Die europäische Arzneimittel-Behörde EMA (externer Link) hat für die EU grünes Licht für eine Alzheimer-Therapie gegeben. Sie empfiehlt die Zulassung des Antikörpers Lecanemab zur Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz in einem frühen Stadium der Krankheit. Allein in Deutschland sind etwa eine Million Menschen von Alzheimer betroffen.
Lecanemab bekämpft Ursachen von Alzheimer
Bisherige Alzheimer-Therapien behandeln nur Symptome der Krankheit, nicht ursächliche Prozesse im Gehirn. Das ist bei Lecanemab anders: Der Antikörper richtet sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und soll dadurch den Verlauf der Krankheit verlangsamen.
Hauptmaßstab für die Wirksamkeit war die Veränderung der kognitiven und funktionellen Symptome nach 18 Monaten, die anhand einer Demenzbewertungsskala von 0 bis 18 gemessen wurde. Mit Lecanemab behandelte Patienten wiesen nach 18 Monaten im Mittel einen etwas geringeren Anstieg des Wertes auf (1,22 gegenüber 1,75). Das deute auf einen langsameren kognitiven Abbau hin, so die EMA.
Lecanemab nicht für alle Patienten
Haben die Amyloid-Ablagerungen schon irreversible Schäden im Gehirn angerichtet, nützt ihre Bekämpfung nichts mehr. Die EMA schränkt weiter ein: Das Mittel solle nur für Alzheimer-Patienten verwendet werden, die nur eine oder keine Kopie von ApoE4 haben – einer bestimmten Form des Gens für das Protein Apolipoprotein E.
Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für bestimmte schwerwiegende Nebenwirkungen – Schwellungen und Blutungen im Gehirn – geringer als bei Menschen mit zwei ApoE4-Kopien. Durch weitere einschränkende Voraussetzungen kommt Experten zufolge nur ein kleiner Bruchteil der Alzheimer-Erkrankten für eine Antikörpertherapie infrage.
Wann starten die Behandlungen mit Lecanemab in Deutschland?
Bis zum Einsatz von Lecanemab in Deutschland dürfte es noch einige Monate dauern: Die Zulassung durch die EU-Kommission stehe noch aus, zudem sei der Hersteller zum Beispiel verpflichtet worden, ausführliche Handreichungen und Schulungen unter anderem für Ärzte auszuarbeiten und ein Beobachtungsregister anzulegen, erklärte Gabor Petzold, Direktor der Klinischen Forschung am DZNE.
Andere Mittel noch nicht so weit
Im Juli hatte die EU-Arzneimittelbehörde noch entschieden, dass das Risiko schwerer Nebenwirkungen höher zu bewerten sei als die erwartete positive Wirkung. Zu einem anderen Ergebnis kam dann die zweite Prüfung, bei der auch Untergruppenanalysen berücksichtigt wurden.
Lecanemab ist nicht das einzige Mittel, das gegen Alzheimer ursächlich wirken soll: Der Antikörper Aducanumab, entwickelt vom US-Biotech-Unternehmen Biogen, wurde von der EMA Ende 2021 nicht zur Zulassung empfohlen. Der vermeintliche klinische Effekt des Medikaments sei fraglich. Ein weiterer Zulassungsantrag wurde vom US-Pharma-Konzern Eli Lilly für den Wirkstoff Donanemab gestellt. Dieses Verfahren läuft noch.
Risiken der Behandlung
Bei den mit Lecanemab behandelten Patienten mit nur einer oder keiner ApoE4-Kopie traten der EMA zufolge bei 8,9 Prozent Ödeme im Gehirn auf, Mikroblutungen bei 12,9 Prozent.
Die Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn blieben überwiegend ohne Symptome und wurden zumeist erst durch bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) bemerkt. Bei wiederholtem Auftreten drohen jedoch eine verminderte Gehirnleistung oder Koordinationsschwierigkeiten. Mikroblutungen gelten zudem als Risikofaktor für größere, potenziell lebensbedrohliche Hirnblutungen.
Die EMA betont darum in ihrer Stellungnahme, dass es zwingend Maßnahmen zur Risikominimierung geben müsse; wie zum Beispiel MRT-Scans vor der Verabreichung weiterer Lecanemab-Dosen. Lecanemab wird als intravenöse Infusion alle zwei Wochen verabreicht.
Kritik an Anti-Alzheimer-Medikamenten
Gesundheitsexperten äußern im Fachjournal "The BMJ" Kritik an den Therapien: Die Medikamente zeigten nur eine unmerkliche Verlangsamung der Demenz, dagegen jedoch schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen, den Tod eingeschlossen, heißt es.
Fraglich sei auch, wie alltagsrelevant die messbare leichte Verzögerung des Krankheitsverlaufs überhaupt ist, ergänzt Walter Schulz-Schaeffer vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Studien zu den Wirkstoffen machen zudem die Beobachtung, dass Anti-Amyloid-Medikamente das Gehirn merklich schrumpfen lassen. Was es damit auf sich hat, ist bisher noch vollkommen unklar.
Mit Informationen von dpa
Im Video: Demenz - Was hilft und was kann jeder tun?
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