Wer übergewichtig ist und versucht abzunehmen, macht oft die Erfahrung: Zunächst sinkt das Gewicht, doch ein paar Wochen nach der Diät ist es wieder so hoch wie vorher. Ein Forscher-Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat jetzt eine Ursache für diesen Jo-Jo-Effekt gefunden, und zwar im Erbgut. Genauer, in dessen Epigenetik. Dieses Teilgebiet der Genetik untersucht nicht die Abfolge der Bausteine in der DNA-Sequenz und deren Bedeutung, sondern kleine chemische Markierungen an diesen Bausteinen. Diese können ein Gen aktivieren oder abschalten. Damit legen sie fest, wie sich eine Zelle in einem bestimmten Zeitraum entwickelt.
Die Abfolge der DNA-Bausteine wird vererbt und ist festgelegt. Epigenetische Markierungen können sich dagegen im Lauf des Lebens ändern, zum Beispiel durch Umwelteinflüsse oder die Ernährung. Diese Änderungen auf molekularer Ebene können jahre- oder jahrzehntelang stabil bleiben und bestimmen mit, welche Gene in den Zellen aktiv sind und welche nicht. "Die Epigenetik sagt einer Zelle, was für eine Zelle sie ist und was sie tun soll", fasst Laura Hinte zusammen. Sie gehört zur Forschungsgruppe um Ferdinand von Meyenn, Professor für Ernährung und metabolische Epigenetik an der ETH Zürich, die unlängst eine Studie in der Fachzeitschrift Nature (externer Link) veröffentlicht hat.
Zellen mit Gedächtnis an Fettleibigkeit
Das Forscher-Team suchte bei Mäusen nach Ursachen des Jo-Jo-Effekts. Dazu analysierten sie Fettzellen von übergewichtigen Mäusen und von Mäusen, die nach einer Diät nicht mehr übergewichtig waren. Dabei fanden sie heraus: Fettleibigkeit führt zu charakteristischen epigenetischen Markierungen im Kern der Fettzellen. Sie sorgen dafür, dass die Fettzellen größer werden und mehr neue Fettzellen gebildet werden. Diese Markierungen im Erbgut bleiben auch nach einer Diät erhalten. "Die Fettzellen erinnern sich an den übergewichtigen Zustand und können leichter in diesen zurückversetzt werden", sagt von Meyenn. Mäuse mit dieser epigenetischen Markierung legten schneller Gewicht zu, wenn sie wieder Zugang zu fettreicher Nahrung hatten. Denn die epigenetischen Veränderungen der Fettzellen sorgen dafür, dass diese einen erhöhten Bedarf an Nachschub signalisieren. Im Gehirn wird daraus ein starkes Gefühl von Hunger.
Diesen Mechanismus gibt es anscheinend auch beim Menschen: Das ETH-Team analysierte Fettgewebs-Biopsien von ehemals übergewichtigen Personen, die sich einer Magenverkleinerung oder einer Magenbypass-Operation unterzogen hatten. Bei diesen Proben untersuchten die Forscherinnen und Forscher nicht die epigenetischen Marker, sondern die Aktivität der Gene. Die Ergebnisse stimmen jedoch mit jenen der Mäuse überein.
Adipositas möglichst von Anfang an vermeiden
Wie lange können sich Fettzellen aber an Fettleibigkeit erinnern? Das wurde in der Studie nicht untersucht, aber: "Fettzellen sind langlebige Zellen. Sie werden im Schnitt zehn Jahre alt, bevor unser Körper sie durch neue Zellen ersetzt", sagt Laura Hinte. Derzeit ist es nicht möglich, die epigenetischen Markierungen im Zellkern mit Medikamenten zu verändern und damit das epigenetische Gedächtnis zu löschen. "Vielleicht wird das in Zukunft möglich werden", sagt Hinte, "Aber vorerst müssen wir mit diesem Gedächtniseffekt leben." Von Meyenn ergänzt: "Gerade, weil es den Gedächtniseffekt gibt, ist es so wichtig, Übergewicht von vornherein zu vermeiden. Denn dann ist es am einfachsten, etwas dagegen zu tun."
Die ETH-Forscher gehen davon aus, dass nicht nur Fettzellen ein epigenetisches Gedächtnis haben. "Auch andere Körperzellen könnten zum Jo-Jo-Effekt beitragen", sagt von Meyenn. Es wäre durchaus denkbar, dass sich auch Zellen im Gehirn, in den Blutgefäßen oder weiteren Organen an Fettleibigkeit erinnern und zum Effekt beitragen.
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