Normalerweise heißt es an Fußgängerampeln erstmal: warten. Manchmal kann es lange dauern, bis das ersehnte Grünsignal kommt. In Wien werden schon seit 2017 "intelligente" Ampeln getestet, die keinen Druckknopf oder Sensor mehr haben, sondern mit Kameras bestückt sind und automatisch auf Grün schalten, wenn ein oder mehrere Fußgänger warten. Die heutige Generation dieser intelligenten Ampeln kann sogar zwischen einzelnen Fußgängern, wartenden Menschengruppen, Kindern oder Menschen mit Gehhilfen differenzieren.
Horst Possegger vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz bringt es auf den Punkt: "Ganz einfach gesagt, ist eine intelligente Ampel quasi wie in Druckknopf, den Sie aber gar nicht drücken müssen."
Software erkennt Bewegungsmuster, aber keine Menschen
Sehen kann eine intelligente Ampel mit einer Kamera, die in circa sieben Metern Höhe hängt. Die Software des Systems berechnet Bewegungsmuster der Menschen, die sich der Ampel nähern. Sie erkennt, ob jemand die Straße überqueren möchte oder auf der Straßenseite bleibt, um zum Beispiel zu seinem geparkten Auto weiterzugehen. Possegger sagt: "Aber wenn 100 Leute in Richtung Ampel gehen und dann anschließend über die Kreuzung, dann weiß das System: Wenn ich jetzt 100-mal dieses Bewegungsmuster gesehen habe und nur einer davon ist woanders hingegangen, dann habe ich schon ein relativ starkes Vorwissen, dass es jetzt eine Auslösung braucht." Also: Die Ampel wird grün. Doch die intelligenten Ampeln können noch mehr.
Das Ampel-System kann auch erkennen, ob es sich um Menschen handelt, die mehr Zeit für die Straßenüberquerung benötigen als normale Fußgänger. Zum Beispiel Kinder oder Fußgänger mit einem Rollator. "Dann kann die Grünphase verlängert werden", so Possegger. Und "länger Grün" zeigt die Ampel auch, wenn eine große Gruppe die Straße überqueren möchte. Dabei werden aber keine identifizierbaren Bilder von den Personen gesammelt.
Ampel speichert keine Daten
Die Daten, die die Kameras liefern, werden mit einem neuronalen Netzwerk innerhalb von 50 Millisekunden prozessiert. Es wird also nicht gefilmt und gespeichert, sondern es werden künstliche Personen generiert, die nicht identifizierbar sind. Das System erfasst dann zum Beispiel: Person XY mit einem Kinderwagen. "Nach den 50 Millisekunden gibt es keine identifizierbaren Daten mehr. Es gibt keine Bilddaten, die wir verwenden, sondern wir arbeiten nur mit geometrischer Information", erklärt Posseger.
Das System funktioniert nicht an jeder Kreuzung, manche sind schlicht zu belebt. Aber aus Sicht von Possegger ist das Potenzial immens für den gesamten Verkehrsfluss einer Stadt, nicht nur für Fußgänger. Zum Beispiel, wenn intelligente Ampeln in der Nähe einer Schule stehen. "Wenn ich weiß, immer Montag bis Freitag um 12 Uhr habe ich extrem viele Fußgänger, die über die Kreuzung wollen, kann man das in die Verkehrsplanung einfließen lassen. Zum Beispiel den motorisierten Verkehr über Hunderte Ampeln so steuern, dass ich dann einen sehr effizienten Verkehrsfluss habe." In Wien sollen die intelligenten Ampeln schrittweise rund 200 Druckknopfampeln ersetzen.
Sekunden können Leben retten
Auch Allister Loder, Professor für Mobilitätspolitik an der Technischen Universität München, findet den Einsatz von KI im Verkehr sinnvoll. Dabei gehe es nicht nur um den besseren Verkehrsfluss, sondern auch um die Sicherheit. Die verlängerten Grünphasen könnten im Ernstfall Leben retten: "Auch unserer immer älter werdenden Bevölkerung sollten wir es ermöglichen, sicher über die Straße zu kommen." In Singapur etwa oder in England gebe es da schon überzeugende Projekte.
Loder sagt, die Steuerung von Ampeln in Städten müsste in jedem Fall intelligenter werden. Bisher sei es bei der Ampelsteuerung nämlich vor allem um die Optimierung aus Sicht der Autofahrer gegangen. Es gebe aber bisher keine einheitliche Richtlinie, die sicherstellt, dass auch ein langsamer Verkehrsteilnehmer sicher über die Straße kommt. Die "intelligenten Ampeln" in Wien machen da jetzt einen Anfang.
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