Seit 1988 wird jedes Jahr am 1. Dezember der Welt-AIDS-Tag der Vereinten Nationen begangen. Er soll die Öffentlichkeit auf Fortschritte und Rückschläge beim Kampf gegen die Immunschwächekrankheit aufmerksam machen.
- Zum Artikel: Wann kommt die Impfung gegen HIV?
100 Prozent Schutz bei HIV-Prophylaxe bei Frauen
Die Erfolgsmeldung des Jahres 2024: Mit zwei Spritzen Lenacapavir jährlich sind Frauen offenbar zu 100 Prozent vor einer HIV-Ansteckung geschützt. So das Ergebnis einer Studie, die am 24. Juli 2024 im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde (externer Link). Die Ergebnisse der Phase 3-Studie legen nahe, dass zwei Spritzen pro Jahr mit Lenacapavir besser schützen als bisherige Wirkstoffkombinationen, die man täglich als Tablette einnehmen muss zur sogenannten Prä-Expositions-Prophylaxe, kurz PrEP. Wichtig für Risikopersonen ist auch, sich regelmäßig testen zu lassen.
99,9 Prozent Schutz bei HIV-Prophylaxe bei Männern
Am 12. September 2024 veröffentlichte das Pharmaunternehmen Gilead eine weitere Untersuchung zu Lenacapavir (externer Link). Diese zielt auf Männer ab, die mit Männern Geschlechtsverkehr haben. Von 2.180 Teilnehmern in der Lenacapavir-Gruppe steckten sich zwei Personen an. 99,9 Prozent infizierten sich nicht mit HIV. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck: "Lenacapavir zeigt sowohl bei Frauen als auch bei Männern eine hervorragende Wirkung."
Lenacapavir wurde im Jahr 2022 in Europa zugelassen. Damals allerdings als Arznei, die erst zum Einsatz kommt, wenn Menschen bereits mit HIV infiziert sind. Sie sorgt dafür, dass die Viruslast sinkt und AIDS nicht ausbrechen kann. Die beiden Studien zeigen, dass Lenacapavir auch zur Vorbeugung einer Infektion hochwirksam ist. Das bestätigen auch die Ergebnisse einer weiteren Phase 3-Studie, die Ende November 2024 im "New England Journal of Medicine" erschien (externer Link).
HIV-Spritze Lenacapavir ist noch nicht auf dem Markt
Der Pharmakonzern veranschlagt für eine Spritze Lenacapavir einen hohen Preis: 20.000 Euro. Das heißt, eine Jahresration mit zwei Spritzen würde rund 40.000 Euro kosten. Zum Vergleich: Tabletten zur Prävention oder für HIV-Infizierte kosten etwa 30 Euro pro Monat, also 360 Euro im Jahr. Begründung des Konzerns: Hinter Lenacapavir stecken 18 Jahre Entwicklungskosten, die eingepreist werden müssen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA, der in Deutschland Richtlinien zur gesundheitlichen Versorgung bestimmt und entscheidet, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, hat sich bisher gegen Lenacapavir als HIV-Medikament entschieden. Das heißt, Ärztinnen und Ärzte können die Arznei in aller Regel nicht verschreiben.
Lenacapavir kann sich nur bei günstigem Preis durchsetzen
Lenacapavir wird im Kampf gegen HIV und AIDS erst Aufwind bekommen, wenn sich der Preis drastisch reduziert. Möglich wird das, wenn sich viele Länder für diese Arznei entscheiden würden. Würde das Pharmaunternehmen Gilead das Produkt 10 Millionen Menschen zur Verfügung stellen, ließe es sich angeblich für 40 Dollar pro Jahr produzieren. Das hat der Pharmakologe Andrew Hill von der Universität in Liverpool mit einem internationalen Team errechnet und im Rahmen der Internationalen AIDS-Konferenz in München im Juli 2024 veröffentlicht (externer Link).
UNAIDS fordert, dass für ärmere Länder Generika, also Nachahmerprodukte, von Lenacapavir hergestellt werden dürfen. "Das ist bisher nicht erfolgt", sagt Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe. "Der Hersteller Gilead hat aber bilaterale Verträge abgeschlossen, damit es für bestimmte Länder als Generikum zu einem geringeren Preis produziert werden darf."
Lenacapavir ist keine Impfung, sondern ein Virostatikum
Lenacapavir wird zwar als Spritze verabreicht, ist aber keine Impfung. Lenacapavir ist ein Virostatikum und verhindert, dass das genetische Material des HI-Virus in den Zellkern gesunder Zellen vordringen kann. Außerdem schützt es davor, dass sich HI-Viren im Körper vermehren können.
Fazit: Zwei Spritzen Lenacapavir sind pro Jahr notwendig – entweder, um Risikogruppen vor einer HIV-Infektion zu schützen oder um bei bereits Infizierten dafür zu sorgen, dass die Viruslast gering bleibt. Aber noch ist der Preis so hoch, dass Lenacapavir nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommt. Zum Gamechanger im Kampf gegen HIV und AIDS kann sich das Virostatikum erst entwickeln, wenn Politik und Pharmaindustrie dafür sorgen, dass Lenacapavir bezahlbar wird. Wann das so weit ist, ist noch offen.
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