Die Zahlen des jährlich erscheinenden Lancet Countdown Reports haben es in sich. Sie zeigen: Steigende Temperaturen und häufigere, länger anhaltende Hitzewellen sind weiterhin die größte Gefahr für die Gesundheit. So waren im Jahr 2022 Menschen weltweit durchschnittlich an 86 Tagen Temperaturen ausgesetzt, die gefährlich für die Gesundheit sind. Das entspricht etwa drei Monate im Jahr.
Schon bei einer globalen Erderwärmung von knapp zwei Grad Celsius könnte die Zahl der Hitzetoten bis 2050 um 370 Prozent steigen - also knapp um das Vierfache. Besonders gefährdet seien dabei ältere Menschen und Kinder, schreiben die Autoren und Autorinnen des "Lancet Countdown on health and climate change". 114 internationale Fachleute um Marina Romanello vom University College of London haben den Bericht im medizinischen Fachmagazin "The Lancet" veröffentlicht.
Hitzewellen: Auch für Deutschland das größte Problem
Der Bericht gibt nicht nur einen globalen Überblick über die Auswirkung des Klimawandels auf die Gesundheit. Er liefert auch Analysen zur Situation einzelner Länder. Für Deutschland gilt: Die Zwei-Grad-Celsius-Grenze ist mittlerweile fast erreicht. Das bedeute jedoch nicht, dass die Tagestemperatur einfach um zwei Grad höher sei, erklärt Hautärztin und Allergologin Claudia Traidl-Hoffmann. "Es bedeutet, dass die Hitzewellen mehr werden - was normalerweise einmal in zehn Jahren kommt, kommt gefühlt jetzt jedes Jahr."
Je länger eine Hitzewelle dauere, umso mehr Menschen würden erkranken und daran auch sterben. Die Leiterin der Abteilung für Umweltmedizin am Universitätsklinikum Augsburg kann das belegen. Um die 9.000 Menschen seien allein in Deutschland im vergangenen Jahr aufgrund der Hitze verstorben. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, denn Deutschland verfüge nicht über ein Hitzeregister. "Auf dem Todesschein steht zwar, der Mensch ist tot, aber nicht, wie die Temperatur gerade war und was die Todesursache ist, insofern ist diese Zahl niedrig gegriffen“, präzisiert die Expertin im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk.
Veränderte Ökosysteme - veränderte Krankheitserreger
Durch die steigenden Temperaturen verändern sich auch die Ökosysteme. Neben der Hitze ist dies eine weitere Gefahr für die Gesundheit. Wie das zusammenhängt, zeigt beispielsweise der immer früher einsetzende Pollenflug. "Wir haben mehr Pollen pro Tag, wir haben aggressivere Pollen, andere Pollen", sagt Traidl-Hoffmann. "Ich beobachte tagtäglich bei meinen Patienten, dass sie mehr leiden während der Pollensaison und ich sehe auch mehr Menschen mit Allergien."
Hinzu kommt die Verbreitung von vektorvermittelten Erkrankungen, die durch Mücken oder Zecken übertragen werden, wie beispielsweise Borreliose: Aufgrund anhaltend höherer Temperaturen bleiben Zecken länger aktiv, können sich stärker vermehren und erhöhen dadurch das Risiko einer Gehirnhauterkrankung. Außerdem erhöht auch das Eingreifen des Menschen in die letzten Wildtierreservate die Gefahr von Zoonosen.
Wie eng die Zusammenhänge zwischen Umweltverschmutzung, Infektionserkrankungen und Klimawandel sind, zeigt auch folgende wissenschaftlich erwiesene Tatsache: Menschen, die verstärkt unter Allergien leiden, sind auch anfälliger für Virusinfektionen wie beispielsweise Corona. Denn die Immunantwort falle bei hoher Luftverschmutzung schwächer aus, sagt Traidl-Hoffmann: "Pollen hemmen die Immunantwort der Schleimhaut."
Gesundheitssektor trägt stark zur Treibhausgas-Emission bei
Weil die Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit so dramatisch sind, fordern die Autoren des Lancet Reports auch eine Reform des Gesundheitssektors: "Der Lancet Report zeigt vor allem, dass wir sehr viel schneller an Gesundheit verlieren, als wir ursprünglich dachten", fasst Christian Schulz von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e. V.) zusammen. "Die Frage ist, wie können wir vor die Welle kommen? Wie können wir die Entwicklung drehen?" Für Schulz und für eine steigende Anzahl an Experten steht fest: Auch der Gesundheitssektor muss nachhaltiger werden, denn aktuell ist er global für fünf Prozent des CO₂-Ausstoßes verantwortlich.
Das bedeutet, auch die Krankenhäuser müssten so bald wie möglich auf regenerative Energien umstellen, über die Art der Abfallwirtschaft nachdenken, auf das Thema Mobilität und Logistik blicken, erklärt Claudia Traidl-Hoffmann: "Spannend ist, dass das meiste vor dem Krankenhaus passiert, durch die Art, wie die Waren zu uns kommen, wie die Menschen zur Arbeit kommen."
Experten: Im Kampf gegen den Klimawandel eine Chance erkennen
Wichtig sei es, nicht nur über die negativen Folgen des Klimawandels zu sprechen, schreiben die Autoren der Lancet Studie. Sondern auch über das, was die Gesellschaft an Lebensqualität gewinnen kann, wenn es gelingt, die Erderwärmung aufzuhalten. Jeder Einzelne könne dazu einen Beitrag leisten, etwa durch eine gesunde Ernährung oder mehr Bewegung, erklärt Claudia Traidl-Hoffmann: "Wir sollten einander Mut machen und das als Chance nutzen, gesünder zu leben und auch unseren Kindern eine gesündere Zukunft zu ermöglichen"
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