Symbolbild: Patientin beim Zahnarzt
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Keine Amalgam-Füllungen mehr: Das müssen Sie wissen

Keine Amalgam-Füllungen mehr: Das müssen Sie wissen

Seit 1. Januar ist Amalgam als zahnmedizinisches Füllmaterial verboten – bis auf wenige Ausnahmen. Das Verbot wurde aber nicht etwa aus gesundheitlichen Gründen erlassen, sondern zum Schutz der Umwelt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Über die möglichen gesundheitlichen Folgen von Amalgam-Zahnfüllungen wird seit vielen Jahren diskutiert. Seit dem 1. Januar ist die Verwendung von Dentalamalgam nun weitgehend verboten – allerdings nicht aus gesundheitlichen Gründen. Vielmehr geht es bei dem EU-Beschluss darum, das in Amalgam enthaltene giftige Quecksilber aus der Umwelt zu verbannen. Wichtig zu wissen: Das Amalgam-Verbot betrifft ausschließlich neue Füllungen.

Was ist Hintergrund des EU-Beschlusses?

Die EU setzt mit dem Verbot Beschlüsse des Minamata-Übereinkommens (Externer Link) von 2017 um, eines internationalen Vertrags zum Schutz vor Quecksilberemissionen. Ziel ist es, die Verwendung von Quecksilber in Produkten zu reduzieren und so die Freisetzung in die Umwelt zu vermindern. So soll auch die Herstellung, Einfuhr und Ausfuhr von bestimmten Lampen, die Quecksilber enthalten, von 2026 an eingestellt werden.

Doch worin besteht konkret die Umweltgefahr durch medizinisches Amalgam? Es geht um den Betrieb von Krematorien. Bei der Einäscherung verdampfen die Füllungen, das enthaltene Quecksilber wird frei. Dies kann nicht komplett von den Filtern aufgefangen werden.

Was ist Amalgam?

Amalgam ist ein Stoffgemisch, das aus Quecksilber sowie aus weiteren Metallen wie Silber, Zinn und Kupfer besteht. Es wird schon seit weit über 100 Jahren für Zahnfüllungen verwendet. Das Material ist preisgünstig, haltbar und leicht formbar. Die Füllungen halten meist viele Jahre.

Was ist Quecksilber?

Quecksilber ist ein natürlich in der Umwelt vorkommendes Metall. Das in Deutschland vorhandene Quecksilber in Luft, Wasser und im Boden geht unter anderem auf Kohleverfeuerung sowie auf die einstige Einleitung aus Industrieanlagen zurück.

Für Menschen und Tiere ist die Substanz giftig, in sehr hohen Mengen sogar tödlich. Quecksilberbelastung kann zum Beispiel das zentrale Nervensystem, die Lunge, die Nieren und das Immunsystem schädigen. Da es vom Organismus schlecht ausgeschieden werden kann, reichert sich aufgenommenes Quecksilber im Körper an.

Wie groß sind die Risiken?

Menschen nehmen Quecksilber unter anderem über die Atemluft auf. Eine weitere Quecksilberquelle besteht im Konsum von Fisch – vor allem Raubfische wie Thun- oder Schwertfische, die an der Spitze der Nahrungskette stehen, sind oft belastet.

Von Dentalamalgam geht nach Angaben von Dr. Rüdiger Schott, dem Vorsitzenden des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns ( KZVB) keine Gefahr aus. "Die Materialien werden seit langem nicht mehr offen verarbeitet. Das sind Kapselsysteme. Alle medizinischen Produkte sind zertifiziert, das ist von der Verarbeitung her absolut sicher", so der Zahnarzt, der eine Praxis im Landkreis Hof hat.

Studien zufolge ist die durch Zahnfüllungen aufgenommene Menge in Deutschland meist zu gering, um schädlich zu wirken. Mehrere Analysen, unter anderem eine bereits 2007 vom Robert Koch-Institut (RKI, externer Link) und eine 2008 von der TU München (externer Link) veröffentlichte, kamen zu dem Schluss, dass es keine wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen Amalgamfüllungen und chronischen Erkrankungen gibt. Es gebe auch keine wissenschaftlichen Beweise für ein Krebsrisiko durch Amalgamfüllungen, heißt es beim Deutschen Krebsforschungszentrum.

Wer eine Amalgamfüllung hat, sollte sie nur entfernen lassen, wenn sie nicht mehr intakt ist. Bei der Entfernung bohren Zahnärzte die Füllung niedrigtourig und nach strengen Vorschriften heraus. "Es wird mit Wasser und Luft gearbeitet und mit einem speziellen Sauger abgesaugt", erklärt Schott BR24.

Wie sehr ein Organismus mit Quecksilber belastet ist, kann durch Urin- und Bluttests ermittelt werden. Zur Behandlung einer Quecksilbervergiftung – wenn zum Beispiel ein altes Fieberthermometer zerbrochen ist und man das Gift aufgenommen hat – wird eine Ausleitungstherapie durchgeführt. Betroffene bekommen dann vom Arzt ein Medikament, das Selen enthält.

Welche Alternativen gibt es zu Amalgam?

Eine Amalgamfüllung galt bisher für gesetzlich Krankenversicherte als einzige Kassenleistung für die Behandlung eines durch Karies geschädigten Zahnes. Künftig sind nun selbsthaftende Füllungen wie Glasionomerzemente zuzahlungsfrei, die ohne zusätzliche Klebemittel angebracht werden können. In Bayern waren zuletzt weniger als 0,5 Prozent aller Füllungen aus Amalgam. Schott: "Amalgam spielt gar keine Rolle mehr. Die Patienten wollen weiße Füllungen."

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen kritisierte, dass Glasionomerzemente nur wenige Jahre haltbar seien. Deshalb sei die neue Lösung eine Verschlechterung für Kassenpatienten. Sie würden künftig noch stärker gedrängt, in Zahnarztpraxen Zuzahlungen für eine höherwertige Versorgung zu leisten, so die Befürchtung. Zahnarzt Rüdiger Schott geht davon aus, dass auch Füllungen mit Glasionomerzement lange halten, "wenn sie ordentlich verarbeitet werden – aber vermutlich halten sie nicht so lange wie Amalgam". Langzeitstudien zur Haltbarkeit von Kunststoffen gebe es anders als beim Amalgam noch nicht.

Mit Informationen von dpa

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