Wie kann man diese Ängste behandeln, sodass sie nicht mehr unseren Alltag beeinträchtigen, wir also zum Beispiel trotzdem in unserem Bett schlafen können, obwohl sich im selben Zimmer eine Spinne befindet? Oder wir doch auf einen Aussichtsturm steigen können, ohne in Panik zu geraten?
Eine Untersuchung mit Versuchsteilnehmerinnen- und Teilnehmern der Ruhr-Universität in Bochum zeigt nun, dass mit einer bestimmen Behandlung offenbar nicht nur eine spezifische Angst, sondern gleich mehrere verschiedene Ängste gleichzeitig behandelt werden können.
Versuchsteilnehmer mit Phobien vor Spinnen und Höhen
Ein Terrarium mit einer braunen Spinne darin. Eine Hauswinkelspinne - für Menschen ungiftig, aber mit ihren langen, kräftigen Beinen einigermaßen einschüchternd. Ihr mussten sich die Versuchsteilnehmer nähern, in 13 Stufen. Von: nur das Zimmer betreten bis – zumindest theoretisch: die Spinne mit der bloßen Hand anfassen.
Zweiter Versuch: ein Kirchturm. Erste Stufe: von außen anschauen. 13. Stufe: ganz hinauf bis auf die freistehende Wendeltreppe. Die Teilnehmer, die allesamt Spinnen- und Höhenangst hatten, mussten sich beiden Versuchen stellen.
Training für alle nur gegen Spinnenangst
Eine Woche später bekam die Hälfte ein kurzes Anti-Spinnenangst-Training. Iris Kodzaga, Psychologin an der Ruhr-Universität Bochum.
"Zum Beispiel die Spinne mit einem mit einem Stift von hinten berühren, damit man so die Bewegung der Spinne dirigiert und dann mit dem dicken Handschuh zum dünnen Handschuh. Was man dann schließlich auch die Spinne ohne den Handschuh anfassen konnte." Iris Kodzaga, Psychologin
Nach diesem einen Training von zwei Stunden Dauer war die Angst vor Spinnen messbar geringer als in der anderen Gruppe, die kein Training gemacht hatte. Vor allem trauten sich die Teilnehmer im Schnitt vier Stufen näher an die Spinne heran.
Verbesserungen auch bei Höhenangst
Und: sie gingen auch höher den Turm hinauf. Immerhin zweieinhalb Höhen-Stufen im Schnitt. Ohne Turm-Training. Zwei Erklärungen kommen dafür in Frage, sagt Iris Kodzaga.
Erstens: Das Bedrohungsszenario der Höhe wird mit der Spinnenangst gleich mit behandelt. Und weiter: "Durch diese Exposition mit Spinnen kann es sein, dass es womöglich auch zu einer Veränderung solcher bedrohungsbezogenen Überzeugungen kommt, die dann aber eben auch für die Höhenangst relevant sind und die sich dann auch auf die Höhenangst übertragen haben."
Zweite Möglichkeit: das Erfolgserlebnis, das Spinnentraining bewältigt zu haben. Die gewonnene Selbstsicherheit wird dann auch auf das Höhenexperiment übertragen. Möglicherweise, meint Kodzaga, könnte die Erkenntnis Angsttherapien in Zukunft deutlich vereinfachen, weil nicht mehr alle Phobien behandelt werden müssen, sondern nur noch eine.
Angststörungen weit verbreitet
Angststörungen, zu denen Phobien zählen, sind die am häufigsten vorkommende psychische Erkrankung - ungefähr ein Viertel der Bevölkerung wird in seinem Leben unter einer Angststörung leiden, heißt es in einem Bericht der Max-Planck-Gesellschaft für Psychiatrie in München.
Frauen seien doppelt so häufig betroffen wie Männer. Dabei sei die spezifische Phobie, also die Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer Situation, die häufigste Störung. Zum Beispiel relativ weit verbreitet ist die Angst vor Spinnen, genannt Arachnophobie. Etwa 30 Prozent aller Menschen leiden daran (Mental Health Survey Daten, 2016). Aber auch andere Phobien, wie die Angst vor engen Räumen oder Höhenangst sind weit verbreitet.
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