Die schlechte Nachricht vorneweg: Auch 2023 ist, wie die Jahre zuvor, der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen weiter gestiegen. 36,8 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) bzw. seine Äquivalente wurden emittiert. Die CO2-Emissionen durch Änderungen der Landnutzung (z.B. Abholzung von Wäldern) mitgerechnet, waren es sogar knapp über 40 Milliarden Tonnen CO2.
Damit sind die weltweiten Emissionen so hoch wie noch nie. Sie liegen um 1,1 Prozent über denen von 2022, so die aktuelle Studie Global Carbon Budget 2023, die an diesem Dienstag veröffentlicht wurde.
Grafik: Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen
Der Anstieg des CO2-Ausstoßes flacht ab
Doch die gute Nachricht der aktuellen Studie: Offenbar nähern sich die weltweiten Treibhausgas-Emissionen einem Plateau, der Anstieg wird geringer. Allerdings ist dieses Plateau auf einem sehr hohen Niveau, betont Julia Pongratz, Geografie-Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) und Mitautorin des Global Carbon Budget 2023. "Wir laufen weiterhin in die falsche Richtung, aber jetzt langsamer", ordnet Pongratz das Ergebnis ein.
In Europa sinken die CO2-Emissionen
In manchen Regionen nahm der CO2-Ausstoß sogar ab. In Europa gingen die Emissionen um 7,4 Prozent zurück, in den USA um 3 Prozent. Was in Europa vor allem zum Tragen kommt, so die Studie, sind der Ausbau erneuerbarer Energien und die Energiekrise. Auch im Rest der Welt ist der CO2-Ausstoß leicht gesunken, um 0,4 Prozent – zwei Staaten ausgenommen, wie die folgende Grafik zeigt:
Grafik: Entwicklung der CO2-Emissionen in wichtigen Regionen
In den beiden großen und bevölkerungsreichen Ländern China und Indien stiegen die Emissionen weiter an: In China nahm der CO2-Ausstoß um 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu, in Indien sogar um 8,2 Prozent. Dabei ist aber in beiden Ländern der Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 immer noch geringer als hierzulande, machte der Klimaforscher Jan Christoph Minx in einer Pressekonferenz des Science Media Center zur aktuellen Studie deutlich, an der der Forscher nicht beteiligt war.
Minx, der am jüngsten Weltklimabericht des Weltklimarates IPCC mitgewirkt hat, betonte, dass sich Europa jetzt nicht einfach zurücklehnen könne: "Wir müssen hier unsere Hausaufgaben machen und besser werden im Klimaschutz. Aber wir müssen auch andere dazu bringen, besser zu werden. Und denen, die nicht die Mittel haben, helfen, besser werden zu können."
Weltkarte: CO2-Ausstoß pro Kopf im Jahr 2022
Was ist das Global Carbon Budget 2023?
Rund 120 Wissenschaftler und zahlreiche wissenschaftliche Institutionen, darunter etliche aus Deutschland, haben sich zum Global Carbon Project zusammengetan, um unabhängige und transparente Daten zum weltweiten und länderspezifischen Ausstoß an Kohlendioxid (oder anderen Treibhausgasen wie Methan in CO2-Äquivalenten) zu sammeln und auszuwerten.
Ihr jährlicher Bericht seit 18 Jahren zeigt auf, wie groß unser weltweites Budget an Kohlendioxid-Emissionen aktuell noch ist, wenn wir das Klimaziel erreichen wollen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen: das 1,5 Grad-Ziel.
CO2-Budget könnte in sieben Jahren aufgebraucht sein
Schon seit Jahren ist klar, dass dieses Kohlendioxid-Budget nicht mehr allzu groß ist und die Welt spätestens 2050 klimaneutral sein muss, wenn die globale Erwärmung gebremst werden soll. Doch die momentanen Anstrengungen reichen bei weitem nicht aus, so der aktuelle Bericht: Bleiben die Emissionen so hoch wie derzeit, ist das CO2-Budget bereits in sieben Jahren aufgebraucht.
