Die USA und Großbritannien haben die Huthi-Miliz im Jemen angegriffen. Dies sei eine "klare Botschaft", dass die USA und ihre Partner Attacken auf ihre Bürger und eine Gefährdung der freien Schifffahrt auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt nicht tolerieren würden, erklärte US-Präsident Joe Biden in einer schriftlichen Stellungnahme. Er werde nicht zögern, wenn nötig weitere Maßnahmen anzuordnen.
Erklärung: Angriff im Einklang mit der UN-Charta
Unterstützt wurden die Angriffe den Angaben nach von Australien, Bahrain, Kanada und den Niederlanden. Der Militärschlag gegen die Rebellen ist laut einer gemeinsamen Erklärung im Einklang mit der UN-Charta erfolgt. Er sei eine Reaktion auf die "illegalen, gefährlichen und destabilisierenden" Angriffe der Huthi auf Schiffe im Roten Meer und beruhe auf dem Recht der Selbstverteidigung, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
Die USA und Großbritannien hatten mithilfe der Niederlande, Kanadas und Bahrains Huthi-Stellungen attackiert. "Mit diesen Präzisionsangriffen sollten die Möglichkeiten der Huthi, den Welthandel und das Leben internationaler Seeleute auf einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt zu bedrohen, gestört und geschwächt werden", heißt es weiter. Die Angriffe hätten sich auf jene Stellungen konzentriert, die für die Rebellen bei ihren Angriffen auf Handelsschiffe von besonderer Bedeutung seien, weil sie dort etwa Raketen, Radartechnik oder Drohnen lagerten. Die mehr als zwei Dutzend Angriffe der Huthi auf Handelsschiffe seit Mitte November seien eine "internationale Herausforderung".
Ziel: Wiederherstellung der Stabilität im Roten Meer
Gemeinsames Ziel bleibe die Deeskalation und die Wiederherstellung der Stabilität im Roten Meer. Bei fortgesetzten Bedrohungen werde man "nicht zögern, Menschenleben zu verteidigen und den freien Fluss des Handels in einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt zu schützen".
Großbritanniens Premier Rishi Sunak erklärte, die genauen Ergebnisse würden noch ausgewertet. Erste Anzeichen deuteten aber darauf hin, dass die Fähigkeit der Huthi, die Handelsschifffahrt zu bedrohen, einen Rückschlag erlitten habe.
Die Nato stellte sich hinter die Luftangriffe. "Diese Angriffe waren defensiv und dienten dazu, die Freiheit der Schifffahrt auf einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt zu erhalten", erklärte Nato-Sprecher Dylan White in Brüssel.
Ein Huthi-Vertreter kündigte im Fernsehen Rache für den Militärschlag an: "Amerika und Großbritannien werden bereit sein müssen, einen hohen Preis zu zahlen", sagte er. Der Jemen sei einem "massiven aggressiven Angriff amerikanischer und britischer Schiffe, U-Boote und Kampfflugzeuge ausgesetzt gewesen".
Kritik aus Teheran, Bagdad, Jordanien und der Türkei
Der Iran verurteilte die Angriffe auf Stellungen der schiitischen Miliz im Jemen. Es seien mehrere Städte im Jemen angegriffen worden, sagt der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, dem Nachrichtenportal Nournews zufolge. "Wir werten das als klare Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität des Jemens sowie als Verstoß gegen internationale Gesetze, Vorschriften und Rechte."
Kritik kam auch aus dem Irak. Ein Berater von Regierungschef Al-Sudani sagte: "Der Westen begeht eine weitere Dummheit, indem er den Konflikt und die Spannungen in der Region weiter schürt, während er zu Deeskalation aufruft und andere zur Selbstbeherrschung auffordert", postete Fadi Al-Shammari auf X (ehemals Twitter).
Jordaniens Außenminister Aiman Safadi sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Petra, sein Land verfolge mit Sorge die Entwicklungen im Roten Meer. Israel treibe die gesamte Region mit seiner "mutwilligen Aggression" in weitere Kriege und Konflikte.
Der Oman warnte "als Folge der anhaltenden israelischen Aggression gegen die besetzten palästinensischen Gebiete" zum wiederholten Mal vor einer Ausweitung des Krieges auf die Region, wie es in einer Erklärung des Außenministeriums in Maskat hieß. Das Sultanat verurteile "den militärischen Akt" der Verbündeten, "während Israel seinen brutalen Krieg, ohne Verantwortung tragen zu müssen, weiterführt."
Auch Saudi-Arabien äußerte sich besorgt. Das Königreich rief zur Deeskalation auf, wie die staatliche Nachrichtenagentur SPA berichtete. Es sei wichtig, die Sicherheit und Stabilität in der Region des Roten Meeres zu wahren. Dazu zähle auch eine freie Schifffahrt. Gleichzeitig rief das Königreich zu Zurückhaltung auf.
USA wollen Eskalation vermeiden
Stunden nach den Bombardement haben die Vereinigten Staaten versichert, dass sie nicht auf einen bewaffneten Konflikt mit Teheran zusteuern wollen. "Wir suchen nicht den Konflikt mit dem Iran. Wir suchen nicht die Eskalation", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, dem Fernsehsender MSNBC. Kirby fügte hinzu, dass es "keinen Grund" für eine weitere Eskalation der Lage über die Entwicklungen der "vergangenen wenigen Tage hinaus" gebe. Die schiitischen Huthi-Rebellen werden von Teheran unterstützt.
