Atemprobleme, Müdigkeit, Muskelschmerzen und Herzrasen sind die Symptome, die derzeit vor allem mit dem sogenannten Long Covid-Syndrom in Verbindung gebracht werden. Die sichere Diagnose für Long Covid beziehungsweise Post Covid zu stellen, fällt aber selbst Spezialisten auch fast vier Jahre nach Pandemiebeginn noch schwer. Immer noch sind keine eindeutigen körperlichen Merkmale, sogenannte Biomarker, bekannt, anhand derer sich die Erkrankung eindeutig feststellen lässt.
Als Long Covid werden Krankheitssymptome bezeichnet, die nach einer akuten Infektion auch nach mehr als vier Wochen noch nicht abgeklungen sind. Post Covid nennt man Beschwerden, die sogar mehr als drei Monate nach der Erkrankung noch immer bestehen oder neu auftreten, mindestens zwei Monate anhalten und anderweitig nicht erklärbar sind. Eine wesentlich genauere Definition von Long Covid und Post Covid gibt es derzeit nicht. Beide Bezeichnungen werden zudem häufig synonym verwendet.
Sollten sich aber die Studienergebnisse von Christoph Schmaderer, Oberarzt und Nephrologe im Universitätsklinikum der Technischen Universität München (TUM) und Leiter der jetzt veröffentlichten Studie, in der Praxis anwenden lassen, wäre eine sichere Diagnose künftig mittels einer einfachen Augenuntersuchung möglich. Denn er und sein Team haben festgestellt: Bei Menschen, die unter den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion leiden, treten bei den Äderchen im Auge bestimmte Veränderungen auf.
Wie die Forscher Long Covid am Auge erkannt haben
Das Team um Schmaderer fand bei seinen Untersuchungen heraus, "dass bei Patienten mit Long Covid die kleinen Arterien schmaler sind. Das Gegenteil ist bei den Venolen, [den kleinen Venen, Anm. der Redaktion], der Fall, die sind eher breiter bei Personen mit Post Covid", erklärt Schmaderer im BR-Interview. Um diesen Unterschied im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe erkennen zu können, machte das Münchner Forscher-Team Bilder vom Augenhintergrund der Studienteilnehmer. So konnten die Mediziner den Durchmesser der Gefäße bestimmen und die Unterschiede feststellen.
In einer zweiten Untersuchung maßen die Forscher die Augen der Studienteilnehmer per Videoaufzeichnung und stimulierten sie mit "Flickerlicht", wie Schmaderer erklärt. Beim Vergleich mit den Augen gesunder Patienten stellten die Mediziner fest: Das Erweitern der Blutgefäße, das normalerweise auftritt, wenn man einem gesunden Menschen mit flackerndem Licht ins Auge leuchtet, fiel bei Menschen mit Long Covid deutlich geringer aus.
Forscherin: "Kleines Puzzleteilchen" bei Erforschung von Long Covid
Für Covid-Forscherin Jördis Frommhold, die deutschlandweit das erste Long Covid-Institut gegründet hat, sind die Ergebnisse der Studie "auf jeden Fall [...] ein Puzzleteilchen in der weiteren Entwicklung und Erforschung von Long Covid." Angesichts der geringen Zahl der untersuchten Long Covid-Patienten in der Studie - nur 41 Patienten mit Langzeitfolgen einer Corona-Infektion hat das Team um Schmaderer für seine Arbeit analysiert - gibt sie aber zu bedenken: "Es kann natürlich auch sein, dass wir einen Long Covid-Patienten haben, der diese Veränderungen nicht aufweist und trotzdem Long Covid hat. Aber ich denke, es ist ein wichtiger Schritt für die weitere Erforschung und die notwendige Diagnostik."
Dass weitere Studien folgen müssen, sehen auch die Forscher der TUM so. Aber: "Ich bin zuversichtlich, dass auf Grundlage unserer Ergebnisse ein Werkzeug entwickelt werden kann, um Long Covid sicher zu diagnostizieren“, wird Christoph Schmaderer in der Pressemitteilung der TUM zur Studie zitiert.
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