"Durch die Zeitumstellung wird mir eine Stunde Schlaf geklaut", sagt Brigitte Weis, "das bringt meine Schlafhormone durcheinander." Die Münchnerin hat jahrelang mit chronischen Schlafstörungen gekämpft. Sie sorgt sich, dass der Wechsel von Winter- auf Sommerzeit ihren mühsam antrainierten Schlafrhythmus wieder aus dem Takt bringt.
Wenn es morgens länger dunkel bleibt, dann schüttet der Körper weiterhin das Schlaf-Hormon Melatonin aus. Das senkt den Energie-Haushalt, führt zu niedriger Körpertemperatur und niedrigem Blutdruck. Der Mensch ist also weniger leistungsfähig. Die Zeitumstellung löst bei einem Viertel der Bevölkerung in Deutschland Erschöpfung aus, das zeigt eine Umfrage der DAK von 2023.
Schlafstörung kam ganz plötzlich
Menschen wie Brigitte Weis, die bereits an Insomnie leiden, also an einer Ein- und Durchschlafstörung, sind besonders von der Zeitumstellung betroffen. Die selbständige Kosmetikerin war 55 Jahre alt, die Wechseljahre hatten begonnen, als sie plötzlich nachts wach lag, mehrere Nächte am Stück. "Es war, als ob ich zehn Energy Drinks, zehn Espresso, zehn Kaffee auf einmal trinken würde", erinnert sie sich. Drei Tage hintereinander kam sie nur auf vier Stunden Schlaf, und das nicht einmal am Stück. Grundlos, meint sie, denn sie hätte in dieser Zeit ein sorgenfreies Leben gehabt.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) leidet in Deutschland jeder Zehnte an einer behandlungsbedürftigen Schlafstörung. Jahrelang hat Brigitte Weis alles ausprobiert: Schlaflabor, Homöopathie, Tabletten – ergebnislos. Das hat auch ihren Mann beschäftigt. "Als Partner fühlt man sich sehr hilflos und kann wenig tun", sagt Christian Weis.
Digitale Schlaf-Begleiter unterstützen Schlafrhythmus
"Meine Rettung war eine Schlaf-App auf dem Handy, bezahlt von der Kasse", sagt Brigitte Weis. Die App wurde ihr von der DGSM empfohlen. Sie wendet Erkenntnisse aus der Verhaltenstherapie an, zum Beispiel die Restriktion: Der digitale Schlaf-Doktor schrieb ihr ein regelmäßiges Schlaf-Fenster vor. Sie durfte erst um Mitternacht ins Bett gehen und musste immer um sechs Uhr ihr Bett verlassen, egal, wie die Nacht war. Kein Mittagsschlaf mehr, kein Nickerchen vor dem Fernseher mehr.
Innerhalb von nur einer Woche hat sich so ihre Schlaf-Qualität enorm verbessert. Brigitte Weis wurde wieder zufriedener, leistungsfähiger, glücklicher. Ihr Wissen gibt sie nun an andere weiter. Sie hat in München eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Schlafstörungen gegründet, die erste in Bayern. "Es hilft schon allein, darüber zu reden", sagt sie, denn wer aus Verzweiflung zur Schlaftablette greife, der würde sich dafür oft schämen.
Schlafmediziner empfehlen: Mehr Sonne und Frischluft tanken
Je mehr Licht der Mensch bekommt, umso mehr Energie bekommt er. Denn das Tageslicht ist der "Hauptzeitgeber" für die innere Uhr des Menschen und für den Wach-Schlaf-Rhythmus verantwortlich. Daraus leitet der Münchner Chronobiologe Prof. Till Roenneberg folgenden Tipp ab: "Geht Campen, geht zelten!" Das heißt: Man solle tagsüber so viel Licht wie möglich abbekommen und nach Sonnenuntergang so wenig Licht wie möglich.
Neurologe Professor Peter Young von der Klinik Bad Feilnbach hat sich auf Schlafmedizin spezialisiert. Sein Tipp: Bereits in den Tagen und Wochen VOR der Zeitumstellung den Wecker immer wieder früher stellen, erst eine Viertelstunde, dann eine halbe, dann eine Dreiviertelstunde. So lässt sich die innere Uhr quasi schrittweise umstellen. Menschen mit chronischen Schlafstörungen bietet die oberbayerische Klinik auch einen Reha-Aufenthalt an.
Beide Experten sind sich einig: Aus Sicht der Schlafmedizin ist die Winterzeit weitaus sinnvoller. Die Umstellung auf die Sommerzeit führe gesamtgesellschaftlich zu einem Schlafdefizit.
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