Rote Aids-Schleifen als Anstecker liegen auf einem Tisch.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Jens Kalaene

Vom 22 bis 26. Juli treffen sich auf der Welt-AIDS-Konferenz in München Wissenschaftler, Aktivisten und Politiker.

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Welt-AIDS-Konferenz erstmals in München

Eine HIV-Infektion muss kein Todesurteil mehr sein. Dennoch sind HIV und AIDS weiterhin weltweit eine große Gefahr. Auf der Welt-AIDS-Konferenz in München suchen ab heute Wissenschaftler, Aktivisten und Politiker nach Lösungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Etwa 2.200 Menschen in Deutschland haben sich im vergangenen Jahr mit HIV infiziert. Das sind 2.200 zu viel, aber es ist eine vergleichsweise geringe Zahl verglichen mit anderen Staaten. Während in Deutschland die Krankheit gut behandelbar ist und kaum mehr jemand daran sterben muss, sieht es weltweit anders aus. Mehr als eine halbe Million Menschen sind 2022 wegen einer AIDS-Erkrankung gestorben, schreibt das AIDS-Büro der Vereinten Nationen.

HIV - wer weltweit besonders betroffen und gefährdet ist

"Verschiedene Studiendaten weisen darauf hin, dass überall dort, wo Menschen mit dem Risiko einer HIV-Infektion kriminalisiert werden und den Zugang zum Gesundheitssystem verlieren, die HIV-Neuinfektionszahlen deutlich ansteigen", sagt der Arzt und HIV-Forscher Christoph Spinner vom Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München, der dieses Jahr Co-Vorsitzender der Konferenz ist.

Dabei geht es um Homosexuelle ebenso wie um Sexarbeiter und Drogenabhängige, die in einigen Ländern auch heute noch mehr und mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden: Das zeige sich aktuell an steigenden Infektionszahlen in Ländern der ehemaligen Sowjetunion, aber auch in afrikanischen Ländern.

Die steigenden Infektionszahlen treffen also hauptsächlich diejenigen, die sowieso schon benachteiligt sind: Menschen in Armut, Menschen, die ihre sexuelle Orientierung nicht offen zeigen dürfen, sei es, weil sie diskriminiert werden oder weil Homosexualität in vielen Ländern weiterhin verboten ist und sogar mit der Todesstrafe geahndet werden kann.

Neues Medikament verhindert Ansteckung

Somit überrascht es nicht, dass sich die Delegierten auf der Welt-AIDS-Konferenz nicht nur mit medizinischen Innovationen im Kampf gegen die Krankheit beschäftigen. In den Diskussionsrunden und Vorträgen geht es darum, wie Betroffene weltweit erreicht werden, wie sie Behandlungsmöglichkeiten bekommen, wie sie informiert werden können. Es geht um die Rolle von Frauen, die weltweit mehr als die Hälfte der HIV-Infizierten ausmachen, und um Kinder, von denen schätzungsweise eineinhalb Millionen weltweit mit HIV leben.

Eine politische Konferenz also. Selbst die Erfolgsmeldung, dass es ein neues Medikament zur Vorsorge gibt, das eine Ansteckung verhindert, wirft politische Fragen auf. Lenacapavir heißt das Medikament, das bereits in der Behandlung von HIV-Infizierten eingesetzt wird. Neuere Studien deuten darauf hin, dass zwei Spritzen pro Jahr eine Infektion verhindern könnten. Das Medikament könnte für Hunderttausende Menschen im Globalen Süden, für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, für junge Mädchen ein Lebensretter sein. Aber Lenacapavir ist teuer.

Der Arzt und AIDS-Forscher Hendrick Streeck vom Universitätsklinikum Bonn spricht von einem Dilemma: "Es ist ethisch fast geboten, so ein Medikament Menschen mit einem hohen Risiko für eine Infektion, zum Beispiel junge Mädchen im südlichen Afrika, anzubieten", so Streeck. Nur zwei Spritzen pro Jahr sind weniger aufwendig als jeden Tag eine Tablette zu nehmen, das Risiko, die Prophylaxe zu vergessen, sinkt – und auch die mögliche Stigmatisierung, wenn jemand immer eine Packung Tabletten dabei hat, spricht Streeck an. Allerdings seien die Kosten für die neuartige Prophylaxe wohl nicht zu stemmen. Gerade deshalb meint der Arzt, dass Lenacapavir ein großes politisches Thema auf der AIDS-Konferenz sein wird.

Teilnehmer dürfen nicht einreisen

Ebenfalls politisch, wenn auch gar nicht medizinisch, ist die Frage nach den Teilnehmern. Bereits bei der Konferenz 2022 im kanadischen Toronto hatte es Kritik an den Behörden des Landes gegeben, die bei der Visavergabe an potenzielle Konferenzbesucher nicht besonders kooperativ gewesen sein sollen. Ähnliches zeichnet sich auch diesmal ab. So berichtete die Deutsche Aidshilfe noch vor wenigen Tagen, dass ein Viertel der von der Internationalen AIDS-Gesellschaft (IAS) gesponserten Teilnehmer oder anderer Personen, die an IAS-Aktivitäten teilnehmen, noch keine Zusage für ein Visum bekommen haben oder sogar abgelehnt wurden.

Am Donnerstag war das Bild dann deutlicher, nur sechs Prozent der Anträge von IAS-Stipendiaten waren noch nicht entschieden, zwölf Prozent wurden abgelehnt, teilte die IAS mit. "Dass natürlich immer unterstellt wird, dass Konferenzteilnehmende nur vorgeben, an einer Konferenz teilnehmen zu wollen, um dann hinterher in Europa zu bleiben, das finde ich im Kontext von HIV beschämend für Deutschland", sagt Silke Klumb von der Deutschen Aidshilfe. Ob diese Begründung die aktuellen Ablehnungsfälle betrifft, ließ sie offen, in der Vergangenheit habe man jedoch immer wieder solche Erfahrungen gemacht.

Zudem hätten gerade Menschen, die von HIV und AIDS betroffen sind und aus Ländern in Afrika, Asien oder Osteuropa anreisen wollen, oft Probleme mit der Bürokratie des Visaantrags. Manche hätten bestimmte Unterlagen nicht parat, die langen Vorlaufzeiten und Fristen stellten sie vor zusätzliche Probleme.

Bundesregierung weist Vorwürfe zurück

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Freitag, dass die gesamte Bundesregierung ein großes Interesse daran habe, "gerade Personen aus besonders betroffenen Weltregionen eine Teilnahme [an der Konferenz] zu ermöglichen". Das Auswärtige Amt habe bereits im Vorfeld detaillierte Informationen zu Visaverfahren zur Verfügung gestellt. Für Personen mit Stipendien hätten die Auslandsvertretungen bevorzugte Termine vergeben, sodass sie die Reise rechtzeitig antreten konnten. Einige Antragstellerinnen und Antragsteller hätten sich jedoch erst vor Kurzem um einen Termin zur Visumbeantragung bemüht.

Hinzukomme, dass für die Erteilung eines sogenannten Schengenvisums, wie es für die Teilnahme an der Konferenz notwendig sei, feste europarechtliche Vorschriften bestünden. Demnach kann auch ein Stipendium für die AIDS-Konferenz nicht die eigentliche Prüfung des Visumantrags ersetzen.

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