Der 16-jährige Leo geht auf das Oskar-Maria-Graf-Gymnasium in Neufahrn bei München, eine von 15 Modellschulen in Bayern für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Dem Schüler Leo hilft KI zum Beispiel bei seinen Hausaufgaben. Für die Vorbereitung seines Referats benützt er die KI-Plattform Copilot von Microsoft, diese ist in die Suchmaschine Bing integriert. "Die KI sucht im Internet nach Informationen, die ich für mein Referat brauche", erklärt Leo. "Das vereinfacht natürlich vieles, wahrscheinlich macht es die KI besser als wir."
Modellversuch an Schulen: KI kann Lehrkräfte entlasten
Einer aktuellen Studie der Vodafone-Stiftung zufolge nutzt mehr als die Hälfte der 14- bis 20-Jährigen schon heute mehrmals im Monat KI für die Schule. Für Hausaufgaben, im Unterricht, und manchmal vielleicht auch zum Schummeln - zum Leidwesen der Lehrerinnen und Lehrer.
Am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium ist KI explizit erwünscht: Dort probieren Lehrerinnen und Lehrer Apps aus, sie überlegen sich Ideen für den Unterricht. Und sie testen, wie Künstliche Intelligenz das Lehrpersonal entlasten kann, etwa indem sie Texte korrigiert, Inhalte analysiert und über die Leistung der Schüler Rückmeldung gibt. Das probiert Lehrerin Beate Giehrl im Englischunterricht aus. Sie lässt beispielsweise ihre Schüler ein Lernspiel am Tablet nützen, das der Lehrerin anzeigt, wie gut jeder Einzelne dabei vorankommt. Beate Giehrl sieht darin "definitiv einen großen Vorteil, weil damit zum Teil aufwändige Heftkorrekturen wegfallen."
KI als geduldiger Assistent, der einem zur Seite steht
Die Künstliche Intelligenz wird am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium in Neufahrn nicht als Feind gesehen. Sie soll vielmehr ein Werkzeug sein, ein Helfer. Darin liegt eine der großen Chancen: KI kann Texte übersetzen und damit denen helfen, die noch nicht so gut Deutsch sprechen. Oder sie hilft denen, die sich keinen Nachhilfelehrer leisten können.
So kann die von der Technischen Universität München entwickelte KI namens PEER Texte analysieren und Feedback dazu geben: Sie kann feststellen, ob ein Text fehlerhafte Satzkonstruktionen enthält oder unklare Ausdrucksweisen, ob er gut strukturiert ist oder nicht, und ob das Thema ausführlich genug behandelt worden ist. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn auch PEER können Fehler unterlaufen, beispielsweise bei der Grammatik. Die abschließende Kontrolle durch Lehrkräfte wird die KI also nicht ersetzen.
Schummeln mit KI - Lehrkräften bereitet das Kopfzerbrechen
"Abiturienten schummeln mit KI" - solche Schlagzeilen hat es in letzter Zeit immer mal wieder gegeben. Zwar handelt es sich dabei bis jetzt nur um Einzelfälle. Trotzdem bereiten sie Lehrern Kopfzerbrechen. Deshalb testen weitere bayerische Modellschulen, wie Schülerinnen und Schüler KI bei Prüfungen legal einsetzen können. "Dafür müssen Prüfungen neu gedacht werden", sagt Nathali Jückstock-Kießling, Schulleiterin am Ohm-Gymnasium in Erlangen.
Bei herkömmlichen Schulaufgaben, bei denen Schüler innerhalb von einer oder anderthalb Stunden etwas auf Papier schreiben sollen, werde keine KI verwendet. "Aber in innovativen Prüfungsformaten, in denen die Prüfung zum Beispiel zwei Wochen dauert, bei der es eine Recherchephase gibt, eine Überarbeitungsphase und ein Feedback durch die Lehrkraft, da benutzen wir das natürlich", erklärt Nathali Jückstock-Kießling.
Bisher waren Hausaufgaben und Prüfungen am Ergebnis orientiert, jetzt geht es immer mehr um den Prozess, den kreativen Vorgang: Wie erarbeitet sich ein Schüler eine Lösung? Wie setzt er dabei KI ganz gezielt ein? Wie beherrscht er das "Prompts schreiben", also wie stellt er der KI die richtigen Fragen?
KI an der Schule: Noch viele ungeklärte Fragen
Für Lehrkräfte bietet KI ebenfalls neue Möglichkeiten zur Unterrichtsgestaltung: Dazu gibt es Infomaterial, Unterrichtsideen und Schulungen vom bayerischen Kultusministerium. Trotz alldem bewegen sich Lehrerinnen und Lehrer beim Thema KI immer noch auf unsicherem Gebiet, denn auf wichtige Fragen haben Politik und Gesellschaft insgesamt noch keine Antworten. Was ist zum Beispiel, wenn eine Schülerin oder ein Schüler der Datenschutzvereinbarung einer KI-Software nicht zustimmen will?
"Wenn wir uns ein bestimmtes Tool wünschen für den Unterricht, das datenschutzrechtlich so beschaffen ist, dass wir wirklich eine Einverständniserklärung von Eltern und Schülerinnen und Schülern benötigen, dann muss es dafür eine adäquate Alternative geben", fordert Schulleiterin Nathali Jückstock-Kießling. Aber was kann so eine Alternative sein? Solche Fragen können schnell dazu führen, dass sich einzelne Schülerinnen und Schüler von der Klasse abgehängt fühlen, und dass sie wichtige Kompetenzen im Umgang mit Computern nicht erlernen.
Schulleiterin Nathali Jückstock-Kießling will trotzdem lieber die Chancen von KI erkennen. Denn eines steht fest: Künstliche Intelligenz wird nicht mehr aus der Schule verschwinden.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!