Wie gelingt uns der Weg aus der Corona-Pandemie - und wie können hier Medikamente helfen? Forscher arbeiten daran, seitdem das Coronavirus um die Welt geht.
Vielversprechende Studie mit dem Medikament Molnupiravir
Künftig könnte bei der Therapie von Coronavirus-Infizierten auch ein neues Medikament zum Einsatz kommen. Es heißt Molnupiravir und stammt vom US-Pharmakonzern Merck. Großbritannien hat am 4. November 2021 als erstes Land weltweit das Medikament im Kampf gegen SARS-CoV-2 zugelassen. Auch in den USA hat der Pharmakonzern bereits die Notfallzulassung für das Präparat beantragt, die EU-Arzneimittelbehörde EMA könnte bald die Rolling-Review-Prüfung für eine Zulassung starten.
Das Medikament wirkt offenbar so gut, dass die letzte klinische Studie, die Phase III, vorzeitig beendet werden konnte. Noch sei es allerdings zu früh, alle Karten auf das Präparat zu setzen, sagen Experten. Außerdem könnte eines zum Problem werden: In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass Molnupiravir in hohen Dosen in Zellkulturen mutagen ist. Das heißt: Der Wirkstoff könnte nicht nur in die RNA, sondern auch in die DNA, unserem Erbgut, eingebaut werden. Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemie-Beauftragter der TU-München, sieht darin aber keinen Grund zur Sorge.
Weiterer Vorteil von Molnupiravir: Die Einnahme ist sehr einfach
An der Studie, in der die Wirksamkeit von Molnupiravir getestet wurde, nahmen immerhin 800 mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte Personen teil. Die eine Hälfte von ihnen bekam den Wirkstoff, die andere ein Placebo. Von der Gruppe mit dem Scheinmedikament mussten 53 ins Krankenhaus, acht starben. Von denjenigen, die das Medikament bekamen, mussten hingegen nur halb so viele ins Krankenhaus, gestorben ist von ihnen keiner. Für Experten wie Christoph Spinner von der TU München klingt das sehr vielversprechend.
Neben der hohen Wirksamkeit gegen das Coronavirus ist ein weiterer Vorteil des neuen Medikaments: Es könne sehr leicht als Tablette verordnet werden, sagt Christoph Spinner, und sei damit wirklich das erste möglicherweise zulassungsfähige Covid-19-Medikament, das ausschließlich oral als Tablette eingenommen werden könne. "Alle anderen Medikamente, die wir heute nutzen, müssen als intravenöse Infusion und damit im Krankenhaus eingesetzt werden", erklärt der Mediziner. Das ist teuer und aufwendig.
Molnupiravir - Dosierung und Wirkungsweise
Wer Molnupiravir bekommt, der muss fünf Tage lang täglich acht Tabletten einnehmen. Wichtig ist auch: Die Tabletten müssen innerhalb der ersten fünf Tage nach Auftreten der Symptome eingenommen werden, damit das Präparat wirken kann. Molnupiravir ist also für die frühe Phase einer Covid-19-Erkrankung gedacht.
Das Medikament wirkt, indem es die Vermehrung des Virus stört. Das geschieht folgendermaßen: Der Körper nimmt das Mittel auf und wandelt es in Virus-ähnliche Bausteine um. Das Virus baut diese in das eigene Erbgut, die RNA ein, wie einen blinden Passagier. Vonstattengeht das über die sogenannte RNA-Polymerase, sozusagen den Kopierer des Virus.
Das Entscheidende beim Medikament sei, dass die Polymerase dadurch Fehler mache, erläutert Patrick Cramer, Molekularbiologe und Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. "Das heißt, während der Replikation des Erbguts des Virus entstehen so viele Fehler, sodass daraus keine funktionsfähigen Viren mehr entstehen können. Und so wird die Infektion unterbrochen", sagt Cramer. Ähnlich funktioniert auch das als Infusion eingesetzte Corona-Medikament Remdesivir. Nur: Molnupiravir macht seinen "Job" nach bisherigen Erkenntnissen wohl gründlicher.
Molnupiravir - mögliche Nebenwirkungen
Dass das Medikament allerdings nicht nur in die RNA, sondern auch in die DNA eingebaut werden kann, wie in einer Studie in Zellkulturen festgestellt wurde, könnte den Erfolg von Molnupiravir verhindern. "Das wäre natürlich eine gefährliche Sache, denn man will nicht in die DNA im menschlichen Körper eingreifen, weil das zu allen möglichen Folge-Problemen führen kann. Und diese Sache muss natürlich erst ausgeschlossen werden, bevor man dann in die breite Anwendung geht", sagt dazu der Molekularbiologe Cramer.
Christoph Spinner von der TU München stuft dieses Risiko als eher unwahrscheinlich ein. Das liegt nach seinen Worten zum einen daran, dass sich Zellkulturmodelle, bei denen der Einbau in die DNA festgestellt wurde, nicht "eins zu eins" übertragen lassen. Die Wirkstoffe, die zu einem Kettenabbruch bei der Vermehrung von Erbinformationen führen, wie bei Molnupiravir, "sind in aller Regel hochspezifisch. Das heißt, sie können gar nicht überall wirken. Denn sie müssen dort, wo DNA verarbeitet wird, [...] überhaupt hinkommen." Außerdem verweist der Infektiologe im BR-Podcast auf die verschiedenen Studienphasen, in denen das Medikament bereits getestet wurde, und die kurze Einnahmezeit der Tabletten von nur fünf Tagen. "Das sind allesamt Faktoren, die - zumindest bislang - keinerlei Hinweise darauf geben, dass es unerwartete Nebenwirkungen gibt", sagt Spinner im BR-Interview.
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