Kinderlähmung, auch bekannt als Poliomyelitis oder Polio, ist eine ernsthafte Virusinfektion, die sowohl Kinder als auch Erwachsene betrifft. Das Virus wird durch Schmierinfektionen, insbesondere über Stuhl, übertragen und kann bei schlechter Hygiene leicht verbreitet werden. Gelangen Polio-Viren in den Körper, vermehren sie sich zunächst im Magen-Darm-Trakt. Über den Blutkreislauf können sie das zentrale Nervensystem erreichen und schwere Schäden verursachen. Die Erkrankung kann Lähmungen an Armen, Beinen oder der Atemmuskulatur auslösen, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen. Die einzige Möglichkeit, sich vor dieser gefährlichen Krankheit zu schützen, ist eine Polio-Impfung.
Polio-Impfstoffe: IPV und OPV
Zwei verschiedene Impfstoffarten stehen gegen Polio zur Verfügung: der Totimpfstoff (IPV) und der Lebendimpfstoff (OPV). Beide haben ihre Vor- und Nachteile.
IPV (Totimpfstoff): Dieser Impfstoff wird per Injektion verabreicht und fördert die Bildung schützender Antikörper gegen das Polio-Virus. IPV bietet einen sicheren Schutz vor Krankheitssymptomen. Allerdings können Geimpfte weiterhin Überträger des Virus sein, da es bei einer meist symptomlosen Infektion über den Stuhl ausgeschieden wird.
OPV (Lebendimpfstoff): Die Schluckimpfung mit OPV enthält abgeschwächte Viren. Dieser Impfstoff ist kostengünstig, leicht anwendbar und wird vor allem in Ländern mit begrenzten Ressourcen eingesetzt. Geimpfte scheiden die abgeschwächten Viren einige Wochen über den Stuhl aus, die in seltenen Fällen mutieren und Erkrankungen auslösen können. Diese Impfstoff-abgeleiteten Viren (cVDPV) stellen ein Risiko in Gebieten mit niedrigen Impfquoten dar.
Wie kann sich Polio über das Abwasser verbreiten?
Polio-Viren können sich über das Abwasser verbreiten. Infizierte Personen scheiden das Virus aus, unabhängig davon, ob sie nach einer Infektion den Wildtyp des Polio-Virus oder nach einer OPV-Impfung Viren im Körper tragen. Eine Gefährdung ergibt sich insbesondere durch kontaminiertes Wasser oder Schmierinfektionen. In Städten wie München, Bonn, Köln oder Hamburg wurden Polioviren im Abwasser festgestellt. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) stammen die nachgewiesenen Viren von OPV-Impfungen, die in anderen Ländern durchgeführt wurden. Wenn der Erreger anhaltend zirkuliert, seien einzelne Erkrankungen bei Menschen ohne ausreichenden Impfschutz möglich, so das RKI. Die Wahrscheinlichkeit sei aber aufgrund der Impfquoten von bundesweit 90 Prozent und guten Hygienebedingungen in Deutschland gering.
Besorgniserregende Lücken beim Polio-Impfschutz
Eine stabile und hohe Impfquote ist essenziell, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. In vielen Ländern, darunter Deutschland, sinkt die Impfbereitschaft, weil Polio hier seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten ist. Dieses trügerische Sicherheitsgefühl führt dazu, dass Eltern ihre Kinder seltener impfen lassen, was Impflücken entstehen lässt. Laut Epidemiologischem Bulletin des RKI (externer Link) waren mehr als eine halbe Million Kinder eines Geburtsjahrgangs bis zum Alter von zwölf Monaten nicht ausreichend gegen Polio geimpft. Die Ständige Impfkommission (STIKO) rät dringend, den Impfstatus von Kindern zu überprüfen und fehlende Impfungen schnell nachzuholen, um den Schutz gerade in dieser gefährdeten Altersgruppe zu gewährleisten.
Polio in Deutschland: Fortschritte und Herausforderungen
In Deutschland wurde seit 1992 kein Fall von Kinderlähmung mehr registriert. Die Umstellung von der Schluckimpfung mit OPV auf den sicheren Totimpfstoff IPV hat dazu beigetragen, impfstoffbedingte Ausbrüche zu verhindern. Seit 1998 ist die Polio-Impfung Bestandteil der routinemäßigen Kombinationsimpfungen, die bei Kleinkindern durchgeführt werden.
Impfschutz als Gemeinschaftsaufgabe
Der Kampf gegen Polio ist noch nicht gewonnen. Um die Krankheit endgültig auszurotten, müssen Impfquoten bei 95 Prozent gehalten werden. Die Polio-Impfung ist nicht nur ein Schutz für den Einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft. Trotz großer Fortschritte ist Polio noch nicht vollständig ausgerottet. Eine hohe Impfquote bleibt entscheidend für die endgültige Ausrottung des Virus.
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