Mia Fleischer sitzt an ihrem Schreibtisch im Münchner Stadtteil Lehel. Ihr Geschäft befindet sich mitten in einem Wohngebiet und ist hell und freundlich eingerichtet: ein Holztisch mit sechs Stühlen, darauf ein bunter Strauß mit Trockenblumen und eine Schale mit Süßigkeiten. Dahinter gibt es eine Kaffeebar, Blumen und bunte Bilder schmücken den Raum. An den großen Fenstern zur Straßenseite steht ganz klein und dezent ihr Firmenname und daneben "Wegbegleitung mit Herz und Hand".
Angefangen hat alles mit einem Scherz
Vor eineinhalb Jahren hat die 21-Jährige ihr Bestattungsunternehmen gegründet. Rund 50 Bestattungen durfte sie seitdem schon begleiten. Doch angefangen hat alles mit einem Scherz. Denn als Mia 14 Jahre alt war und sich überlegen sollte, wo sie ihr Schülerpraktikum macht, hat ihre Mutter zum Spaß gesagt: "Geh doch zum Bestatter." Und das hat Mia Fleischer dann tatsächlich gemacht.
"Abends war für mich eigentlich klar, als ich nach Hause kam, das möchte ich machen, weil mich diese Arbeit einfach unfassbar erfüllt hat, schon am ersten Tag", so die junge Bestatterin.
Von älteren Kollegen nicht immer ernst genommen
Mia Fleischer möchte mit dem Tod zeitgemäßer und offener umgehen und das Thema Sterben enttabuisieren. So gibt es bei ihr im Untergeschoss nicht nur klassische Urnen und Särge, sondern auch ganz moderne. Beispielsweise Baumstamm-Urnen oder Herzen aus Holz. Für verstorbene Kinder bietet sie auch Urnen mit Figuren an. Eine sieht beispielsweise aus wie ein Schiff. Eine andere hat ein großes, buntes Einhorn auf dem Deckel. Und sie bietet sogenannte "Nestchen" an: Schalen aus Holz mit einer Decke darin für "Sternenkinder", also Babys, die vor oder während der Geburt sterben.
Ihre Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bestattungsinstituten beäugen sie noch eher misstrauisch, berichtet Mia Fleischer. Und auch in der direkten Nachbarschaft gebe es Menschen, die nicht grüßten. Nach einem Workshop für das Bestattungswesen hatte sie beispielsweise das Gefühl, dass ältere Kollege sie nicht ernst nehmen würden. "Aber da stehe ich drüber", sagt sie entschlossen.
"Gerne Cuba Libre getrunken" – Bei Trauerreden darf auch mal geschmunzelt werden
Alleine kann Mia Fleischer ihr Unternehmen natürlich nicht stemmen. Sie arbeitet mit Druckern oder Gärtnern zusammen und mit Menschen, die die Verstorbenen waschen und für die Beerdigung vorbereiten.
Zu ihren engsten Kolleginnen gehört die 33-jährige Melissa Walther. Wenn die Angehörigen es wünschen, hält die freie Rednerin im Geschäft von Mia eine Trauerrede. Es gibt dafür extra einen lichtdurchfluteten Nebenraum mit vielen Kerzen und Schalen mit Blütenblättern. Melissa Walther geht es dabei aber nicht darum, die Biografie des oder der Verstorbenen vorzulesen. So kann es schon einmal vorkommen, dass in einer Trauerrede auch erwähnt wird, dass die Verstorbene gerne Cuba Libre getrunken hat.
"Ich darf für die Verstorbenen ein hoffentlich wahrhaftiges Lebensporträt schreiben", erklärt die freie Rednerin ihre Arbeit. Wichtig sei ihr, den Ort der Trauer auch zu einem Ort zu machen, "an dem mal geschmunzelt wird". Sie möchte keine allgemeingültigen Floskeln verwenden "für ein Leben, zu dem die niemals gepasst hätten", so Melissa Walther.
Pony Kara soll Kindern bei Trauerbewältigung helfen
Und noch etwas ist beim Bestattungsinstitut von Mia Fleischer anders: In Vaterstetten bei München steht seit sechs Wochen Pony Kara, das Kindern helfen soll, mit dem Verlust einer nahestehenden Person umzugehen.
Die junge Frau bietet betroffenen Familien an, die Kinder zum Pferdehof mitzunehmen und die Erfahrungen bislang sind schon positiv: "Dass eben auch Kinder dann zugänglicher werden, das Gespräch suchen, auch mit den Eltern", berichtet Mia Fleischer. Das Schönste für sie sei: "Wenn die Kinderaugen trotz dieser sehr traurigen Phase leuchten."
Auszeit auf dem Land nach Arbeit im Bestattungsinstitut
Jeden Nachmittag fährt Mia Fleischer nach der Arbeit im Bestattungsinstitut nach Vaterstetten, um das Pony zu versorgen. Oft begleitet sie dabei auch die freie Rednerin Melissa Walther mit ihrem Hund. Die beiden Kolleginnen sind mittlerweile auch Freundinnen geworden. Zusammen mit den beiden Tieren gehen sie dann spazieren. Wenn man sich so viel mit dem Tod beschäftigt – sagen sie – ist es auch wichtig, sich wieder zu "erden" und das Leben zu genießen.
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