Die Vorstellung, ein Insekt zu verspeisen, löst bei Vielen hierzulande vielleicht noch Ekel aus. In südostasiatischen Ländern dagegen ist es ziemlich normal. Eine gegrillte Grille beispielsweise schmeckt ein bisschen wie eine kleine Garnele, die man vergessen hat zu schälen. Knusprig. Nussig. Kaum Eigengeschmack. Nicht, dass man davon satt würde, aber darum geht es auch nicht. Es könnte als Ergänzung dienen. Es geht auch nicht um ganze Tierchen, sondern um verarbeitete - als Mehl beispielsweise. Das wiederum kann man in anderen Nahrungsmitteln verwenden.
Insekten als Zukunftsprodukt
Insekten sind Gliederfüßer. Genauso wie Hummer, Garnelen oder Krebse. Während die teuer verkauft werden, haben wir mit Insekten so unsere Probleme. Dabei stecken in ihnen unglaublich wichtige Nährstoffe. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wies bereits 2013 in einem Bericht Insekten als Zukunftsprodukt aus. Denn die Weltbevölkerung steigt und mit ihr die Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Im Januar 2018 wurde eine neue Novel Foods-Verordnung der EU verabschiedet, die es seitdem deutlich einfacher macht, bei uns Insekten zu verkaufen.
Vormarsch bei Sportlern
Und auf diesen Zug sind mittlerweile schon einige StartUps in Deutschland aufgesprungen. Gerade im Fitness-Bereich finden sich verschiedene Anbieter von Energieriegeln oder Eiweiß-Shakes, denen Insekten - meist pulverisiert - zugesetzt werden. Denn Insekten sind nicht nur reich an hochwertigen Proteinen, sondern auch an Vitaminen und Mineralstoffen wie Magnesium oder Eisen. Perfekt für den Sportler.
Zucht in der EU
Bisher wurden die Insekten hauptsächlich aus anderen Ländern importiert, eine Zucht und ein Verkauf in Deutschland muss mit dem zuständigen Veterinäramt abgestimmt werden. Das ist in manchen Bundesländern einfacher als in anderen, da es zwar eine EU-weite Regelung gibt, die offizielle Listung als Nahrungsmittel noch aussteht. Damit hatte man eigentlich im Juni gerechnet, aber auch hier bringt das neuartige Coronavirus alles durcheinander. Bis dahin gilt eine Übergangsregelung.
Bio-Grillen aus Bremen
An die halten sich gerade auch Agraringenieur Florian Behrendt und seine Mitstreiterin Melanie Christians. Sie wollen in Bremen eine Insektenzucht aus Grillen aufbauen - und zwar ganz Bio. Denn an die Grillen werden ab Sommer ausschließlich Reste aus Bio-Produktionen von Gemüse oder Altbackwaren verfüttert. Sie leben bei 30 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit, da fühlen sie sich wohl. Die Männchen zirpen, um Weibchen anzulocken, die dann Eier legen. Die erwachsenen Tiere werden dann eingefroren.
“Jedes Tier, das man essen will, muss dementsprechend getötet werden. Die EU sieht zwei Methoden vor bei Insekten, um diese zu töten: Das Eine ist das Brühen wie bei Hummern oder Krabben. Das finde ich persönlich nicht ganz so charmant. Und die andere Möglichkeit ist ganz einfach das Gefrieren. Das ist das, was meiner Meinung nach und der Meinung vieler Wissenschaftler dem natürlichen Tod der Insekten definitiv am nächsten kommt, weil Insekten ja Kaltblüter sind, d.h. wenn die Umgebungstemperatur unter ein gewisses Minimum fällt, dann fallen sie einfach in eine Schockstarre und wachen aus dieser nicht mehr auf.” Insektenzüchter Florian Behrendt
Umweltschonend und nachhaltig
Dann werden sie zu Mehl verarbeitet, das Kuchen oder Brot untergemischt werden kann. Einen weiteren Vorteil sieht Behrendt bei der hohen Verwertung: Bei Insekten verwertet man bis zu 100 Prozent - je nach Insektenart. Bei Rindern, Schweinen oder Geflügel sind es nur um die 60 Prozent. Schließlich werden Haut, Fell oder Federn und Knochen kaum mitgegessen. Noch klimafreundlicher wird es, wenn man sich den CO2-Ausstoß anschaut: Der liegt nämlich gerade mal bei einem Prozent von der Menge, die beispielsweise bei der Rindfleischproduktion anfällt. Und natürlich brauchen Insekten auch viel weniger Platz, Futter und Wasser.
Als Mehl untergemischt erkennt man weder kleine Fühler noch Beinchen. Der Ekelfaktor nimmt hier also kräftig ab. Und mit der wachsenden Weltbevölkerung wird es Zeit, dass wir uns nach nahrhaften und nachhaltigen Alternativen umsehen.
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