Schüler und Lehrer aus Unterfranken am Probenturm.
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Schüler und Lehrer aus Unterfranken am Probenturm.

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Schüler forschen am tiefsten Bohrloch der Welt

Die Kontinentale Tiefbohrung in Windischeschenbach in der Oberpfalz ist das weltweit tiefste noch offene Bohrloch. Realschüler aus Dettelbach in Unterfranken durften dort nun erstmals eigene Messungen und Experimente durchführen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

"120 Grad Celsius und 400 bar Druck herrschen da unten", erklärt der 15-jährige Sebastian Volbers die Verhältnisse vier Kilometer tief unter ihm in der Erdkruste. Dort hinunter wollen er und sieben seiner Klassenkameraden eine ganze Reihe Messinstrumente schicken und Experimente mit Eiern, Kartoffeln und Bärtierchen machen. Dafür sind die Realschüler aus Dettelbach im unterfränkischen Landkreis Kitzingen in die Oberpfalz gereist: zur sogenannten "Kontinentalen Tiefbohrung" - kurz KTB - in Windischeschenbach im Landkreis Neustadt an der Waldnaab.

Schüler fungieren als Ingenieure und Elektrotechniker

Monatelang hat die Projektgruppe Vorbereitungen getroffen, theoretische, praktische und organisatorische Grundlagen gelegt. In einem der Büros und Labore neben der Bohrung treffen die acht Schüler letzte Vorbereitungen. Sie sind in zwei Teams aufgeteilt: Vier Schüler sind für die Experimente zuständig, die hinabgeschickt werden. Sie haben Ingenieursaufgaben wie Konzeption und Konstruktion des Probenträgers übernommen.

Zum Beispiel will die Schülergruppe ein ausgeblasenes und ein hart gekochtes Ei hinabschicken – in beide haben sie vorher Löcher gestochen. Dadurch sollte kein Druckunterschied mehr zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Eis bestehen und es sollte eigentlich ganz bleiben, erklären die Neuntklässler – in der Theorie zumindest. Auch mit Bärtierchen planen sie Experimente. Die maximal einen Millimeter großen Überlebenskünstler haben schon einen Flug in die Stratosphäre überlebt – nun sei die Frage, ob sie auch den Ausflug in die Tiefe überstehen werden.

Ihre vier Klassenkameraden sind für IT und Messtechnik zuständig: Sie haben mehrere Sensoren teils selbst gebaut, mit einem Prozessor verbunden und das System so programmiert, dass die Daten der Sensoren aufgezeichnet und später ausgewertet werden können. Geräusche, Temperatur und Lage sollen gemessen werden, außerdem Druck und Feuchtigkeit. Anhand dieser Daten können sie auch die aktuelle Höhe über, beziehungsweise unter dem Meeresspiegel berechnen.

Experimente in Stratosphäre und Tiefenbohrung statt Frontalunterricht

Die acht Jungs aus Dettelbach sind die ersten Schüler überhaupt, die an der KTB etwas in die Tiefe schicken dürfen. Die unterfränkische Realschule mit ihren Projektbetreuern Informatiklehrer Roman Kruse und Schulleiter Stefan Wolbert ist umtriebig, was wissenschaftliche Experimente angeht. Seit vier Jahren lassen sie mit ihren Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern jedes Jahr einen eigenen, ebenfalls mit Experimenten und Messinstrumenten versehenen Wetterballon in die Stratosphäre aufsteigen und veranstalten drumherum einen "Space Day" für die ganze Schule.

Ein Pfund, mit dem gewuchert werden konnte, als man vorsichtig beim Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam anfragte, ob ein Projekt in der Tiefe denkbar wäre. "Die sind bei uns, grade auch bei mir, auf offene Ohren gestoßen", sagt Jochem Kück. Der Geophysiker leitet für das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam das Tiefenlabor an der KTB, "weil es ja auch ein wichtiges Anliegen ist, dass man junge Menschen dazu bringt, sich ernsthaft mit der Wissenschaft zu beschäftigen".

Die Eier sind tatsächlich ganz geblieben

Die Schüler hatten vorab unter anderem im Backofen getestet, ob ihre Instrumente 120 Grad aushalten können. Als der Probenturm von einem Stahlmantel umhüllt in der Schwärze verschwindet und seinen Weg in die Tiefe beginnt, können sie nur noch hoffen, dass alles stimmt. Der Stahlmantel hat Löcher, durch die Wasser hinein und wieder herausgedrückt wird. Alles im Probenregal wird also trotzdem den vollen Druck der Tiefe zu spüren bekommen.

Einige Stunden später kommt alles wieder an der Oberfläche an. Zur allgemeinen Überraschung sind die Eier tatsächlich noch ganz, auch der Rest sieht auf den ersten Blick gut aus. Warum und was damit passiert ist, wird jetzt im Klassenzimmer weiter erforscht und berechnet. Für die Bärtierchen interessieren sich vielleicht sogar die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Geoforschungszentrums in Potsdam, sagt Jochem Kück.

Der erste Versuch hat aber auch eine Schwachstelle offenbart: Die Sensoren und der Prozessor haben zwar alles überstanden und funktionieren noch, aber der Speicherkarten-Adapter ist angeschmort. Ob die Daten zu retten sind, muss Informatiklehrer Roman Kruse in den nächsten Tagen austüfteln. Wichtige Lerneffekte für ein mögliches nächstes Mal – denn eine Wiederholung ist auf jeden Fall gewünscht.

Das tiefste noch offene Bohrloch der Welt

Die KTB ist das tiefste noch offene Bohrloch der Welt – vier Jahre lang war dort Anfang der Neunzigerjahre in die Erdkruste gegraben worden, bis auf 9.101 Meter. Seit Abschluss des eigentlichen Projekts sind dort immer wieder auch andere Forschungen durchgeführt worden – jüngst wieder vermehrt in Richtung Geothermie.

Bis ganz nach unten kommt man im Bohrloch heutzutage allerdings nicht mehr, sagt Laborleiter Kück. Manchmal sei dabei nämlich auch etwas schiefgegangen: Nicht alles, das in die Tiefe gefahren wurde, kam wieder nach oben. Heute geht es deshalb laut Kück ohne großen Aufwand nur noch bis maximal 6.000 Meter hinunter.

Zum Nachhören: Unterfränkische Schüler forschen am tiefsten Bohrloch der Welt in der Oberpfalz

Die Schüler begutachten den Probenturm über dem Bohrloch.
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Die Schüler begutachten den Probenturm über dem Bohrloch.

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