Das bestätigen auch die Ergebnisse einer anderen Studie, die Anfang November im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde.
Keine Kehrtwende durch Corona
Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut (AWI), ebenfalls Autorin des Global Carbon Budget 2023, bedauert, dass auch die Corona-Krise nichts geändert hat. Durch den Lockdown gab es zeitweise keine Flüge, die Industrie wurde merklich heruntergefahren. Das machte sich in deutlich sinkenden CO2-Emissionen bemerkbar. Bis zu sieben Prozent sei der Kohlendioxid-Ausstoß damals zurückgegangen - einmalig. Das sei aber der Rückgang, den es jährlich tatsächlich brauche, so Hauck.
Die Krise wurde laut ihr nicht für nachhaltige Veränderungen genutzt: "Diese Chance haben wir leider vergeben", bedauert Hauck. Jetzt seien die CO2-Emissionen höher als vor der Corona-Krise. Allein der internationale Flugverkehr habe im vergangenen Jahr um 28 Prozent zugenommen.
Ist das 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen?
Nach Ansicht von LMU-Professorin Julia Pongratz werden wir es nicht mehr schaffen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen: "Es scheint unausweichlich, dass wir da drüberkommen." Doch die Frage sei, wie hoch der "Overshoot" sei, also die Überschreitung dieses Werts.
Auch Minx ist sicher: "Wir sind auf einem Overshoot-Path." Und derzeit nicht einmal auf einem Low-Overshoot-Path – es sieht aus, als würde das Klimaziel weit verfehlt. Um die Überschreitung des 1,5-Grad-Grenzwerts auf "ein kleines bisschen zu begrenzen", brauche es ambitionierte Ziele der Weltgemeinschaft: die Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2030.
Im Audio: Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, braucht es grundlegende Veränderungen
Der Kampf gegen den Klimawandel geht weiter
Kein Grund aufzugeben, findet Pongratz, im Gegenteil: "Jedes Zehntelgrad zählt!" Man dürfe nicht aufgeben, auch wenn das 1,5 Grad-Ziel nicht erreicht werde. Es gehe darum, irreversible Entwicklungen zu vermeiden. Denn durch den Klimawandel werden auch Prozesse in Gang gesetzt, die nicht mehr aufzuhalten sind.
Erste Erfolge durch Kohlenstoffsenken
Der Bericht zum Global Carbon Budget 2023 bietet aber auch Anlass zur Hoffnung. "Auch wenn es keine gute Nachricht ist, dass die Emissionen auf einem sehr hohen Niveau stagnieren, gibt es mir durchaus Hoffnung, dass sie nicht mehr steigen", meint Hauck. Zumindest flache der Trend langsam ab, bestätigt auch Pongratz.
Ein wichtiger Faktor für dieses Abflachen der Emissionskurve sind Kohlenstoffsenken. Gemeint sind damit Prozesse, bei denen CO2 aus der Atmosphäre wieder entnommen wird. Ein Baum etwa nimmt Kohlendioxid aus der Luft auf und speichert es während seines Wachstums als Kohlenstoff in seinem Holz und den Blättern.
Die Hälfte des CO2-Ausstoßes wird von Land und Meer geschluckt
Es sind vor allem maritime und Landsenken, die zu einer Trendwende führen könnten. Die Ozeane nehmen sehr große Mengen an CO2 auf, an Land sind es vor allem die Wälder, aber auch Karbonisierung im Gestein oder Humusbildung. Ozeane und Landsenken schlucken etwa die Hälfte der Treibhausgasemissionen. Doch das ist noch längst nicht genug.
Immer noch sei die Abholzung so groß, dass nachwachsende Wälder und Aufforstung das nicht kompensieren könnten, sagt Clemens Schwingshackl, der zusammen mit Pongratz die Emissionen durch Landnutzung für den Bericht untersuchte, in einer Pressemitteilung der LMU.
