Noch gibt es in Grindavik auf Island keinen Vulkan, aber das könnte sich schnell ändern. Sobald das Magma, das spürbar unter der Oberfläche ansteigt, an die Erdoberfläche kommt. Weil es jeden Moment so weit sein kann, haben die Behörden den Ort inzwischen evakuiert.
- Zum Artikel: "Auswärtiges Amt warnt: Vulkanausbruch in Island befürchtet"
Doch wird der Vulkan überhaupt ausbrechen? Kann die Wissenschaft das herausfinden? Damit beschäftigen sich Geowissenschaftler wie Barbara Kleine-Marshall und Edward Marshall, die lange in Island gelebt und geforscht haben.
Unter Grindavik brodelt flüssiges Gestein
Grindaviks Boden ist schon länger nicht mehr ruhig. Schon öfter war in den vergangenen drei Jahren Magma in der Gegend aufgestiegen, flüssiges Gestein aus dem Erdmantel, erzählt Edward Marshall. Die anderen Male habe sich das Magma flach unter der Oberfläche verteilt, als ob man Kaffee auf dem Tisch verschüttet.
Diesmal aber steigt das Magma bei Grindavik senkrecht auf. Es nimmt den Weg des geringsten Widerstands, durch einen Sprung im Gestein, wie es sie auf Island überall gibt. Warum das passiert, wissen auch die Geophysiker nicht. Was sie wissen, ist: Es passiert sehr schnell. Plötzlich habe sich ein Gang von einem Meter Breite geöffnet, berichtet Marshall. "Die Erdkruste steht unter unglaublicher Spannung."
Grundsätzlich ist die derzeitige vulkanische Aktivität keine Überraschung auf Island: Vulkanismus auf der Halbinsel Reykjanes läuft zyklisch ab. Die Zyklen haben einen Abstand von etwa tausend Jahren und dauern 300 bis 400 Jahre. Man könnte also sagen, auf der Reykjanes-Halbinsel ist es mal wieder an der Zeit für einige Vulkanausbrüche. Zumindest irgendwann in den kommenden paar hundert Jahren. Aber wann genau? Um das herauszufinden, lauschen Forschende mit unterschiedlichen Methoden darauf, was sich unter der Erdoberfläche tut.
Erdbeben geben Aufschluss über Magma unter der Oberfläche
Typische Erdbeben-Abfolgen zeigen Forschenden, dass sich Magma nahe der Erdoberfläche bewegt. Dabei kommen nicht nur klassische Erdbebenmessgeräte zum Einsatz. In Island werten Wissenschaftler auch Daten aus gewöhnlichen Telefon-Glasfaserkabeln aus, deren Lichtfluss durch Erdeben minimal gestört wird.
Auch Wasser aus der Tiefe gibt den Forschenden Aufschluss: Auf Island wird es zur Energiegewinnung in Geothermie-Kraftwerken aus großer Tiefe heraufgepumpt. Wenn der CO2- oder Schwefelgehalt im Wasser plötzlich ansteigt, sei das ein sicheres Zeichen für Magmenansammlungen, erläutert Barbara Kleine-Marshall, die sich mit der Geochemie auf Island beschäftigt hat. Für eine kurzfristige Vorhersage, wann ein Ausbruch erfolgen könnte, hilft diese Methode allerdings nicht.
Die aktuelle Situation bei Grindavik wird auf der Webseite des Icelandic Met Office präsentiert.
Minimalste Bewegungen bringen "erschreckend genaues Bild"
In den vergangenen Jahren beobachten Wissenschaftler aber vor allem minimalste Bewegungen der Erdoberfläche, erzählt Edward Marshall. Mit speziellen GPS-Geräten können sie heute schon Verschiebungen im Millimeterbereich feststellen. Und mit INSAR-Radar, einer noch neueren Methode, kann man durch die mehrmalige Kartierung der Geländeoberfläche Veränderungen für eine gesamte Landschaft feststellen. "Wenn man nun ein starkes Signal hat, zum Beispiel von einer unterirdisch aufsteigenden Magma, kann man sich ein erschreckend genaues Bild davon machen, was unter der Erde passiert", veranschaulicht Marshall.
Aus der minimalen Bewegung der Erdoberfläche können Wissenschaftler das Volumen und sogar die dreidimensionale Form der Magma berechnen.
Wahrscheinlichkeiten statt Vorhersagen
Aus all diesen Daten schließen Wissenschaftler darauf, ob sich die Wahrscheinlichkeit eines Vulkanausbruchs erhöht. Das ist der entscheidende Punkt: Edward Marshall besteht darauf, dass eine genaue Vorhersage nicht möglich ist. Auch mit den modernsten Daten können Geophysiker nur auf ein Risiko hinweisen. Ob dann evakuiert wird oder nicht, müssen Politiker und Behörden entscheiden. Und das ist keine leichte Entscheidung.
Explosiver Ausbruch unwahrscheinlich
"Ich wäre nicht überrascht, wenn es einen Ausbruch gibt. Ich wäre aber auch nicht überrascht, wenn es keinen Ausbruch gibt", fasst Marshall die Position des Geophysikers zusammen. "Was mich aber überraschen könnte, ist die Art der Eruption. Wir erwarten keine Explosionen. Darüber wurde in den Medien spekuliert. Aber diese Art des Ausbruchs ist extrem unwahrscheinlich."
- Infografiken: Die fünf verschiedenen Vulkanausbruch-Typen
Video: Verborgene Vulkane - Wie gefährlich sind sie?
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