Scharfe Kritik auch aus Ankara und aus Moskau
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnet die Luftangriffe von Großbritannien und den USA als unverhältnismäßig. Die beiden Länder versuchten, das Rote Meer in ein "Meer aus Blut" zu verwandeln, sagt Erdoğan nach den Freitagsgebeten in Istanbul. Er habe von unterschiedlichen Quellen gehört, dass die Rebellen sich erfolgreich gegen die Angriffe zur Wehr setzten.
Auch das russische Außenministerium verurteilte die Luftangriffe. Sie seien eine völlige Missachtung internationalen Rechts, schrieb Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa auf Telegram. Die angelsächsischen Länder ließen die Lage in der Region "um ihrer zerstörerischen Ziele willen" eskalieren. Russland beantragte wegen der Angriffe für Freitag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Diese soll noch heute stattfinden.
Die Bundesregierung ist nach dem Militärschlag weiterhin bereit, sich an einem Einsatz zur Sicherung der Handelsrouten im Roten Meer zu beteiligen. Das sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Dies sei die "präferierte Option". Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, es gebe noch keine politische Entscheidung auf ein konkretes Mandat. Deswegen wolle er nicht spekulieren, wie sich die Bundeswehr daran beteiligen könne.
EU plant eigenen Militäreinsatz im Roten Meer
Die Außenminister der EU-Staaten sollen bei einem Treffen am 22. Januar über eine mögliche Beteiligung der EU an der US-Initiative zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer beraten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat der Auswärtige Dienst der EU erste Vorschläge für den Start eines neuen gemeinsamen europäischen Militäreinsatzes erarbeitet. Sie sehen unter anderem die Entsendung von Kriegsschiffen und luftgestützten Frühwarnsystemen in das Konfliktgebiet vor. Letztere könnten zum Beispiel Aufklärungsflugzeuge sein. Ob bei dem Außenministertreffen bereits eine politische Grundsatzentscheidung für den Einsatz getroffen werden kann, war am Freitag unklar.
Vor dem Hintergrund stiegen die Ölpreise am Freitag kräftig. Der Militärschlag gegen die Huthi-Rebellen habe die Sorge vor einer Eskalation der Lage im Nahen Osten verstärkt, hieß es von Marktbeobachtern. Dabei ist der Preis für Rohöl der Sorte Brent erstmals seit Ende Dezember wieder über die Marke von 80 Dollar je Barrel (159 Liter) gestiegen – es kostete gegen Mittag 80,43 US-Dollar. Das waren 3,02 Dollar mehr als am Donnerstag. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Lieferung im Februar stieg um 2,94 Dollar auf 74,96 Dollar.
Die Huthi-Rebellen werden – wie die Hisbollah-Miliz im Libanon – vom Iran unterstützt. Seit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas greifen sie immer wieder im Roten Meer Schiffe mit angeblichen Verbindungen zu Israel an. Auch Israel selbst wurde von den Rebellen immer wieder mit Raketen und Drohnen angegriffen. Eine Reaktion der USA und ihrer Verbündeten hatte sich zuletzt immer stärker angedeutet.
Lieferprobleme bei Tesla – Werk Grünheide steht still
Denn auch mehrere große Reedereien meiden die Route durch den Suezkanal inzwischen. Sie lassen ihre Schiffe stattdessen um Südafrika herumfahren - was die Fahrtzeit um einige Tage verlängert und teils zu Lieferschwierigkeiten führt. Etwa zehn Prozent des gesamten Welthandels laufen über das Rote Meer. Der Elektrobauer Tesla etwa hatte am Donnerstag angekündigt, seine Produktion im Werk Grünheide bei Berlin für rund zwei Wochen größtenteils stillzulegen. Da sich die Transportwege verschieben, sei eine Lücke in den Lieferketten entstanden, hieß es.
Und es entstehen zusätzliche Kosten: Die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Schiffe verursachen bei der Reederei Hapag-Lloyd nach Firmenangaben monatliche Mehrkosten im hohen zweistelligen Millionenbereich. "Es beeinflusst die gesamte Branche und auch uns selbst auf signifikante Weise", sagte ein Konzernsprecher den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die internationalen Militärschläge unter Führung der USA und Großbritanniens gegen Stellungen der Huthi-Rebellen bewertete der Sprecher nicht: "Aber wir begrüßen Maßnahmen, die die Durchfahrt durch das Rote Meer wieder sicher machen."
Der deutsche Einzelhandel rechnet wegen des Huthi-Konfliktes allerdings nicht mit größeren Engpässen. Unternehmen hätten ihre Lieferketten breiter aufgestellt. "Dazu gehören verschiedene Beschaffungsgebiete, eine erhöhte Lagerhaltung oder auch Alternativprodukte für den Bedarf", sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland. Langfristig sei davon auszugehen, "dass Versorgungswege stabiler gestaltet werden und entsprechende Puffer sowie Ausweichstrategien ausgebaut werden".
Mit Informationen von dpa, Reuters
Im Video: USA und Großbritannien greifen Huthi-Stellungen im Jemen an
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