Der moderne Mensch wird ziemlich spät flügge. Die fruchtbaren Jahre sind lang – und wir werden rund doppelt so alt wie Menschenaffen: Homo sapiens lässt sich also viel Zeit. Doch wie genau wir Schritt für Schritt zu dem wurden, was wir sind – seit sich unsere Abstammungslinie von der des Schimpansen getrennt hat – das ist nach wie vor nicht vollständig geklärt.
Errungenschaften des Menschen: Zweibeinigkeit und großes Gehirn
"Grob gesagt: vor sieben Millionen Jahren die Zweibeinigkeit, vor etwa einer halben Million Jahre das wirklich große Gehirn. Aber es ist nicht klar, wann die verlängerte Kindheit entstanden ist. Und genau darum geht es in unserer Arbeit", erklärt Christoph Zollikofer, emeritierter Professor für Paläoanthropologie an der Universität Zürich. Er konnte jetzt zeigen: Zuerst ist die verlängerte Kindheit entstanden und erst dann das vergrößerte Gehirn – nicht umgekehrt.
Fossile Zähne zeigen die Entwicklungsgeschichte
Dazu haben Zollikofer und sein Team sehr alte menschliche Fossilien aus dem heutigen Georgien untersucht, auch die Zähne eines Jugendlichen: ein früher Vertreter der Gattung Homo mit einem noch recht kleinen Gehirn: "Natürlich schneiden wir fossile Zähne nicht auf, die sind viel zu wertvoll. Wir brauchen dazu ein 3D Röntgenmikroskop, das sogenannte Synchrotron. Und mit diesem Instrument ist es uns gelungen, die gesamte Entwicklungsgeschichte der Zähne, von der Geburt bis zum Tod mit etwa elfeinhalb Jahren, genauestens zu dokumentieren."
Längere Kindheit bei Menschen: Gehirn kann länger lernen
Das in den Zähnen konservierte Wachstumsmuster zeigt klar, dass die Kindheit vor rund zwei Millionen Jahren bereits ähnlich lang war wie heute. Und das war für Homo sapiens ein großer evolutionärer Vorteil: Denn so hat menschliche Gehirn mehr Zeit zu reifen – und kann länger lernen.
Erkenntnisse aus 18 Jahren Forschung
Das Forschungsprojekt begann bereits 2005 und zog sich über fast zwei Jahrzehnte. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass der untersuchte Hominide das Erwachsenenalter mit einer Zahnentwicklung erreichte, die für seine Zeit ungewöhnlich war. Die Molaren (mehrwurzelige Zähne im hinteren Bereich des Kiefers) wuchsen langsamer als die Schneidezähne, ein Merkmal, das auch bei heutigen Menschen beobachtet wird. Diese Ähnlichkeit deutet darauf hin, dass die frühen Hominiden-Kinder ihre Milchzähne länger nutzten und somit länger von der Unterstützung durch Erwachsene abhängig waren.
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