Südostbayern, Anfang Februar 2024. Es ist zu spüren und sogar zu hören: Die Erde bebt. Eine ungewöhnliche Serie von Erdbeben erschüttert die Gegend von St. Johann und Waidring im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet.
Erdbebenrisiko in Bayern gering – dennoch sind Frühwarnsysteme nötig
Mehr als 40 kleinere Beben wurden bis dahin seit Jahresbeginn gemessen. Verletzte oder größere Gebäudeschäden gab es keine. Obwohl das Erdbebenrisiko in Bayern vergleichsweise gering ist, sind besonders das Tiroler Inntal und das Gebiet zwischen Innsbruck und dem Fernpass anfällig für stärkere Beben. Auch aus hiesiger Perspektive sind Frühwarnsysteme also durchaus notwendig – in Bayern überwacht man die Erdbebenaktivität derzeit mithilfe von 21 seismischen Messstationen.
Huhn, Kuh oder Schaf: Taugen sie als "Frühwarnsysteme" bei Katastrophen?
Doch wie wäre es zum Beispiel, Kühe oder Hühner als lebende Katastrophenmelder einzusetzen? Was wie ein verspäteter Aprilscherz klingt, könnte nach Meinung einiger Forschender irgendwann durchaus eine praktikable Alternative sein. Ein Beispiel dafür liefert der Biologe Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. 2016 stattete er auf einem Bauernhof in der Nähe von Norcia in Italien unter anderem Kühe, Schafe, Hasen, Hühner und Truthähne mit Biologgern aus. Das sind kleine Sender, die an den Tieren befestigt werden und Daten über sie und die Umgebung liefern.
Martin Wikelski verglich dann die kontinuierlichen Messungen mit den seismischen Aufzeichnungen von Erdbeben in der Gegend. Das Ergebnis zeigt laut Wikelski: Zwischen dem gemessenen Energieeinsatz der Tiere und den Erdbeben in der Region gab es offenbar einen Zusammenhang: "Die Daten zeigen, dass die Tiere ihren persönlichen Rhythmus haben. Die sind irgendwann mehr aktiv, dann wieder weniger. Aber Stunden vor einem Erdbeben, vor einem großen Erdbeben zeigen sie ein komplett verrücktes Verhalten wie bei einem Börsencrash." Manche Tiere reagieren also bevor irgendein seismisches Gerät Veränderungen im Untergrund aufzeichnen kann.
Mysteriöses Signal: Wissenschaft tappt im Dunkeln
Dabei fiel auf, dass die aus dem Verhalten der Tiere abgeleitete Vorwarnzeit von der Nähe zu dem jeweiligen Beben-Epizentrum abhing. Tatsächlich scheint also ein wie auch immer geartetes Signal zu existieren, das von den Tieren wahrgenommen wird, dennoch: "Wir wissen im Moment auch nicht, ob die Tiere es spüren, hören oder sehen", sagt Biologe Martin Wikelski. Die genaue Natur dieses Signals ist also noch unklar. Denn die geophysikalischen Vorgänge im Untergrund sind äußerst komplex.
Hier steht also noch weitere Forschungsarbeit aus. Die Frage, ob Tiere wirklich verlässlich vor Naturkatastrophen warnen können, wird kontrovers diskutiert. Forschende der Freien Universität Berlin kritisierten Wikelskis Schlussfolgerungen: Die ungewöhnlichen Verhaltensweisen der Tiere könnten keine verlässlichen Vorhersagen ermöglichen.
Kontrovers diskutiert: Können Tiere verlässlich warnen?
Generell sei die Skepsis vonseiten der Wissenschaft immer noch groß, sagt der Wissenschaftshistoriker Fa-Ti Fan von der Binghamton University: "Forscher sind da immer noch zurückhaltend, etwas so Vages zu studieren." Dennoch gibt es eine Vielzahl an Projekten, die Biologger und damit die Daten von Tieren nutzen: Wasserschildkröten sammeln Daten, die tropische Zyklone besser einschätzbar machen. Albatrosse fliegen übers Meer und sammeln meteorologische Informationen. Und Haie messen den CO₂-Gehalt des Wassers. Jedenfalls dürfte es nicht schaden, über solche und ähnliche Forschungsansätze ein gewisses Verständnis für den "Wissens"-Vorsprung der Tiere zu entwickeln.
Rückmeldungen der Bevölkerung sind entscheidend für die Einschätzung der Erdbebenintensität. Für die Entwicklung von Erdbebengefährdungskarten ist das von großer Bedeutung. Auch Sie können im Fall der Fälle Beben hier melden.
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