Vier Kilometer lang ist der Spalt auf der isländischen Halbinsel Reykjanes, aus dem seit Montagabend die Lavamassen dringen. Der Ausbruch hatte sich durch mehrere kleinere Erdbeben in den letzten Monaten bereits angekündigt.
Und doch hinterlassen die Bilder von den leuchtend roten Lavamassen, der scheinbar flüssigen Erdschicht und der riesigen Rauchsäulen ein Gefühl von Beklemmung beim Betrachter: "Erschütternd", "beängstigend", "heftig" – so beschrieben Passanten und Passantinnen in der Münchner Fußgängerzone ihren Eindruck beim Ansehen der Bilder vom jüngsten Vulkanausbruch auf Island.
Münchner Forscher: Ausbruch hilft wissenschaftlichem Fortschritt
Als Professor Donald Dingwell am Dienstagmorgen von dem Vulkanausbruch in Island erfuhr, war er begeistert: "Für uns ist das, was da gerade auf Island passiert, ein Naturexperiment, das wir hier im Labor noch nicht nachstellen können", sagt der Geologe.
Natürlich beziehe sich seine Begeisterung nicht auf die negativen Auswirkungen, die die Eruption bereits auf Island verursacht hat – etwa die Zerstörung lokaler Infrastruktur im nahegelegenen Dorf Grindavík. Aber aus der Perspektive eines Forschers sei der Ausbruch hochinteressant: "Wissenschaftlich können wir so weiterkommen in unserem Verständnis über Island."
Island: Ein Hotspot für Vulkanausbrüche
Dingwell ist Institutsleiter des Departments für Geo- und Umweltwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Hier, in der Münchner Maxvorstadt und weit weg von Vulkanen und Lavamassen, erforschen Dingwell und seine Kollegen Vulkanausbrüche auf der ganzen Welt. Das tun sie zum einen, indem sie in die betroffenen Gebiete fliegen und sich ein Bild vor Ort verschaffen. Oftmals aber arbeiten sie aus der Ferne – indem sie Gesteinsproben von lokalen Kollegen zugeschickt bekommen.
Seit Jahren sammeln Dingwell und seine Kollegen auch Material von den Vulkanausbrüchen auf Island. Denn die Insel ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Hotspot für Vulkanausbrüche: Sie liegt auf dem sogenannten mittelozeanischen Rücken, entlang dessen die nordamerikanische Platte und die eurasische Platte aufeinandertreffen. Wenn sich die beiden Platten auseinander bewegen, kann das Vulkanausbrüche provozieren.
Forschung zur Vorhersage künftiger Vulkanausbrüche
Mittlerweile liegen dem Department für Geo- und Umweltwissenschaften in München diverse Gesteinsproben aus Island vor. Wenn das erhärtete Magma am Institut ankommt, zermahlen die Forschenden den Stein erst zu Pulver und erhitzen es dann auf über 1.000 Grad – ähnlich heiß also, wie das Material auch aus dem Vulkan kommt.
In diesem flüssigen Zustand vergleichen die Forschenden dann einzelne Eigenschaften verschiedener Proben miteinander – zum Beispiel ihre Viskosität. Damit wollen sie unter anderem herausfinden, ob unter Island eine einzige, riesige Magma-Kammer schlummert, oder ob es viele kleine Kammern sind. Das ist wichtig, um Ausbrüche und ihre Dauer möglichst genau voraussagen zu können. Bis die Forschenden aber ein zuverlässiges Modell für die Vorhersage von Vulkanausbrüchen haben, könnte es noch dauern: Die "nächsten Jahrzehnte" nennt Dingwell als Zeithorizont für sein Forschungsvorhaben.
Forscher: Ausbruch wohl nicht so gefährlich wie vorige
Wie lange der Ausbruch auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel noch andauern wird, darüber will Dingwell zu diesem Zeitpunkt noch keine Prognose abgeben. Doch er schätzt, dass der Ausbruch nicht so gefährlich sein wird wie vergangene Ausbrüche auf der Insel: "Wir wissen, dass in den letzten Jahren große Mengen an Aschewolken auf Island entstanden sind", sagt der Geologe. "Es gibt höchstexplosive Gebiete auf Island."
Aber die Gegend rund um Grindavík sei eigentlich relativ ruhig – soweit man denn von Ruhe im Zusammenhang mit Vulkanausbrüchen sprechen könne. Übrigens: Das Magma von Grindavík könnte im Idealfall noch vor Weihnachten in München ankommen. Für Dingwell wäre das die perfekte Bescherung.
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