Seit ein paar Jahren existiert im Duden das Wort "Flugscham". Denn Flugreisen sind Klima-Killer schlechthin. Gleichzeitig gehen viele Experten davon aus, dass durch den steigenden Wohlstand weltweit immer mehr Passagiere fliegen werden. Schon im Vor-Corona-Jahr 2019 waren 4,5 Milliarden Flug-Passagiere unterwegs.
Bei rund 3,5 bis vier Liter Kerosin, die Flugzeuge auf hundert Kilometer pro Passagier verbrennen, kommt da einiges an Treibhausgas zusammen. "Der Luftverkehr stößt etwa 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus", erklärt Lambert Schneider, Forschungskoordinator für Internationale Klimapolitik beim Öko-Institut in Berlin. Das sei ungefähr so viel, wie Deutschland insgesamt emittiert. Aber, so der Klimaexperte: "CO2 ist beim Luftverkehr nicht alles, sondern es gibt auch noch ganz viele indirekte Klimawirkungen. Und die gesamte Klimawirkung des Luftverkehrs ist in der Summe etwa dreimal so hoch wie die vom CO2."
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Suche nach grünen Strategien
Die Luftfahrtbranche sucht deshalb verstärkt nach Strategien, um das Fliegen "grüner", also: klimafreundlicher zu gestalten. Ideen dazu wurden vom 19. bis 21. September auf dem Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress in Stuttgart diskutiert. Wie schnell es gelingt, den CO2-Ausstoß beim Fliegen zu verringern, hängt dabei auch davon ab, wo man ansetzt: beim Treibstoff, beim Antrieb oder bei der Konstruktion der Flugzeugform. Eine sehr schnell umzusetzende Lösung wäre beispielsweise, die Geschwindigkeit von Flugzeugen zu reduzieren, sagt Professor Mirko Hornung, Luftfahrtingenieur an der Technischen Universität München. "Schon eine leichte Reduktion in der Fluggeschwindigkeit, das ist allgemein bekannt, ist ein sehr großer Hebel, um einfach insgesamt weniger Energie zu verbrauchen."
Wie man beim Fliegen Treibstoff spart
Flugzeuge möglichst klimaneutral zu bauen heißt, sie strömungsgünstiger und effizienter zu bauen, sodass sie weniger Treibstoff verbrauchen und damit weniger Abgase produzieren. Forschende testen bereits, wie sie sehr schlanke, dafür aber längere Flügel so konstruieren könnten, damit diese auch große Flieger tragen können. "Je höher die Streckung, je geringer der Widerstand ist, desto erheblich mehr Sprit kann man einsparen", sagt Gertjna Looye vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Allerdings müssen die schlanken Tragflächen stabil genug gebaut werden, ohne dabei zu schwer zu werden. Denn je leichter, desto geringer ist der Kraftstoffverbrauch.
An vielen Stellen wird schon heute an den Flugzeugen leichteres Material eingesetzt, beispielsweise Kunststoffe, die mit Kohlefasern verstärkt sind, sogenannte CFK. Die Möglichkeiten sind aber noch längst nicht ausgereizt, sagt Professor Rolf Henke, Luftfahrt-Experte und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt: "Wenn wir die Eigenschaften des CFK besser nutzen, können wir über 3D-Druck Teile, die wir früher einzeln zusammengebaut haben, in einem Rutsch drucken und damit erheblich leichter machen."
Neben leichteren Flugzeugen liegt das Hauptaugenmerk der Ingenieure, die das Fliegen grüner machen wollen, auf der Triebwerkstechnik. Dort gab es schon in den vergangenen Jahrzehnten enorme Verbesserungen, etwa dadurch, dass nicht mehr allein die Abgase der Gasturbine den Schub liefern. Stattdessen treibt die Turbine heute große Schaufelblätter an, die einen starken Luftstrom erzeugen, der für den Vortrieb sorgt. Seit den 1960er-Jahren hat sich der Kerosinverbrauch so fast halbiert. Aber es ginge noch viel mehr, sagt Rolf Henke, wenn man die Mechanik des Triebwerkes verbesserte. "Diese vielen drehenden Teile können wir mit neuen Werkstoffen angehen, neuen Materialien, neuen Herstellprozessen."
Grüne Treibstoffe für die Luftfahrt
Neben den Möglichkeiten durch die Konstruktion des Flugzeugs den Treibstoffverbrauch zu senken, ist es für einen klimaneutralen Luftverkehr allerdings wesentlich, was ins Flugzeug hinein getankt wird. Schon heute gibt es Kerosin mit nachhaltig produzierten Anteilen, etwa aus altem Pflanzenfett. Der Vorteil dieser "Sustainable Aviation Fuels" (SAF, auf Deutsch: "Nachhaltige Flugkraftstoffe") sind die klimaneutralen Emissionen. Beim Verbrennen wird nur so viel CO2 wieder freigesetzt, wie die Pflanzen vorher aus der Luft entnommen haben. Allerdings liegt der Anteil dieser nachhaltigeren Kerosin-Gemische im Vergleich zum gesamten Kerosinverbrauch bisher nicht einmal im Promille-Bereich. Langfristig hätten SAF-Kraftstoffe aber das Potential, den CO2-Einfluss um knapp 85 Prozent zu reduzieren, sagt Mirko Hornung von der TU München.
