren doch zufrieden mit mir."
Auf BR-Anfrage teilte der Geschäftsführer der KSG, Martin Welker, mit, dass die Kündigungen "auf keinen Fall aufgrund gewerkschaftlicher oder betriebsratsähnlicher Beteiligung" erfolgt seien. Vielmehr seien schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen der Auslöser gewesen. Den genauen Grund nannte er mit Verweis auf den Datenschutz allerdings nicht.
Verdi: "Wir haben einen langen Atem"
Die Weigerung der KSG, sich an Tarifverhandlungen zu beteiligen, bewertet Verdi-Landesfachbereichsleiter Robert Hinke als "Tarifflucht". Es sollen schlichtweg Kosten gespart werden. Auch in Regensburg und Würzburg streiken derzeit die Servicekräfte der Unikliniken für einen Angleich an den Tarifvertrag der Länder. An der Uniklinik in Augsburg sind die Mitarbeiter im Service bereits eingegliedert und auch in Nürnberg ist kürzlich eine Einigung erfolgt. Hinke sieht daher einen Weg, auch in Erlangen. "Wir haben einen langen Atem und werden uns nicht abschütteln lassen".
Urabstimmung läuft
Unterstützung kommt unterdessen auch aus der Politik: Der Erlanger Landtagsabgeordnete Christian Zwanziger (Grüne) hat heute eine Anfrage an die Staatsregierung bezüglich der Einschüchterungsversuche abgeschickt, da die KSG eine Tochter der Uniklinik sei und somit faktisch ein Unternehmen der öffentlichen Hand.
Noch bis zum 22. April läuft unter den Gewerkschaftsmitgliedern bei der KSG eine Urabstimmung über einen möglichen unbefristeten Streik. Wenn drei Viertel der Belegschaft dafür stimmen, könnte es ab 1. Mai zu längeren Arbeitsniederlegungen kommen.
Klagen gegen fristlose Kündigungen
Sashko Andonov und seine Kollegen haben im Mai unterdessen einen anderen, wichtigen Termin: Sie alle haben Klage gegen ihre Kündigung eingereicht. Das Arbeitsgericht in Nürnberg wird ihre Fälle verhandeln. Denn eigentlich würden sie gerne wieder zur Arbeit – die vielen KSG-Mitarbeiter, die zum Pressetermin in Erlangen vor Ort waren, wünschen sich ihre Kollegen wieder zurück. Und darüber hinaus natürlich auch eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation, am Ende dieses Tarifkonflikts. Oder wie es eine andere Mitarbeiterin ausdrückte: "Wir wollen nur ein gutes Leben".
Der Artikel wurde zuletzt 18.04.24 um 09.37 Uhr um eine Stellungnahme der KSG ergänzt.
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