Laue Nächte im Straßencafé, im Springbrunnen planschende Kinder: Der idyllische Sommer in der Stadt scheint der Vergangenheit anzugehören. Immer höhere Temperaturen in den Sommermonaten und häufigere Hitzewellen setzen gerade älteren Menschen in den Metropolen zu. Gebäude und Straßen speichern die Wärme besonders stark, nach Sonnenuntergang wird diese wieder abgegeben. So kühlen die Städte auch nachts nicht mehr ab.
Starker Temperaturanstieg in den Städten erwartet
Nach Angaben des Weltklimarats könnte die Durchschnittstemperatur bis 2100 in manchen Metropolen weltweit um mehr als vier Grad steigen, die jahreszeitlichen Höchsttemperaturen sogar noch stärker. Doch schon heute spürt man die Auswirkungen des Klimawandels in der Stadt, sagt Professor Matthias Garschagen, Klimaforscher und Lehrstuhlinhaber für Anthropogeographie an der Ludwig-Maximilians-Universität München:
"Wir werden auch in Deutschland, in Mitteleuropa, mit einer höheren Anzahl von Hitzewellen zu tun haben, mit intensiveren Hitzewellen. Wir hatten ja letztes Jahr große Hitzekorde, in Lingen hatten wir über 42 Grad. Wobei das größere Problem bei den Hitzewellen die Nachttemperaturen sind – die Frage, kühlt es sich in der Nacht noch soweit ab, dass gerade Ältere, Schwächere, Kranke sich nachts regenerieren können."
Gezielte Städteplanung gegen Wärmebelastung
Für drei Viertel der Deutschen ist die Stadt inzwischen Arbeits- und Lebensmittelpunkt – Tendenz steigend. Viele Menschen in den Metropolen führen aber zu einer engeren Bebauung und das wiederum zu einer steigenden Wärmebelastung – ein Teufelskreis, der nur durch gezielte Städteplanung durchbrochen werden kann, sagt Matthias Garschagen:
"Die Städte laden sich selbst auf, wie Hitzeinseln, durch dunkle Oberflächen wie Dachflächen, durch wenig Begrünung, durch wenig Verdunstung. Da müssten wir ran. Wir müssten mehr über Wasser in den Städten nachdenken. Und Belüftung ist ein ganz wichtiges Thema, so dass es nachts abkühlen kann. Wir bauen Städte im Moment aber soweit zu, dass auch solche Kältekorridore geschlossen werden."
Klimawandel als soziale Herausforderung
Notwendig für ein kühleres Stadtklima sind mehr Frischluftkorridore und Parkanlagen, kleine Seen und Kanäle sowie begrünte Dächer und Fassaden – manche Stadtplaner versuchen schon heute, dies in den Metropolen umzusetzen. Notwendig sei das vor allem in jenen Vierteln, in denen ärmere Menschen leben, so Matthias Garschagen. Denn der Klimawandel sei in den Städten nicht in erster Linie ein Umweltproblem, sondern eine soziale Herausforderung, die vor allem Alte, Kranke und Familien treffen könne. So werde man in Zukunft gerade in kritischen Infrastrukturen, in Altenheimen, in Kindergärten und Krankenhäusern viel mehr Klimaanlagen sehen als heute.
„Wer kann sich zum Beispiel überhaupt eine Klimaanlage installieren? Da sehen wir in der Zukunft zunehmend Brüche in der Gesellschaft zwischen denen, die es sich leisten können, sich an den Klimawandel anzupassen und denen, die sich das weniger leisten können." Matthias Garschagen, Lehrstuhl für Anthropogeographie, LMU München
Die Schwächsten könnten am meisten leiden
Am Ende, so Matthias Garschagen, könnte es sein, dass die schwächsten Glieder der Bevölkerung, Arme und Kranke, auch in der Stadt am meisten unter dem Klimawandel leiden werden:
"Wir gehen davon aus, dass es eine hoch verwundbare Gruppe der Bevölkerung gibt, die ein hohes Alter hat, zum Beispiel zugleich unter Herzkreislauferkrankungen leidet und häufig in den vielleicht etwa günstigeren Dachgeschosswohnungen wohnt, die oft sehr heiß werden."
Sendungen:
"Wie wappnen wir uns für extremes Wetter?" Gespräch mit dem Klima-Experten Prof. Matthias Garschagen von der Ludwig-Maximilians-Universität München: IQ - Wissenschaft und Forschung, am 20.02.2020, 18.05 Uhr, Bayern 2
"Hitze in der Stadt - Was Stadtplaner und Architekten dagegen tun können": IQ - Wissenschaft und Forschung, am 26. Juli 2019, 18.05 Uhr, Bayern 2
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