Auch der Anteil der sogenannten "E-Fuels" als Kraftstoff für Flugzeuge ist derzeit noch gering. Dabei handelt es sich um flüssigen, synthetischen Treibstoff, der mithilfe von Strom hergestellt wird. Der Strom zerlegt Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Dazu kommt dann noch CO2 aus der Luft und in weiteren Schritten entsteht synthetischer Treibstoff, das E-Fuel. Der Vorteil dieses chemisch erzeugten Treibstoffes sei, dass keine zusätzlichen CO2-Emissionen entstünden, sagt Klimaforscher Lambert Schneider: "Wenn ich aus erneuerbarem Strom und aus dem CO2 der Luft Kerosin herstelle, kann ich praktisch CO2-neutral fliegen, denn ich entnehme es ja der Atmosphäre."
Allerdings gibt es einen entscheidenden Nachteil: Von der Energie, die man anfangs in Form von Strom hineinsteckt, kommt im Triebwerk nur ein Bruchteil an. Eine effektivere Alternative wäre, auf die energieaufwändigen Umwandlungsschritte zu verzichten und direkt mit Wasserstoff zu fliegen. Allerdings bräuchte Wasserstoff riesige gekühlte Tanks, denn für die gleiche Flugstrecke braucht man vom Volumen her drei- bis viermal so viel Wasserstoff wie Kerosin. Das Flugzeugdesign müsste sich also wohl deutlich ändern.
Der Traum vom E-Flugzeug
Und was ist eigentlich mit dem E-Flugzeug – wo es doch E-Autos, E-Scooter und so weiter längst gibt? Tatsächlich sind batteriebetriebene Flugzeuge schon als Senkrechtstarter bekannt: sogenannte "Volocpter" oder auch Flugtaxis. Auf kürzeren Strecken und mit wenigen Sitzplätzen funktioniert so etwas tatsächlich. Doch im großen Maßstab wird es schnell schwierig. Denn für ein Verkehrsflugzeug bräuchte man vielfach mehr Tonnen an Batterien, als das Flugzeug an sich wiegt.
Flugrouten klimafreundlicher planen
Flugrouten besser zu planen, ist eine weitere Möglichkeit, ohne großen Technikaufwand CO2 einzusparen. Die derzeitigen Routen in rund zehn Kilometer Höhe sind im Hinblick aufs Klima problematisch, denn in diesen Luftschichten reagiert die Atmosphäre besonders empfindlich auf die Flugzeugabgase. Tiefer zu fliegen wäre also klimafreundlicher, ebenso wie Umwege zu vermeiden. Aber das ist nicht immer möglich. Zum einen gilt es mitunter, Unwetter zu umfliegen. Aber es gibt auch geopolitisch heikle Gebiete, sagt Luftfahrtexperte Rolf Henke: "In Europa gibt es viele militärische Gebiete mit Flugbeschränkungen, wo Sie eben halt nicht langfliegen dürfen." Wenn man direkter von A nach B fliegen könnte, wäre eine Menge rauszuholen, sagt der Luftfahrtexperte: "Da gehen die Schätzungen auf rund zehn Prozent, was die Effizienz oder CO2 betrifft."
Auch Kondensstreifen sind ein Problem fürs Klima. Durch sie können künstliche Eiskristall-Wolken entstehen, die wiederum die Erderwärmung mit antreiben können. Ob sie sich bilden und wie lange es dauert, bis sie wieder verblassen, hängt unter anderem davon ab, wie kalt und feucht es ist. Man könnte also gezielt auch solche Flughöhen und Gebiete meiden, in denen Kondensstreifen auftreten.
Abkehr vom Fliegen?
Die radikalste Vermeidung von Emissionen in der Luftfahrt ist aber natürlich, das Fliegen zu vermeiden. Wie viel Luftverkehr wollen wir haben, fragt sich auch Luftfahrtingenieur Mirko Hornung: "Da ist immer diese Frage, will man Mobilität gezielt in gewissen Regionen einschränken? Ich glaube, das ist eine Frage, die gesellschaftlich geklärt werden muss und die man nicht technologisch vorgeben kann. Wir müssen für uns Lösungen finden, dass es für jeden auch in Zukunft möglich sein wird, klimafreundlich auch international Mobilitätsmöglichkeiten zu haben."
Im Audio: Luftfahrt und Klimaschutz: Gibt es einen Weg zum "grünen" Fliegen?
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