11. Juni 2023: Die Weltmeere verzeichnen eine bemerkenswerte Durchschnittstemperatur von 20,9 Grad Celsius an ihrer Oberfläche. Das markiert einen Anstieg um 0,2 Grad im Vergleich zum bisherigen Rekordwert aus dem Juni 2022, der bei 20,7 Grad lag. Bereits im April hatten die Ozeane eine durchschnittliche Oberflächentemperatur von 21,1 Grad erreicht: ein historischer Höchstwert. Diese Rekordtemperatur übertraf die vorherige Spitze von 2016 um 0,1 Grad.
Zu warm für die Jahreszeit: Nordatlantik mit Temperaturrekord
Besonders die Temperaturen im Nordatlantik machen die Bedeutung dieser Daten noch einmal augenscheinlich: Zwar steigen die Oberflächentemperaturen dort im Sommer tendenziell an und erreichen Ende August oder Anfang September ihren Höhepunkt. Momentan sind die Meeresoberflächen-Temperaturen im Nordatlantik jedoch so hoch wie nie zuvor zu dieser Jahreszeit: Am 11. Juni erreichten sie einen Höchstwert von 22,7 Grad und lagen damit ganze 0,5 Grad über dem bisherigen Höchstwert aus dem Juni 2010. Das ergeben die von Forschenden der University of Maine vorgelegten Daten, die bis ins Jahr 1981 zurückreichen.
Martin Visbeck, Leiter der Forschungseinheit Physikalische Ozeanographie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, sieht die hohen Temperaturen als durchaus bedeutsam an: "Das Zusammenspiel von Klimavariabilität und der Klimaerwärmung führt in diesem Jahr zu besonders hohen Werten im Atlantik. Ein einzelnes Jahr würde mich nicht beunruhigen, aber der damit verbundene Trend schon."
Verschiedene Ursachen für die Erwärmung denkbar
Bislang ist nicht klar, was die ungewöhnlich hohen Werte im Nordatlantik genau verursacht. Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die dazu beitragen könnten. Neben dem Klimawandel - die Ozeane haben den Großteil der bisherigen klimawandelbedingten Erderwärmung aufgenommen - könnte der Temperaturanstieg auch auf natürliche Schwankungen zurückzuführen sein, die durch das El-Niño-Phänomen hervorgerufen werden. Erst zuletzt haben Wetterexperten den Beginn von El Niño ausgerufen. Dabei handelt es sich um ein Klimaphänomen, das durch ungewöhnlich warme Oberflächentemperaturen im östlichen Pazifik gekennzeichnet ist. Es tritt alle paar Jahre auf und hat weltweite Auswirkungen auf das Wetter.
Wenig Sahara-Staub in der Luft - ein Grund für die Erwärmung?
In diesen Kontext ist auch ein möglicher Faktor einzureihen, den Michael Mann von der University of Pennsylvania zuletzt in die Diskussion mit einbrachte: der ungewöhnlich geringe Staubgehalt aus der Sahara über dem Nordatlantik. Üblicherweise haben diese Staubwolken nämlich eine kühlende Wirkung auf das Meer, da sie die Sonnenstrahlung reflektieren. Jedoch sind die Passatwinde, die den Staub transportieren, dieses Jahr schwächer als gewöhnlich. Das wiederum hat mit dem El-Niño-Phänomen zu tun: Durch El Niño schwächen sich die Passatwinde ab, die normalerweise über den tropischen Pazifik nach Westen wehen. Michael Mann sagt, es werde dementsprechend auch bis Ende Juni nur mit geringen Staubmengen gerechnet.
Auch sauberere Luft führt zu Erwärmung
Ein ähnlicher Wirkmechanismus lässt sich paradoxerweise anhand des massiven Rückgangs an Schwefelaerosolen im Gebiet des Nordatlantiks in den vergangenen Jahren nachweisen. Auf Betreiben der Weltschifffahrtsbehörde wurde seit Anfang 2020 der Anteil an Schwefel in Schiffstreibstoffen von 3,5 Prozent auf 0,5 Prozent reduziert. Dadurch wird die Luft zwar sauberer, aber der kühlende Effekt der Schwefelpartikel fällt weg, die - ähnlich wie Saharastaub - zuvor einen Teil der Sonnenstrahlung über dem Nordatlantik absorbiert haben.
El-Niño-Jahr 2023: Neuer globaler Hitzerekord?
Bis sich die Wärmerekorde der Ozeane in den Temperaturaufzeichnungen für die Atmosphäre niederschlagen, kann es jedenfalls einige Monate dauern. Neben neuen globalen Temperaturrekorden, wie sie die Weltorganisation für Meteorologie bereits prognostizierte, können die erhöhten Oberflächentemperaturen in den Ozeanen auch zu extremen Wetterereignissen wie Starkregen, Hurrikanen und Überschwemmungen führen.
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