Die Lokführergewerkschaft GDL darf im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn nun auch zu mehrtägigen Streiks aufrufen. In einer Urabstimmung sprachen sich rund 97 Prozent der abstimmenden Mitglieder dafür aus, wie GDL-Chef Claus Weselsky in Frankfurt am Main mitteilte.
Das deutliche Ergebnis beweist für die GDL, wie unzufrieden ihre Mitglieder mit der Tarifrunde sind. "Insgesamt gesehen haben die Kolleginnen und Kollegen ein klares Signal gesendet", sagte Weselsky zum Ergebnis. Für längere Streiks waren 75 Prozent Zustimmung nötig. Laut Weselsky lag die Wahlbeteiligung bei mehr als 70 Prozent.
Noch keine Details zum Streik
Die Gewerkschaft hatte zuletzt versprochen, bis einschließlich 7. Januar nicht zu Arbeitskämpfen aufzurufen. Danach haben Weselsky und seine Mitglieder durch das Votum aber die Möglichkeit, auch tagelang die Bahn zu bestreiken. "Das, was jetzt kommt, wird kräftiger, wird länger, wird härter für die Kunden", kündigte der Gewerkschaftschef im Vergleich zu den bisherigen Warnstreiks an.
Wann die Aktionen auf der Schiene genau stattfinden und für wie viel Tage, verrät die Gewerkschaft noch nicht. Gut möglich, dass sie zeitweise nur den Güterverkehr bestreikt oder sich einzelne Regionen vornimmt.
"Wir werden in Maßen die Bahn bestreiken", hatte Weselsky kürzlich betont. "Wir müssen nicht unbefristet streiken, um das System 'Bahn' zum Stehen zu bringen." Die Gewerkschaft sei außerdem "so verantwortungsbewusst, dass wir nicht auf ewige Zeiten streiken werden". Auch am Dienstag sprach Weselsky nicht wörtlich von unbefristeten Streiks, auch wenn sie nun theoretisch möglich sind.
Bahn setzt auf Notfahrpläne
Die Bahn ist zuversichtlich, zumindest ein Grundangebot bei den anstehenden Arbeitskämpfen aufrecht halten zu können. "Wir sind für mögliche Streik-Szenarien vorbereitet", teilte der bundeseigene Konzern am Abend nach der Verkündung des Urabstimmungsergebnisses mit. "Im Regional- und Fernverkehr hat sich ein Notfahrplan bewährt", hieß es. "Dieser umfasst im Fernverkehr rund 20 Prozent des üblichen Fahrplanangebots. Auch im Regional- und S-Bahn-Verkehr haben wir vor Ort entsprechende Notfahrpläne entwickelt."
GDL will 35-Stunden-Woche
Die GDL und die Deutsche Bahn haben sich im Tarifkonflikt festgefahren. Weselsky erklärte die Verhandlungen nach der zweiten Runde für gescheitert. Ein Knackpunkt ist die von der GDL geforderte Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter bei vollem Lohn. Die Gewerkschaft will eine Absenkung von 38 auf 35 Stunden erreichen. Die Bahn hält das für unerfüllbar.
Die GDL hat seit Beginn der Tarifverhandlungen Anfang November bereits zweimal mit 20 beziehungsweise 24 Stunden langen Warnstreiks im Personenverkehr die meisten Züge zum Stillstand gebracht. "Warnstreiks reichen offensichtlich nicht aus", sagte der GDL-Bundesvorsitzende Mario Reiß zur aktuellen Situation des Tarifkonflikts.
Streiks auch bei Privatbahnen möglich
Auch bei einigen privaten Betreibern wie GoAhead in Bayern könnte es ungemütlich werden. Bei ihnen fordert die Gewerkschaft das, was sie dem Branchenprimus Bahn auf den Tisch gelegt hat – unter anderem 555 Euro mehr im Monat und im Schichtdienst statt der gültigen 38- eine 35-Stunden-Woche. Beim Netinera, der in Bayern die Länderbahn mit dem Alex betreibt, hat sie den Einstieg in kürzere Arbeitszeiten vor kurzem vereinbart. Das soll laut GDL die Blaupause sein – wird von der Bahn aber auch angesichts der Personalnot als nicht machbar abgelehnt.
Pro Bahn fordert schnelle Tarif-Einigung
Eine Hoffnung bleibt den Bahnkunden: Dass der Konzern und die Gewerkschaft sich bald schon an den Verhandlungstisch setzen – und zwar noch bevor die Gewerkschaft die Signale auf Rot setzt.
Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert eine schnelle Einigung im Tarifkonflikt. "Unser Appell an beide Seiten ist, sich möglichst schnell am Verhandlungstisch zu einigen", sagte der Bundesvorsitzende Detlef Neuß den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Nur das sei im Sinne der Fahrgäste.
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