Voller Stolz präsentierten heute die Europäische Südsternwarte ESO und das Teleskopnetzwerk Event Horizon Telescope (EHT) ein "bahnbrechendes Ergebnis" der Erforschung des Zentrums der Milchstraße: Das erste Bild vom Schwarzen Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie, Sagittarius A*. Es ist erst das zweite Bild, das überhaupt je von einem Schwarzen Loch gemacht wurde. Das ist tatsächlich bemerkenswert, denn Schwarze Löcher machen ihrem Namen alle Ehre: Sie sind nicht sichtbar.
Und zugleich ist das Bild der erste visuelle Nachweis, dass dort im Zentrum der Milchstraße wirklich ein Schwarzes Loch ist.
Erstes Bild eines Schwarzen Lochs: M87
2019 konnte die ESO erstmals überhaupt das Bild eines Schwarzen Loches präsentieren: Das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87 (Messier-Objekt 87), einer sehr hellen Riesengalaxie im Sternbild Jungfrau. Virgo A – das "fotografierte" Schwarze Loch – ist etwa 53 Millionen Lichtjahre von uns entfernt.
Aufgenommen wurden die Daten für dieses "Foto" schon 2017, in der ersten Beobachtungskampagne des Event Horizon Telescope (EHT). Damals aber nahm das EHT auch bereits das Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße ins Visier.
Doch die Aufnahme von Sagittarius A* war viel schwerer zu erlangen. Denn obwohl "unser" Schwarzes Loch viel, viel näher ist, ließ es sich weitaus schwerer ablichten. Denn Sagittarius A* ist viel kleiner als als Virgo A. Mit dem Effekt, dass der leuchtende Ring aus heißem Gas viel schneller um das Schwarze Loch kreist. Nur Minuten im Vergleich zu Tagen bis Wochen bei Virgo A.
Das Schwarze Loch in M87 lieferte ein stabiles Bild, Sagittarius A* dagegen nicht. Die oben gezeigte Aufnahme ist der Durchschnitt aller erzielten Einzelaufnahmen.
Sagittarius A*: das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße
Im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße, befindet sich das Schwarze Loch Sagittarius A*. Es ist etwa 27.000 Lichtjahre von uns entfernt. Seine Größe wird bisher auf etwa 22 Millionen Kilometer im Durchmesser geschätzt.
Sagittarius ist die lateinische Bezeichnung für das Sternbild Schütze, in dessen Richtung es liegt. "A*" bezeichnet das hellste Objekt eines Sternbilds. Wobei "hell" in diesem Fall nicht wörtlich zu verstehen ist, zumindest nicht für Beobachter des Sternenhimmels. Denn genau das Zentrum unserer Milchstraße können wir nicht sehen: Es ist verdeckt von dichten Staub- und Gaswolken, die kein sichtbares Licht hindurchlassen. Von den rund zehn Millionen Sternen im Galaktischen Zentrum ist daher fürs bloße Auge oder normale Teleskope nicht viel zu sehen. Aber Radioteleskope blicken hier durch. Denn Sterne senden nicht nur Licht, sondern auch elektromagnetische Wellen aus – Radiowellen. Und die lassen sich vom Staub nicht aufhalten.
Im Laufe der Erforschung der Milchstraße, die mit Galileo Galilei und den ersten Fernrohren vor mehr als 400 Jahren begann, entdeckte man eine enorme Radiowellen-Quelle im Sternbild Schütze, im Zentrum unserer Galaxie. Erst in den 1970er-Jahren entstand die Theorie, dass es sich bei dem supermassiven Objekt wohl um ein Schwarzes Loch handelt.
Der deutsche Physiker Reinhard Genzel erforschte dieses mysteriöse Zentrum der Milchstraße jahrelang, indem er die Objekte ins Visier nahm, die es umkreisten. Er konnte so feststellen, dass Sagittarius A* vier Millionen Mal mehr Masse haben muss als unsere Sonne. Für die Erforschung des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße erhielt Genzel zusammen mit anderen Forschern den Physik-Nobelpreis 2020.
Was ist ein Schwarzes Loch?
Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt im Weltall, dessen Gravitationskraft – seine Anziehungskraft – so groß ist, dass es alles, was ihm zu nahe kommt, förmlich "verschluckt". Es verschlingt beispielsweise Sterne, die das Schwarze Loch umkreisen. Um eine so hohe Attraktivität zu haben, muss das Schwarze Loch ein Objekt mit einer gigantischen Masse sein, die extrem verdichtet ist. Würde man unsere Sonne mit 1,4 Millionen Kilometern Durchmesser auf etwa drei Kilometer zusammenpressen, dann würde sie zu einem Schwarzen Loch – einem winzig kleinen. Rein theoretisch, denn aus der Sonne wird kein Schwarzes Loch werden.
Wenn aber ein besonders großer, massereicher Stern am Ende seines Sternenlebens all sein Material verschmolzen hat und in einer großen Supernova explodiert, sackt sein Kern mit solcher Wucht in sich zusammen, dass ein supermassereiches Objekt entsteht. Etwa ein Neutronenstern - oder eben ein Schwarzes Loch.
Doch Schwarze Löcher sind nicht zu sehen, auch nicht im Bereich von Radiowellen. Wie also kann man sie entdecken und erforschen? Das geht, weil genau am Rande eines Schwarzen Lochs viel los ist: Gas, Staub und andere Materie stürzen nicht auf direktem Weg in ein Schwarzes Loch, sondern umkreisen es und bilden dabei einen Ring. In dieser sogenannten Akkretionsscheibe heizt sich die Materie auf und leuchtet extrem hell.
Was ist der Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs?
Der Ereignishorizont (Event Horizon) ist gewissermaßen die Kante des Schwarzen Lochs, der Rand, der aber genau nicht mehr Teil des Schwarzen Loches ist. Was auch immer diesen "Point of no return" passiert, wird auf Nimmerwiedersehen vom Schwarzen Loch geschluckt und ist nicht mehr messbar. Doch genau dieser Rand ist noch wahrnehmbar – wenn die Messinstrumente fein genug sind. Solche Ereignishorizonte Schwarzer Löcher nimmt das Event Horizon Telescope (EHT) ins Visier.
Der Ereignishorizont ist nicht nur deshalb interessant, weil er das Schwarze Loch als Silhouette sichtbar macht, sondern auch, weil dort Erstaunliches passiert. Hier umkreist die Materie das Schwarze Loch fast mit Lichtgeschwindigkeit, hier treten die starken Gravitationseffekte Schwarzer Löcher auf, wenn sie etwa Sterne verschlingen. Hier lässt sich die besondere Physik Schwarzer Löcher erforschen – näher kommt man ihnen nicht.
Event Horizon Telescope - ein Teleskop so groß wie die Erde
Das Event Horizon Telescope (EHT) ist kein einzelnes Teleskop, sondern ein Teleskop-Netzwerk, bei dem die großen Radioteleskope weltweit durch eine neue Koppelungstechnik für ein globales Forschungsprojekt miteinander verbunden wurden. Zusammen ergeben die Teleskope des EHT ein virtuelles Teleskop, das so groß ist wie die Erde. Dazu nutzt das EHT eine Technologie namens Very Long Baseline Interferometry (VLBI). Vereinfacht ausgedrückt sorgt dabei gerade die große Entfernung der genutzten Teleskope zueinander – beispielsweise zwischen dem Atacama Large Millimeter Array Teleskop (ALMA) in Chile und dem IRAM-Teleskop in Spanien - für eine besonders große Genauigkeit, da gerade die Abweichung der beiden Messergebnisse zueinander miteinbezogen werden.
Zur Berechnung dieser Korrelation werden zwei Hochleistungsrechner benötigt. Einer davon steht im Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Denn bei jedem der acht Teleskope, die in der ersten Beobachtungskampagne des EHT im Jahr 2017 im Einsatz waren, entstehen Datenmengen, die Zehntausenden DVDs entsprächen.
Mit der Auflösung, die das EHT mit dem weltumspannenden Teleskop-Netzwerk erreicht, könnte man unseren Mond noch ablichten, selbst wenn er nur so klein wie ein Tischtennisball wäre.
Weltweit waren mehr als 300 Wissenschaftler daran beteiligt, dieses Bild von Sagittarius A* möglich zu machen, darunter in Bayern auch Forscher der Universität Würzburg.
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