Die Bundesregierung will die deutsche Krankenhauslandschaft reformieren und hat eine Expertengruppe damit beauftragt, Vorschläge zu entwickeln. Beim Ärztetag in Bremen werden die jetzt diskutiert. Ziemlich eindeutig scheint zu sein, dass die Fallpauschale als Finanzierungsmodell ausgedient hat: Noch bekommen die Krankenhäuser für jede durchgeführte Behandlung eine bestimmte Summe Geld.
Umdenken zu Vorhaltepauschale gefordert
Das hat zur Folge, dass jene Krankenhäuser gut dastehen, die viele Behandlungen abrechnen können. Werden also in einem Krankenhaus beispielsweise viele Kaiserschnitte vorgenommen, dürfte es mit seiner gynäkologischen Station mehr Geld verdienen als mit den sogenannten "natürlichen Geburten", bei denen eine Geburt viel länger dauert, aber nur überwacht wird, also keine medizinischen Leistungen abrechenbar sind.
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Damit Krankenhäuser nicht aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, mehr Kaiserschnitte vorzunehmen - um bei dem Beispiel zu bleiben - fordern Ärztinnen und Ärzte schon länger, diese Fallpauschalen zu ersetzen und stattdessen eine sogenannte Vorhaltepauschale einzuführen. Damit würden die Krankenhäuser dafür bezahlt werden, welche medizinischen Leistungen sie theoretisch erbringen können. Es würde sich also der 12-stündige Kreißsaal-Aufenthalt der Gebärenden mehr rechnen, als die 30-minütige Kaiserschnitt-OP.
Zeitpunkt der Reform noch ungewiss
Dieses neue Finanzierungsmodell trifft grundsätzlich auf breite Zustimmung, sowohl in der Ärzteschaft, als auch in der Politik. Die Frage ist nur, wann diese Reform umgesetzt wird. Denn auf die Vorschläge der Expertenkommission folgt das übliche parlamentarische Verfahren, das solche Entwürfe durchlaufen müssen und dann müssen noch die Länder zustimmen. Laut Experten dürfte es knapp werden, diese Reform noch in der aktuellen Legislaturperiode umzusetzen.
Kritik gab es bei der Jahrestagung der Bundesärztekammer auch an der Art, wie die Bundesregierung die Expertenkommission besetzt hat, in der die Vorschläge für eine Krankenhausreform erarbeitet werden. In der Kommission sind neben Gesundheitsökonomen und Juristen zwar auch Ärztinnen und Ärzte - aber keine offiziellen Mandatsträger der ärztlichen Selbstverwaltung. Doch deren Sachverstand sei in einer solchen Kommission dringend nötig, kritisiert die Bundesärztekammer.
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Preiswettbewerb, Personalmangel und Digitalisierung weitere Themen
Der Ärztetag ist jedes Jahr auch eine der wichtigsten Veranstaltung, um die aktuellen Sorgen und Nöte der Beschäftigten in der Medizin zu diskutieren. Und dieses Mal sind die nach zwei Jahren Pandemie-Dauerlauf besonders groß: Ohne tiefgreifende Veränderungen drohe in absehbarer Zeit ein Kollaps der stationären Versorgung, warnt der Ärztetag. Man warnt vor einem verschärften Personalmangel und wachsendem wirtschaftlichen Druck bei der Patientenversorgung.
Preiswettbewerb, Kosteneffizienz und Renditestreben bestimmten mehr und mehr den Alltag, sagt auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sprach von "Geldmacherei".
Ärzte nicht von anderen Staaten wegnehmen
Zur Digitalisierung im Gesundheitswesen sagte der Ärztepräsident, sie habe enormes Potenzial, die Versorgung zu verbessern und die Arbeit zu erleichtern. Anwendungen müssten aber auch störungsfrei und sicher funktionieren. "Es ist das Gegenteil von verantwortungsbewusster Gesundheitspolitik, wenn nicht ausreichend getestete Anwendungen auf Biegen und Brechen eingeführt werden, nur damit die politisch Verantwortlichen einen Haken auf ihrer To-Do-Liste machen können", so Ärztepräsident Reinhardt gegenüber der Presseagentur dpa. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, dass die Priorität auf Anwendungen liege, die einen sofort spürbaren Nutzen für Patienten wie Ärzte bringen.
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Der Fachkräftemangel ist ebenfalls ein drängendes Thema. Bundesgesundheitsminister Lauterbach nannte es unethisch, in den Bundesländern zu wenige Studienplätze anzubieten und dann "anderen Staaten Ärzte wegnehmen". Auf die Ärzteschaft komme zudem eine "enorme Ruhestandswelle" zu, ergänzte der Ärztepräsident Reinhardt. "Wir brauchen mindestens 15 Prozent mehr Studienplätze in der Humanmedizin, um die Versorgung stabil zu halten", forderte er.
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