Einfluss von El Niño macht sich negativ bemerkbar
Das Wetterphänomen El Niño, das Mitte dieses Jahres begonnen hat, schwächt den Effekt allerdings. Die Landsenke sei um etwa zwanzig Prozent geringer ausgefallen. Das liegt vor allem an der Zunahme von Dürren und Feuern, denen die Wälder Südostasiens und am Amazonas zum Opfer fallen, so Pongratz. Verbrennt oder verrottet ein Baum, gibt er alles CO2, das er im Lauf seines Lebens gespeichert hat, wieder an die Atmosphäre ab.
Auf die Ozeane als maritime CO2-Senke hat zwar El Niño keinen negativen Effekt, aber die Klimaerwärmung: Wärmeres Wasser nimmt weniger Kohlendioxid auf.
- Zum Artikel: El Niño hat begonnen: Was bedeutet das für Bayern?
2024 werden die maritimen und Landsenken eher weniger CO2 aufnehmen, fürchten die Forschenden laut der Pressemitteilung der LMU.
Künstliche CO2-Entnahme spielt noch kaum eine Rolle
Die künstlichen Kohlendioxid-Entnahmeverfahren, die von Politikern gerne ins Spiel gebracht werden, sind dagegen noch kein ernstzunehmender Player in der CO2-Bilanz. Derzeit gleichen sie nur 0,000025 Prozent des ausgestoßenen CO2 aus, so die Mitteilung der LMU. Anders gesagt: Wollte man alle CO2-Emissionen so wieder einfangen, müssten die verschiedenen Entnahme-Verfahren 4 Millionen Mal mehr CO2 aus der Atmosphäre entnehmen, als sie es bislang tun.
Hauck versteht das große politische Interesse an den CCR-Verfahren, doch es müsse oberstes Ziel bleiben, den Ausstoß zu senken, die CO2-Emissionen zu verringern. Auch weil die CCR-Verfahren richtig teuer sind, bekräftigt Minx. Insbesondere dann, wenn sie nachhaltig betrieben werden sollen.
Innovationsdynamiken der Zukunft
Minx setzt aber auch Hoffnung in die Verfahren. Sie müssten unbedingt skaliert werden, also in größerem Maßstab angewandt werden.
Ähnlich wie bei den erneuerbaren Energien, die auch jetzt erst einen wirklich spürbaren Anteil an der Stromerzeugung übernehmen, würde man bei den CO2-Entnahmeverfahren bald von mehr Innovationen profitieren: "Wenn wir uns trauen, wenn wir uns einigen können, als Weltgemeinschaft zumindest im großen Teil gemeinsam voranzuschreiten, dann werden wir Innovationsdynamiken sehen, die es uns leichter machen, den Wandel auch hinzubekommen", ist sich Minx sicher.
Trotz hoher CO2-Werte Grund zur Hoffnung
Pongratz ist der Ansicht, dass man am aktuellen Bericht auch einen Fortschritt ablesen kann: "Es sind mehr Länder, deren Emissionen runtergehen, obwohl das Wirtschaftswachstum erhalten bleibt. Und das zeigt auch, dass es Klimaschutzmaßnahmen gibt, die greifen und auch überhaupt nicht nachteilig für die Wirtschaft sind. Wir brauchen nur eben eine deutliche Hochskalierung von diesen Maßnahmen und auch in andere Länder hinein.
Bericht auf dem Weltklimagipfel veröffentlicht
Der aktuelle Bericht Global Carbon Budget 2023 wurde im Rahmen der 28. Weltklimakonferenz COP28 veröffentlicht. Der Bericht sei ein deutlicher Appell an die Politik, so Minx: "Die starke Botschaft des Berichts ist: Wir haben das fossile Zeitalter noch nicht hinter uns gelassen." Man habe mit dem Ausstieg noch nicht wirklich begonnen. Auch wenn die Wende schon in einigen Regionen stattfinde: Noch viel mehr Länder müssten mitziehen. Die Trendwende dahin müsse der aktuelle Klimagipfel einleiten.
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