Es ist zunächst mal eine gute Nachricht, die der “Handelsverband Deutschland” vor kurzem veröffentlicht hat: Wir Deutschen verbrauchen immer weniger Plastiktüten. Gerade einmal 24 waren es letztes Jahr noch pro Kopf, und damit sechs weniger als im Jahr 2017 und 21 weniger als im Jahr 2016. Nicht mitgerechnet sind dabei die dünnen Beutel für Obst und dicke Mehrwegtaschen aus Plastik. In Supermärkten und anderen Geschäften setzen sich immer mehr Stoffbeutel und Papiertüten durch. Dabei zeigt sich gerade bei den Papiertüten, dass sie keine gute Alternative sind.
Pseudo-ökologischer Anschein der Papiertüte
Sie sind braun und sehen dadurch “öko” aus, meistens steht noch ein flotter Spruch drauf: “Der Umwelt zuliebe” zum Beispiel. Wer den Einkauf in einer Papiertüte nach Hause trägt, hat das Gefühl, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Doch der einzig sinnvolle Spruch auch auf einer Papiertüte ist: "Geht es nicht vielleicht auch ohne mich?"
Denn der Öko-Schein an der Supermarktkasse trügt, sagt die Ressourcen-Expertin Katharina Istel vom Naturschutzbund Deutschland:
"Was schade ist, ist halt tatsächlich, dass es jetzt immer so ein Schwarz-weiß-Denken gibt, und immer nur gut und böse, und Kunststoff ist böse, und Papier ist gut. Und das entspricht tatsächlich nicht den Ökobilanzen." Katharina Istel, Naturschutzbund Deutschland
Dänische und Britische Umweltbehörden sowie ein Schweizer Labor für Materialforschung haben die verschiedenen Tüten aus Baumwolle, Plastik und Papier miteinander verglichen. Und sie alle stellen der Papiertüte ein schlechtes Zeugnis aus.
Papiertüten werden aus frisch gewonnenem Holz gemacht
Angefangen beim Rohstoff: Auch wenn die Papiertüten braun sind, sind sie meist nicht recycelt. Sie bestehen in der Regel nicht aus Altpapier, sondern aus neuen Holzfasern. Denn, erklärt Katharina Istel, die Reißfestigkeit der Altpapierfasern reicht nicht aus. Daher werden die meisten Papiertüten aus frischen, neuen Holzfasern hergestellt.
Knapp 70 Millionen Kubikmetern Holz werden in Deutschland jedes Jahr geerntet. Davon gehen rund sechs Millionen in die Papierproduktion. Dazu kommt Import-Holz, vor allem aus Skandinavien und Brasilien. Jeder von uns verwendet laut dem Waldbericht der Bundesregierung rund 250 Kilogramm Papier im Jahr, damit gehören wir weltweit zu den Spitzenreitern.
"Man muss sich natürlich vorstellen, dass dann das Holz, was für diese Tüten genutzt wird, nicht aus einem romantischen Wald kommt, sondern aus einem knallharten Industrieforst, wo auch sonst nichts wächst. Und es ist aber vor allem auch das Problem, dass die Papierproduktion enorme Energiemengen benötigt. Der Energie- und Wasserverbrauch ist extrem hoch, und deswegen hat es auch einen Grund gehabt, warum man vor ein paar Jahrzehnten wirklich zum Papiersparen aufgerufen hat. Und man hat das Gefühl, das wird gerade ein bisschen vergessen." Katharina Istel, Naturschutzbund Deutschland
Laut Umwelt-Bundesamt braucht es etwa genauso viel Energie, um eine Tonne Papier aus Frischfasern herzustellen wie für eine Tonne Primärstahl. Um die Zellulose-Fasern aus dem Holz herauszutrennen, muss es stundenlang gekocht werden. Dann wird gewaschen, gebleicht, gepresst und getrocknet.
Wichtiger bei der Tütenwahl: Recycling
Die Studien aus Dänemark, Großbritannien und der Schweiz zeigen, dass unter dem Strich die Plastiktüte aus Recycling-Granulat ökologisch am besten abschneidet. Je nach Studie müsste man die Papiertüte mindestens drei bis sieben Mal wiederverwenden, damit sie an die nur einmal benutzte Plastiktüte rankommt.
Für Länder, in denen wenig Plastik recycelt und viel Müll in der Umwelt und im Meer landet, wäre die Papiertüte eine gute Alternative. Sie zersetzt sich schnell. Aber bei uns ist die vermeintliche Öko-Tüte nicht sinnvoll.
Je öfter, je lieber
Die beste Ökobilanz bekommt die Tragehilfe, die am häufigsten verwendet wird. Auch eine Baumwolltasche ist nicht von Haus aus ökologischer als eine Plastik- oder Papiertüte. Denn auch Baumwolle verschlingt Unmengen an Ressourcen wie Wasser. Der große Vorteil aber ist: Die Baumwolltasche können Sie immer wieder verwenden. Und etwa ab dem hundertsten Mal wird sie dann zur wirklich guten Alternative.
Ungeschlagen ist natürlich immer noch der eigene Rucksack ...
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